Grüne Deals

Green Finance auf Erfolgs­kurs

Green und Sustainable Finance haben ihren Erfolgskurs im dritten Quartal fortgesetzt. Insbesondere die Staaten traten an den Markt. Auf der Währungsseite führend bei den Emissionen ist der Euro.

Green Finance auf Erfolgs­kurs

kjo Frankfurt

Der Boom bei Green und Sustainable Finance geht immer weiter. Grüne Finanzierungen – Green Financing, Social Financing, Sustainable Financing, Sustainability-linked Financing – haben in den ersten neun Monaten dieses Jahres weltweit um 165% gegenüber dem Vorjahr zugelegt. Dies geht aus einer Studie von Capmarcon hervor, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Capmarcon ist eine auf Unter­nehmensfinanzierung spezialisierte Beratungsgesellschaft und entwickelt Strategien zur Kapitalbeschaffung und Bilanzstrukturoptimierung. Dies umfasst die Eigenkapital-, Fremdkapital- und Mezzaninekapitalbeschaffung.

Stärkere Sensibilisierung

Zum weiteren Anstieg trugen auch Debüt-Emittenten bei, also Adressen, die erstmals eine grüne Finanzierung nutzten. So hatte zum Beispiel das Vereinigte Königreich eine Premiere mit Green Gilts, das platzierte Volumen von 10 Mrd. Pfund war erheblich überzeichnet. „Die immense Zunahme der Begebung von ESG-orientiertem Fremdkapital ist auf die immer stärkere Sensibilisierung der Akteure für nachhaltiges Wirtschaften zurückzuführen sowie auf neue regulatorische Anforderungen und Umweltauflagen. Nicht unterschlagen werden dürfen zwei weitere Motive. So ist der staatliche Finanzbedarf infolge der Corona-Politik erheblich gestiegen, und Unternehmen nutzen die vorteilhafte Image-Wirkung nachhaltiger Finanzierungsmaßnahmen als Marketing-Komponente“, heißt es bei den Experten von Capmarcon weiter.

Letztere Motive würden allerdings zu einer Aushöhlung des ursprünglichen Gedankens führen, wirklich nachhaltiges Handeln zu finanzieren und zu fördern. Bereits jetzt warne die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), dass viele positive ESG-Zertifizierungen „überzogen“ seien. Und zahlreiche institutionelle Investoren signalisierten jüngst „Befürchtungen“ hinsichtlich der Nachhaltigkeitswirkungen grüner Finanzierungen.

Deutlich mehr Deals

Das Volumen neu begebener grüner Finanzierungen des Jahres 2021 lag laut Berechnungen von Capmarcon im ersten Quartal bei 236 Mrd. Euro, im zweiten Quartal bei 223 Mrd. Euro und im dritten Quartal (bedingt durch die sommerliche Urlaubszeit) bei nur noch 200 Mrd. Euro. Damit habe das Emissionsvolumen an grünen Finanzierungen in den ersten neun Monaten des Jahres bei 659 Mrd. Euro (ein Plus von 165% über dem entsprechenden Vorjahresvolumen) gelegen. Die Anzahl der korrespondierenden Transaktionen stieg deutlich von 751 auf 1551 Deals.

Getrieben worden sei diese Entwicklung in absoluten Zahlen von den Emissionen europäischer Adressen; auf die Region seien rund 57% aller grünen Finanzierungen entfallen. Allerdings sei der relative Zuwachs mit einem Plus von 300% in Asien höher gewesen; insbesondere chinesische Emittenten und Kreditnehmer hätten deutlich mehr Mittel für nachhaltige Zwecke aufgenommen als in der Vorjahresperiode.

Immobiliensektor legt zu

Einen deutlichen Zuwachs an neuen grünen Finanzierungen weltweit habe das Immobiliengewerbe mit 47,4 Mrd. Euro (+535%) erzielt, gefolgt vom Dienstleistungssektor mit 29,5 Mrd. Euro (+187%) und Industrieunternehmen mit einem Volumen von 53 Mrd. Euro (+185%). Größter Emittent sei aber der staatliche Sektor einschließlich Förder- und Entwicklungsbanken mit 278,2 Mrd. Euro (+146%) geblieben. Wegen der staatlichen Emissionen sei das durchschnittliche Transaktionsvolumen auf 425 Mill. Euro geklettert. Die Instrumente grüner Finanzierungen (Volumen) seien zu 87% Anleihen gewesen und – Tendenz wegen Sustainability-linked-Finanzierungen steigend – zu 13% bilaterale/syndizierte Kredite oder Schuldscheine.

Auch in den ersten neun Monaten 2021 seien europäische Emittenten die wichtigsten Nutzer nachhaltiger Finanzinstrumente gewesen, gefolgt von asiatischen und nordamerikanischen Adressen. Hinsichtlich des relativen Zuwachses habe hingegen der Nahe und Mittlere Osten mit etwa 400% geführt, danach Australien/Neuseeland mit 320% und Asien mit 300%. Europa und Nordamerika seien auf ein Plus von jeweils 165% gekommen.

