Yen

Warum Japans Währung vor einem Comeback stehen könnte

Die Devisenmarktteilnehmer sind sich sicher, dass die Bank of Japan die ultralockere Geldpolitik aufgeben wird, so dass Japans Landeswährung zum fairen Wert tendieren sollte, der zwischen 90 und 95 Yen je Dollar liegen dürfte.

Warum Japans Währung vor einem Comeback stehen könnte

Von Xueming Song *)

Was für eine Kehrtwende! Noch 2022 war der Yen der große Verlierer unter den Währungen der Industrieländer. Neben dem notorischen Festhalten der Bank of Japan (BoJ) an ihrer ultralockeren Geldpolitik setzte Japans Landeswährung auch die aufgrund drastisch gestiegener Rohstoffpreise deutlich verschlechterte Handelsbilanz der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt zu. Doch kaum ist das neue Jahr angebrochen, erwartet die Mehrheit der Marktteilnehmer eine kräftige Aufwertung des Yen. Massive Schwankungen des Wechselkurses der japanischen Landeswährung waren in der zurückliegenden Dekade allerdings nicht ungewöhnlich. Im Oktober 2011 kostete ein Dollar gerade einmal 75 Yen, im Oktober 2022 kostete der Greenback dann aber schon 152 Yen. Der Yen hatte also ziemlich genau die Hälfte seines Werts verloren.

Dass solch extreme Bewegungen nicht gut für die Realwirtschaft sind, versteht sich von selbst. Aber warum kommen so heftige Schwankung bei der Währung eines hoch industrialisierten Landes überhaupt vor? Und sollte die Regierung beziehungsweise die BoJ nicht alles daransetzen, solche Bewegungen zu vermeiden? Die Antwort lautet grundsätzlich ja. In Japan sind es aber gerade jene staatlichen Akteure, die für diese extremen Schwankungen verantwortlich sind, unter denen private Haushalte und Unternehmen leiden. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgte Japan eine aktive Indus­triepolitik. Die wirtschaftliche Entwicklung wurde dabei durch das Ministerium für Internationalen Handel und Industrie gesteuert. Durch diese staatlichen Eingriffe wurde die Industrialisierung des Landes systematisch gefördert, indem der Yen bewusst schwach gehalten wurde. Diese Unterbewertung führte dazu, dass Japan einen gigantischen Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA einfuhr. Mit der expansiven Fiskalpolitik in den USA zu Beginn der 1980er Jahre war der Handelsbilanzüberschuss schließlich so groß, dass die US-Regierung nicht mehr mitspielen wollte und die Handelspolitik gegenüber Japan änderte. Dies gipfelte im Plaza-Abkommen von 1985, in dessen Rahmen Japan gezwungen wurde, die Landeswährung drastisch aufzuwerten. Im Februar 1985 notierte der Dollar bei 262 Yen, im Juli 1986 bei 154 Yen und im Dezember 1987 bei nur noch 120 Yen. Diese Entwicklung verkraftete die exportorientierte Wirtschaft des Landes nicht mehr, und Japan stürzte in eine tiefe Rezession. Die darauffolgende expansive Geld- und Fiskalpolitik sorgte für eine gigantische Blase am Aktien- und Immobilienmarkt, die schließlich Anfang 1990 platzte.

