Kryptomarkt

Deplatzierter Optimismus

Trotz der Kursanstiege bei Kryptowährungen und Digital-Assets-Aktien ist für das Segment kein Optimismus angesagt. Denn der regulatorische Druck in den USA nimmt zunehmend konkrete Formen an.

Deplatzierter Optimismus

Bitcoin liegt seit Jahresbeginn mit über 45% im Plus, die Aktienkurse börsennotierter Digital-Assets-Plattformen wie Coinbase explodieren – und doch ist der Kryptomarkt weit davon entfernt, an die Boomzeiten der Jahre 2020 und 2021 anzuknüpfen. Denn der regulatorische Druck auf digitale Anlagen nimmt im wichtigsten Finanzmarkt der Welt konkrete Formen an. Hatte sich die US-Börsenaufsicht SEC bisher mit Vollstreckungsmaßnahmen gegen einzelne Dienstleister an der Branche abgearbeitet, rückt sie dem Kryptosektor nun mit Plänen für umfassendere Regeländerungen zu Leibe.

Die Behörde gab in der vergangenen Woche einen Vorschlag in die Marktkonsultation, über den eine jahrzehntealte Regel zur Verwahrung von Assets erweitert werden soll. Demnach müssten Investmentberater, die für Kunden in Krypto-Assets investieren, künftig auf sogenannte qualifizierte Custody-Anbieter zurückgreifen. Traditionell fallen darunter Banken, Broker-Dealer und Treuhandgesellschaften, doch auch Kryptobörsen wie Coinbase haben in den vergangenen Jahren ein Verwahrangebot aufgebaut. Für Custody-Anbieter sollen indes neue Anforderungen gelten. Denn SEC-Chef Gary Gensler hat wiederholt öffentlich daran gezweifelt, dass die auf Kryptoplattformen hinterlegten Kundenmittel im Fall einer Insolvenz sicher wären.

Jüngste Beispiele geben ihm recht. So haben Investmentberater durch die Crashs der Verleihplattform Celsius Network, des Brokers Voyager oder der Kryptobörse FTX beträchtliche Kundenmittel verloren, weil die Dienstleister die Assets von Nutzern wohl mit ihren eigenen durchmischten und diese gemeinsam verwahrten oder eben weiterverliehen. Auch Berater und Anleger, die auf anderen Plattformen aktiv sind, sollten dies als Warnung nehmen. Bei Coinbase nutzen nach Unternehmensangaben mehrere Tausend institutionelle Investoren die Custody-Lösung für digitale Anlagen. Doch bereits in den ersten neun Monaten 2022 gingen die Gebühren aus dem Verwahrgeschäft um mehr als ein Fünftel zurück. Die weitere Entwicklung dürfte im Fokus stehen, wenn Coinbase am Dienstag nach US-Börsenschluss Zahlen zum vierten Quartal vorlegt.

Die Kryptobörse will auch unter einem möglichen neuen Rahmenwerk qualifizierter Verwahrer bleiben. Die republikanische SEC-Kommissarin Hester Peirce, die gegen die angepeilte Regeländerung stimmte, warnte dagegen, dass die Zahl der zulässigen Custody-Adressen dadurch sinken und die Sicherheit für Investoren somit abnehmen werde. Ob Peirces Argumentation angesichts des Versagens des Anlegerschutzes auf Celsius oder FTX stichhaltig ist, sei einmal dahingestellt. Für Kryptoplattformen wird es angesichts des zunehmenden Regulierungsdrucks aber jedenfalls nicht leichter, ihre auf exorbitanten Wachstumshoffnungen aufgebauten Geschäftsmodelle zu skalieren.

Die positive Kursreaktion vieler Digital Assets auf die SEC-Abstimmung macht unterdessen mal wieder den unerschütterlichen – und oftmals deplatzierten – Optimismus der Krypto-Anleger deutlich. Denn es hätte ja schlimmer kommen können, so ihr mantraartig wiederholtes Narrativ. Die Börsenaufsicht hätte schließlich auch staatlich anerkannte Treuhänder, auf deren Dienste viele Digital-Assets-Firmen zurückgreifen, von der Krypto-Custody ausschließen können. Und langfristig sei eine fortschreitende Regulierung ohnehin hilfreich, um das Vertrauen institutioneller Investoren in die Anlageklasse zu stärken.

Mit letzterem Argument, das haben Krypto-Befürworter schon vor geraumer Zeit verstanden, lässt sich jedes behördliche Vorgehen ins Positive verkehren. Inwieweit Banken und andere institutionelle Marktteilnehmer auch unter umfassenderen regulatorischen Rahmenwerken noch Anreize verspüren, sich am Digital-Assets-Markt zu engagieren, ist aber fraglich. Zuletzt warnten die Federal Reserve, das für die Überwachung des nationalen Kreditwesens zuständige OCC und der staatliche Einlagensicherungsfonds FDIC die US-Finanzinstitute jedenfalls vor den erheblichen Risiken von Krypto-Aktivitäten.

Problematisch ist für das Segment zudem, dass die SEC neben der Arbeit an Regelwerken auch Vollstreckungsmaßnahmen weiterverfolgt. Zahlreiche Lending-Anbieter, die Nutzer mit hohen Renditeversprechen zum Verleih von Kryptowährungen locken, schlagen sich wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Wertpapierrecht derzeit mit Ermittlungsverfahren oder sogar saftigen Geldstrafen herum. Der Emittent des Stablecoins TerraUSD, dessen Crash im Mai 2022 den Krypto-Winter der vergangenen Monate einläutete, hat eine Betrugsklage am Hals. All dies dürfte nicht dazu beitragen, neue Investoren von Digital-Assets-Engagements zu überzeugen.

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