Assetmanagement

Was kommt nach dem Inflationsbuckel?

Die sich abzeichnende höhere Inflationsvolatilität in der kommenden Dekade birgt Risiken für die Kapitalmärkte, aber auch Chancen. Ein Fokus auf reale Anlagen bleibt angebracht

Was kommt nach dem Inflationsbuckel?

Die Märkte schauen derzeit stark auf die hohe Inflation und die zunehmend restriktiven Zentralbanken. Die amerikanische Fed hat die Märkte scheinbar davon überzeugt, dass sie alles tun wird, die Inflation zu bekämpfen. In der Tat spricht auch vieles dafür, dass die Inflation spätestens 2023 deutlich fällt. Anleger sollten aber nicht der Illusion erliegen, dass wir schnell zu einem Umfeld niedriger Inflation zurückkehren werden. In den kommenden Jahren ist nicht nur mit einer höheren Inflation, sondern auch mit einer erhöhten Volatilität der Inflation zu rechnen. Der Grund liegt vor allem in den längerfristigen Angebotsengpässen bei Rohstoffen, der Deglobalisierung sowie in der demografischen Entwicklung, die zu einem zunehmenden Mangel an Arbeitskräften führen dürfte.

Mehr Volatilität

Angebotsengpässe bei Rohstoffen gibt es sowohl bei Industriemetallen als auch bei fossilen Brennstoffen. Jahrelang wurde in beiden Bereichen nur unzureichend investiert. Nun verknappt Putins Krieg das Angebot fossiler Brennstoffe zusätzlich und beschleunigt den Trend hin zu erneuerbaren Energien und damit die strukturelle Nachfrage nach Industriemetallen. Die Verringerung der Nachfrage durch Chinas Null-Covid-Politik, höhere Zinsen und die erwartete Rezession dürften die Rohstoffpreisentwicklung zwar vorübergehend dämpfen und zu rückläufiger Inflation führen. Ebenso dürfte die Enge der Arbeitsmärkte vorübergehend gemildert werden. Erholt sich die Wirtschaft aber, dürften sowohl die Rohstoffpreise schnell wieder anziehen als auch die Arbeitsmärkte schnell wieder eng werden. Denn das Angebot bleibt beschränkt, während die Nachfrage weiter zunimmt. Ein erneuter Aufwärtsdruck bei der Inflation scheint damit unvermeidbar. Die Folge stärkerer Bewegungen in der Inflation dürften stärkere und schnellere geldpolitische Zyklen und damit auch kürzere, ausgeprägtere und erratischere Wirtschaftszyklen sein. Dieses Umfeld wäre den 60er und 70er Jahren nicht ganz unähnlich, als sich die Inflation in drei Wellen immer weiter aufschaukelte.

Entscheidend für den weiteren Verlauf nach dem Inflationsbuckel dürften die Zentralbanken sein. In den 60er und 70er Jahren hatte die Fed bei rückläufiger Inflation jeweils schnell die zinspolitischen Zügel wieder gelockert. Erst als sie Anfang der 80er Jahre grundsätzlich deutlich restriktiver agierte und den Leitzins lange oberhalb der realisierten Inflation hielt, kam die Inflation nachhaltig wieder zurück. Die Fed hat dieses Jahr bereits mehrfach betont, dass man aus diesen Fehlern der Vergangenheit lernen müsse und eine verfrühte Lockerung der Geldpolitik zu vermeiden ist. Entsprechend tritt sie aktuell weiter beherzt auf die Bremse, obwohl in den USA der Inflationshochpunkt bereits überschritten scheint und der starke US-Dollar zunehmend Probleme in der Weltwirtschaft verursacht. Angesichts der weiter überraschend robusten Wirtschaft, des weiter engen Arbeitsmarktes in den USA und der nur moderat rückläufigen Inflation dürfte dieses Vorgehen der Fed derzeit auch leichtfallen. Schwächen sich aber Wirtschaft und Arbeitsmarkt deutlich ab, kann in Frage gestellt werden, inwieweit die Fed ihren restriktiven Kurs fortsetzt und damit die Fehler der Vergangenheit wirklich ganz vermeidet oder nicht.

Wahrscheinlich ist, dass sobald die Fed genügend Anzeichen sieht, dass die Rezession den Inflationsdruck hinreichend gedämpft hat, sie die Zinsen wieder etwas senken wird, voraussichtlich beginnend im zweiten Halbjahr 2023. Zinssenkungen, wenn überhaupt erst ein Jahr nach dem Inflationshochpunkt, wären in der Tat eine deutlich restriktivere Vorgehensweise als in den 70er Jahren. Dadurch dürfte ein kontinuierliches Aufschaukeln der Inflation wie in den 70er Jahren wohl vermieden werden. Mehrere zügige Inflationswellen und eine im Schnitt höhere Inflation dürften aber nicht zu vermeiden sein, denn die eingangs erwähnten strukturellen Treiber der Inflation – Angebotsengpässe bei Rohstoffen, Deglobaliserung und Demografie – lassen sich mit Zentralbankpolitik nicht lösen.

Was bedeutet dies für Anleger? Die Erfahrung der 70er Jahre zeigt, dass das langfristige Potenzial für die Aktienmärkte in einem solchen Umfeld begrenzt ist. Jedoch gab es über diese Jahre drei Bären- und drei Bullenmärkte mit erheblichem Ausmaß. Für aktive Anleger bestanden in dieser Phase deutliche Renditechancen, während statische Indexinvestments in dieser Periode real Geld verloren hätten. Eine weitere wesentliche Folge in einem solchen Umfeld ist ein stärkerer Gleichlauf von Risikoanlagen und sicheren Häfen sowie eine geringere Korrelation zwischen Risikoanlagen wie beispielsweise Aktien und Rohstoffen, aber auch zwischen Aktienregionen. Investoren sollten die Diversifikationswirkung zwischen Risikoanlagen bewusst nutzen, über alle Anlageklassen, Segmente und Regionen hinweg.

Fokus auf reale Anlagen

Uns erscheint in diesem Umfeld insbesondere eine prononcierte Rohstoffposition sinnvoll. Zudem bleibt ein starker Fokus auf reale Anlagen auch vor dem Hintergrund der hohen Staatsverschuldung sowohl in den USA als auch Europa angebracht, denn die höheren Inflationsraten dürften von den Staaten mittels finanzieller Repression weiter zur schrittweisen Entschuldung genutzt werden. Nominelle Anlagen lassen damit kaum positive Realrenditen erwarten. Eine höhere Inflationsvolatilität in der kommenden Dekade birgt also Risiken für die Kapitalmärkte, aber auch Chancen, vor allem für flexible Multi-Asset-Investoren.

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