Währungen

Gegenwind für den Yuan dürfte abflauen

Der Gegenwind für Chinas Währung dürfte im zweiten Halbjahr abflauen. Seitens der Konjunktur könnte der Yuan sogar Rückenwind erhalten.

Gegenwind für den Yuan dürfte abflauen

Von Sven Schubert*)

Die über die letzten Jahre gestiegenen Spannungen zwischen China und den westlichen Staaten haben die Frage der Investierbarkeit Chinas aufgeworfen. Die schwache Entwicklung chinesischer Aktien seit Anfang 2021 sowie von Anleihen und des Yuan seit Beginn dieses Jahres haben diese Sorgen zusätzlich verstärkt. Die Spannungen fanden ihren Ursprung in der Dekade nach dem chinesischen WTO-Beitritt im Jahr 2001, jener Phase der Desillusionierung des Westens hinsichtlich des Reformwillens und der Integrierbarkeit Chinas in ein liberales globales Wirtschaftssystem. Die zunehmende Entfremdung seit der Finanzmarktkrise mündete schließlich sogar in einen Handelskrieg zwischen China und den USA, und die neutrale Haltung Pekings seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat die geopolitischen Risiken tendenziell sogar noch erhöht. Dabei ist der Vorwurf ausbleibender Reformen Chinas nicht korrekt, wobei Wirtschafts-, Kapital- und Arbeitsmarktreformen bereits während der Amtszeit von Deng Xiaoping im Jahr 1978 begonnen haben.

Allerdings ist der Reformprozess, wie etwa der Yuan als Beispiel zeigt, durch viele Rückschläge gekennzeichnet. Der Aufgabe des festen Wechselkursregimes gegenüber dem US-Dollar 2005 folgte eine Vielzahl von Liberalisierungsschritten. So wurde z.B. ein Interventionssystem, bei dem der Yuan graduell gegenüber dem Dollar aufwerten konnte, nach und nach gelockert. Dennoch blieb Währungsstabilität bis heute das alles überragende Ziel von Chinas Währungshütern. Dies zeigte sich z.B. zwischen den Jahren 2014 und 2015. So sorgte die Kapitalbilanzliberalisierung, die Auslandsinvestitionen chinesischer Investoren erlaubte, für unerwartet starke Kapitalabflüsse und Abwertungsdruck auf den Yuan. Massive Deviseninterventionen – die Devisenreserven schrumpften von 4 auf 3,2 Bill. US-Dollar – sowie Kapitalverkehrskontrollen warfen die Bestrebungen der Marktliberalisierung deutlich zurück.

Auch wenn die chinesische Reformpolitik als eine Politik des „zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück“ gekennzeichnet ist, ist sie doch auch vorwärts gerichtet. Sogar im Streit um die an US-Börsen gelisteten chinesischen Unternehmen hat Peking erste Signale einer Annäherung an die Anforderungen der SEC gesendet. Zudem gibt es mittlerweile in Washington Überlegungen, die Zölle auf manche chinesischen Produkte zurückzufahren, um die einheimische Inflation unter Kontrolle zu bringen. Dieser Pragmatismus könnte eine weitere Eskalation der Spannungen zumindest vorerst verhindern. Befürchtungen eines freien Falls des Yuan dürften jedoch übertrieben sein. Zwei Faktoren, die derzeit die Schwäche bedingen, sollten sich in der zweiten Jahreshälfte abschwächen, vielleicht sogar umkehren. So dürften die Zinserwartungen für die USA sowie die Inflation in den Sommermonaten ihren Höhepunkt erreichen. Die in den letzten Monaten deutlich zugunsten des Dollar gelaufenen Zinsdifferenzen sollten daher ebenfalls bald ihren Zenit überschritten haben. Auch wenn diese eine kurzfristige Abwertung auf 7 Yuan pro Dollar rechtfertigen. Außerdem könnten anhaltende Inflationsüberraschungen in den USA die US-Zinserwartungen noch bis in den Herbst hinein stützen.

Andererseits könnte der Konjunkturausblick Chinas vom Gegenwind in der zweiten Jahreshälfte zum Rückenwind werden. Die jüngsten Covid-Restriktionen standen einer früheren Bodenbildung der Wirtschaft im Weg. Nach ersten Lockerungen in Peking zeigten der Einzelhandel, die Produktion im verarbeitenden Gewerbe sowie die Autoverkäufe deutliche Signale einer Bodenbildung. Sogar der verunsicherte Immobilienmarkt konnte in den letzten vier Wochen mit sich stabilisierenden Transaktionsdaten aufwarten. Die Zuversicht für eine Konjunkturerholung wird auch durch die geld- und fiskalpolitischen Lockerungsmaßnahmen seit Ende 2021 gestützt. Sämtliche Pulsmesser der Geldpolitik wie z.B. Finanzmarktbedingungen, Geldmengenwachstum oder Kreditimpuls deuten auf eine Konjunkturerholung in der zweiten Jahreshälfte hin. Jedoch dürfte mehr als eine moderate Erholung auf 4,3% im Jahr 2022 und 4,8% 2023 nicht drin sein. Da das Feld der Länder mit einer Konjunkturerholung in der zweiten Jahreshälfte rar gesät ist, dürfte diese lauwarme Erholung den Yuan dennoch stützen.

Aufholpotenzial

Die Internationalisierung des Yuan spricht ebenfalls gegen eine nachhaltige Abwertung. Zu groß erscheint die Diskrepanz zwischen der wirtschaftlichen Strahlkraft Chinas und der Einbindung des Yuan in die globalen Finanzmärkte. Die nach manchen Kriterien (BIP in Kaufkraftparitäten) bereits größte Volkswirtschaft der Welt ist in sämtlichen Devisenoperationen scheinbar unterrepräsentiert. So taucht – gemäß BIS-Statistik – der Yuan in nur 4% aller Währungstransaktionen auf. Auch halten Zentralbanken nur 3% ihrer Reserven in Yuan. In globalen Handelsverträgen spielt der Yuan gegenüber den dominierenden Euro und Dollar ebenfalls eine vernachlässigbare Rolle. Alles in allem dürfte daher der Yuan langfristig aufholen. Die Kombination einer historisch starken Korrektur sämtlicher Schwellenländeranlageklassen über die letzten zwölf Monate, eines womöglich bald erreichten Hochs der US-Zinserwartungen und des Ausblicks einer chinesischen Konjunkturerholung spricht für eine durch Asien getriebene Erholung von Schwellenländeranlageklassen in der zweiten Jahreshälfte. Trotz bestehender geopolitischer Risiken dürfte China mit seiner Strahlkraft ein wichtiger Faktor sein, da seine Währungsstabilität in den vergangenen Jahren eine notwendige Bedingung für die Stabilität andere Schwellenländerwährungen, insbesondere asiatischer Währungen, gewesen ist.

*) Sven Schubert ist Senior Investment Strategist bei Vontobel.