Hohes Investitionstempo

Energie­werte besitzen Aufwärts­potenzial

Der Energiesektor befindet sich im Wandel, die diesjährigen geopolitischen Entwicklungen erhöhen den Druck, in Erneuerbare zu investieren. Davon dürften die Aktien des Sektors profitieren.

Energie­werte besitzen Aufwärts­potenzial

Energiewerte gelten gemeinhin als gute Inflationsabsicherung – ein Paradigma, welches sich historisch vor allem seit den 1970er Jahren und den damaligen Ölschocks manifestiert hat. Und auch wer sich 2022 mit Energieaktien abgesichert hat, dürfte gut damit gefahren sein. Denn mehr als die Hälfte der drastisch angezogenen Inflation ist auf den Sektor zurückzuführen.

Dennoch sollten sich Investoren nicht zu sehr darauf verlassen, dass Energie grundsätzlich gegen Inflation schützt – warnendes Beispiel sind die 1980er Jahre, als Energiewerte trotz hoher Inflation eine ziemlich schlechte Performance zeigten. Tatsächlich korrelieren Inflationsbewegungen häufiger mit der Arbeitsmarktlage als mit dem Energiesektor. Auch die derzeitige Korrelation zwischen Energie und Inflation dürfte im kommenden Jahr nachlassen.

Starke Fundamentaldaten

Sendet der Markt also Ausstiegssignale für Investoren? Mitnichten. Denn ob die Inflation länger in Sphären knapp unterhalb der Marke von 10% verharrt oder nicht und wie stark sie an den Energiesektor gekoppelt ist, spielt nur eine untergeordnete Rolle. Energieaktien können sich selbst in einem Umfeld rasch nachlassender Teuerung hervorragend entwickeln – einfach nur, weil die Fundamentaldaten des Sektors stark ausfallen.

Und es gibt immer noch Aufwärtspotenzial im aktuellen Zyklus: Im langjährigen Durchschnitt macht der Energiesektor im S&P 500 etwa 8% aus. Aktuell sind es 5%, das heißt, trotz Energiepreisrally ist die Erholung nach dem Coronatief 2020 noch nicht abgeschlossen. Auch die vielerorts unterschiedlich umgesetzten Energiepreisdeckelungen dürften im Großen und Ganzen keinen direkten Einfluss auf die Bewertungen haben, da es sich um erwartete, einmalige Maßnahmen handelt.

Investoren sollten allerdings die Auswirkungen auf den Markt an sich im Auge behalten. Es ist auf der einen Seite nur allzu verständlich, dass Regierungen die Verbraucher vor hohen Preisen schützen wollen. Auf der anderen Seite bieten hohe Preise Anreize zum eigentlich notwendigen Energiesparen. Die Preissenkungen sind dem eigentlichen Problem der Energieknappheit also weniger zuträglich.

Der Energiesektor ist im Wandel, und dies schon länger – die diesjährigen geopolitischen Entwicklungen haben lediglich weiteren Handlungsdruck aufgebaut. Manch einer hat sich vielleicht gefragt, ob der Nachfrageüberhang bei Öl und Gas den Umbruch zu erneuerbaren Energien und die Erreichung der Klimaneutralität verzögert, doch das Gegenteil ist der Fall. Investitionen in kohlenstoffintensive Energien sind trotz hoher Öl- und Gaspreise zurückgegangen.

Die traditionellen Energieunternehmen haben verstanden, dass Erneuerbaren die Zukunft gehört, und treiben den Wandel mit nun noch mehr verfügbaren Mitteln an. Insgesamt liegt das Investitionstempo in Europa und den Vereinigten Staaten im Wettlauf gen netto null im Soll. Gerade in den vergangenen Jahren hat sich hier einiges getan – Aktionäre haben dabei eine wichtige Rolle gespielt. Denn sie haben vehement und erfolgreich auf die Ausrichtung der Geschäftspläne auf Klimaneutralität bis 2050 gedrungen.

Vor diesem Hintergrund kann sich für Anleger, die in erneuerbare Energien investieren möchten, die Frage nach dem richtigen Fokus stellen: sich im Wandel befindende traditionelle Unternehmen oder jüngere, deren Geschäftsmodell seit Unternehmensgründung ausschließlich alternativen Energiequellen verschrieben ist? Die richtige Antwort gibt es nicht, beide können im Jahr 2023 überzeugende Investitionen sein. Große Unternehmen profitieren von ihren starken Cashflows und ihrer Fähigkeit, Kapital weltweit einzusetzen. Unternehmen, die zu 100% auf Erneuerbare setzen, sind in der Regel lokaler ausgerichtet, konzentrieren sich aber noch stärker auf ihre Kernkompetenzen.

Aktien aus dem Bereich der reinen erneuerbaren Energien waren zu Beginn des Jahres noch oftmals überbewertet. Nach der Korrektur im Sommer sind die Überbewertungen nun allerdings abgebaut und die Aussichten für rentable Entwicklungen sind gut. Allerdings ist das Renditepotenzial immer auch eine Frage des Einzelfalls. Selektives Stockpicking unter sorgfältiger Analyse der realen Unternehmensbewertung und der Zukunftsfähigkeit ist gefragt.

Niedrige Investitionsraten

Was zählt, ist die Rendite der Investitionsausgaben. Investieren Unternehmen des Sektors zu viel in die Produktion, steigt diese unweigerlich, was wiederum die Energiepreise senkt und zu schlechteren Renditen führt. Derzeit sind diese Investitionsraten insgesamt niedrig, was ein Engagement 2023 erleichtern dürfte. Die überbordenden Öl- und Gaspreise sind auch eine Folge davon, dass viele Energieunternehmen nicht mehr gewillt sind, mit der Nachfrage Schritt zu halten und in die Produktion zu investieren. Denn diese Nachfrage wird mit dem fortschreitenden Ausbau der Erneuerbaren recht kurzweilig sein.

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