Um die aus dem Platzen der Immobilienblase resultierenden Schuldenprobleme zu lösen, brauchte Japan mehr als ein Jahrzehnt. Erst 2005 konnten Unternehmen und private Haushalte sich davon befreien. Zu diesem Zeitpunkt verfolgte die BoJ schon eine Nullzinspolitik. Anfang 2008 wurde Masaaki Shirakawa zum Gouverneur der japanischen Notenbank ernannt. Er hielt an der Nullzinspolitik fest, auch nach der Finanzkrise 2008 beziehungsweise der Euro-Schuldenkrise 2010. Da diese Probleme vor allem die USA und Europa betrafen und eine neuerliche Schuldenkrise in Japan ausblieb, fing der Yen an aufzuwerten, vor allem nachdem die Federal Reserve und die Europäische Zen­tralbank die Zinsen auf null gesenkt beziehungsweise quantitative Lockerungen eingeführt hatten. Shirakawa hielt an seinem Kurs gleichzeitig unbeirrt fest, auch nach dem Erdbeben in Fukushima 2011, das Japan in eine Wirtschaftskrise stürzen ließ. Der Yen stieg daraufhin auf 75 Yen je Dollar. Der starke Anstieg der Energiekosten nach Fukushima führte zu gewaltigen Problemen bei den japanischen Unternehmen. Als Haruhiko Kuroda Anfang 2013 zum neuen Gouverneur der BoJ ernannt wurde, gab er daher das Ziel einer schwachen japanischen Landeswährung aus. Die Umsetzung gelang ihm dann auch binnen kurzer Zeit, ebenfalls durch quantitative Lockerungen. Der Yen gab bis auf 120 Yen je Dollar zur Jahresmitte 2015 nach. Da der Ölpreis im selben Zeitraum drastisch fiel, hatten die Unternehmen keine Kostenprobleme mehr und die Wirtschaft erholte sich. Dies konnte Kuroda als großen Erfolg verbuchen. Allerdings hielt er auch dann noch dogmatisch an der ultralockeren Geldpolitik fest, als alle wichtigen Zentralbanken 2022 die Zinsen kräftig anhoben, da die Inflation stark stieg. Das führte zu einer nie dagewesenen Abwertung des Yen im Jahr 2022.

Kapriolen weniger wichtig

Für die japanische Wirtschaft sind die Wechselkursschwankungen der Landeswährung mittlerweile aber von geringerer Bedeutung. Dies liegt vor allem daran, dass die Unternehmen besonders nach Fukushima die Produktionsstandorte systematisch ins Ausland verlagert haben. Somit hat die Anfälligkeit der Wirtschaft für Wechselkursschwankungen abgenommen. Wesentlich wichtiger ist hingegen die Rohstoffarmut des Landes, fast alles muss importiert werden. Und mit den deutlich gestiegenen Preisen für viele Ausgangsmaterialien hat sich auch die Handelsbilanz systematisch verschlechtert. Das hat zur Folge, dass Japan faktisch ärmer geworden ist, da Geld ins Ausland geflossen ist. Auch Tsutomu Watanabe, Professor an der Universität Tokyo und einer der Berater von Ministerpräsident Fumio Kishida, ist der Meinung, dass die ultralockere Geldpolitik weder Unternehmen noch Verbrauchern viel gebracht habe. Vielmehr seien Zinsen, Preisniveau und Löhne eingefroren worden, was die Deflationsmentalität der Japaner verlängert habe.

Die Devisenmarktteilnehmer je­denfalls sind sich sicher, dass die BoJ die ultralockere Geldpolitik aufgeben wird, so dass die japanische Landeswährung zum fairen Wert tendieren sollte, der zwischen 90 und 95 Yen je Dollar liegen dürfte. Und dafür, dass die Notenbank die Kontrolle der Renditenkurve aufgeben beziehungsweise die Zinsen anheben wird, gibt es gute Gründe. Die Inflation, aktuell bei vier Prozent, befindet sich in einem steigenden Trend. Sollten die Lohnverhandlungen im Frühjahr höher ausfallen als üblich, würde die Teuerung auch nachhaltig hoch bleiben. Nicht zu vergessen, dass die Regierung eine kräftige Lohnerhöhung für die Beschäftigten wünscht. Ferner verschiebt sich die Meinung innerhalb der BoJ eindeutig in die Richtung einer geänderten Geldpolitik. Dies verdeutlicht nicht zuletzt auch die Kandidatenauswahl für die Nachfolge des aktuellen Gouverneurs Haruhiko Kuroda, nämlich Masayoshi Amamiya, Hiroshi Nakaso und Hirohide Yamaguchi. Die beiden Letztgenannten sind eindeutig für eine andere Geldpolitik.

Zuletzt hat die Meinung der Marktteilnehmer auch Unterstützung vom japanischen Finanzministerium erfahren. Das Ministerium geht davon aus, dass der Zinssatz der zehnjährigen Staatsanleihen auf 1,1% 2023, auf 1,3% 2024 und 1,5% 2025 steigen sollte. Zurzeit liegt dieser Satz bei rund 0,5%. Wenn die BoJ die Geldpolitik ändern würde, könnte dies auch Konsequenzen für die Nettokapitalposition Japans von 3,5 Bill. Dollar im Ausland haben: Falls nur ein Bruchteil nach Japan repatriiert würde, wäre der Yen viel stärker.

*) Xueming Song ist Chief Currency Strategist der DWS.

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