Wegen der Dominanz Europas bei Green Finance sei der Euro die führende Währung. So seien 49% des arrangierten Volumens in Euro denominiert gewesen. Das bedeute einen leichten Anstieg gegenüber der Neunmonatsperiode 2020 (47%), während der Anteil des Dollar in den genannten Zeiträumen von 37% auf 30% zugunsten kleinerer Währungen zurückgegangen sei. „Obwohl die Unternehmen der Realwirtschaft die eigentlichen Initiatoren für mehr Umweltschutz sein sollten, entfällt auf sie in den ersten neun Monaten 2021 ein Anteil am Volumen nachhaltiger Finanzierungen von nur 39%, immerhin eine Verbesserung gegenüber der Vorjahresperiode mit nur 35%. Noch immer unterrepräsentiert sind – gemessen an ihrer Wirtschaftskraft und ihren nachhaltigen Möglichkeiten – die Bereiche Bauwirtschaft sowie Land-, Forst-, Wasserwirtschaft und Bergbau. Auf diese Bereiche entfallen gerade einmal 1,1% der gesamten weltweiten grünen Finanzierungen“, heißt es in der Studie weiter.

In Europa seien in den ersten drei Quartalen 2021 für hiesige Adressen grüne Finanzierungen von rund 373 Mrd. Euro arrangiert worden, ein Plus gegenüber der Vorjahresperiode von 165%. Dabei seien auf das erste Quartal 143 Mrd. Euro, auf das zweite Quartal 128 Mrd. Euro und auf das dritte Vierteljahr 102 Mrd. Euro entfallen.

Versorger aktiv

Die Realwirtschaft brachte rund 116 Mrd. grüner Finanzierungen an den Markt (+113%). Die wichtigsten realwirtschaftlichen Sektoren bei europäischen grünen Finanzierungen seien Ver- und Entsorger mit 45,7 Mrd. Euro an Volumen in den ersten drei Quartalen 2021. Weitere wichtige Emittenten seien der Immobiliensektor (25 Mrd. Euro), die Industrie (17,2 Mrd. Euro) und Logistikunternehmen (9,8 Mrd. Euro). Deutlich unterrepräsentiert seien in Europa Dienstleistungsunternehmen und die Bauwirtschaft.

Die Europäische Union hat im ersten Halbjahr 2021 in fünf Transaktionen insgesamt 50,1 Mrd. Euro an Social Bonds begeben; nun sollen ab Oktober 2021 erstmals Green Bonds emittiert werden. Die Förder- und Entwicklungsbanken in Europa erhöhten ihr Neunmonatsvolumen im Bereich von Green Finance von 38 Mrd. im Jahr 2020 auf 58 Mrd. Euro in diesem Jahr.

Das aktivste europäische Land für nachhaltige Finanzierungen sei unverändert Frankreich. Hier habe sich mit entsprechend arrangierenden Banken und Bewertungsdienstleistern die größte Infrastruktur für Green und Social Finance gebildet. Nur Skandinavien weise vergleichbare Strukturen auf. In Osteuropa spiele nachhaltiges Finanzieren eine untergeordnete Rolle. Die Alpenländer Österreich und Schweiz würden in diesem Segment nur wenige Emissionen an den Markt bringen. Deutschland liege im Mittelfeld: Während das ausstehende Volumen an nachhaltiger Finanzierung nur 4% der Wirtschaftskraft ausmache, seien es in Österreich 1%, in Italien 2%, in Frankreich 8% und in Schweden 10%.

Deutsche Unternehmen, Banken und öffentliche Emittenten haben den Experten zufolge in den ersten neun Monaten 2021 Finanzmittel für nachhaltige Zwecke in Höhe von 58 Mrd. Euro aufgenommen: ein Zuwachs gegenüber der Vorjahresperiode von 93%. Hinter diesem Plus standen staatliche Kreditnehmer (+122%), Entwicklungsbanken (+109%) und Geschäftsbanken/Finanzdienstleister (+96%). Hin-gegen war das Volumen neu arrangierter grüner Finanzierungen deutlich rückläufig bei Industrieunternehmen (–40%) und bei Ver-/Entsorgungsunternehmen (–20%). Zu­nehmende Aktivitäten hätten auf niedrigem Ausgangsniveau deutsche Immobilien- und auch Handelsunternehmen gezeigt. Transaktionen mit grünen Finanzierungen würden in Deutschland überwiegend mit Adressen arrangiert, die bereits in der Vergangenheit diesen Finanzierungsweg genutzt hätten.

Green oder Social Financing mit Emittenten, die sich erstmals dieser Emissionsform bedienen würden, finde nur in relativ geringem Um-fang statt. So hätten Debüt-Emissionen während der ersten drei Quartale 2021 weltweit 37% des Neugeschäfts ausgemacht und auf europäischer Ebene 31%; in Deutschland seien darauf gerade einmal 16% entfallen. Dies könnte laut Capmarcon auch daran liegen, dass französische, skandinavische und niederländische Banken in ihren Heimatmärkten aktiv auf ihre Kundenunternehmen zugehen und sie während des gesamten Prozesses einer nachhaltigen Finanzierung intensiv begleiten.

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