ITA-Übernahme

Im finanziellen Risiko

Nach dem Abschied des Partners MSC ist die Lufthansa anscheinend bereit, in Sachen ITA-Übernahme stärker ins finanzielle Risiko zu gehen.

Im finanziellen Risiko

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Nach dem Abschied des Partners MSC ist die Lufthansa anscheinend bereit, in Sachen ITA-Übernahme stärker ins finanzielle Risiko zu gehen. Denn während die Aufteilung zwischen den beiden Partnern vorsah, dass die Reederei sich finanziell stärker engagiert und die Lufthansa strategisch und operativ die Führungsrolle übernimmt, steht die deutsche Fluggesellschaft nun – zumindest erst einmal – allein da. Allerdings ist der Wert der ITA Airways in den vergangenen Monaten weiter gesunken, und dieser Trend dürfte sich in den Wintermonaten fortsetzen. Insofern würde auch die Summe schrumpfen, die Lufthansa letztlich in die Hand nehmen müsste.

Als im Mai dieses Jahres die Angebote für ITA eingereicht wurden, war von einem finanziellen Volumen von 1,2 bis 1,4 Mrd. Euro die Rede. Die Offerte von MSC-Lufthansa sah vor, dass die Reederei um die 60% und die deutsche Airline etwa 20% er­wirbt und dafür rund 850 Mill. Euro geflossen wären. Der italienische Staat hätte die restlichen 20% behalten (vgl. BZ vom 25. Mai). Ak­tuell wird die italienische Airline insgesamt italienischen Medienberichten zufolge auf nur noch 450 bis 500 Mill. Euro taxiert, der möglicherweise abgerufene Kaufpreis dürfte sich also deutlich verringern. Einem Käufer spielt zudem in die Hände, dass die Zeit drängt. Denn trotz eines staatlichen Finanzpakets über 1,35 Mrd. Euro, das von der EU genehmigt wurde, könnte der ITA im Laufe des kommenden Jahres das Geld ausgehen.

Noch lässt sich die Lufthansa nicht in die Karten schauen. Zuletzt war bei den Erfolgsaussichten für einen deutsch-italienischen Deal weniger von Geld die Rede als von Einflussmöglichkeiten. Es war befürchtet worden, dass die neue italienische Regierung großes Interesse daran hat, bei ITA stärker mitzureden – und das hat wohl letztlich den Ausschlag gegeben, dem Finanzinvestor Certares in der ersten Runde den Zuschlag für exklusive Gespräche zu geben. Die Modalitäten damals hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr als einen Abschied von der Idee einer „echten“ Privatisierung gegeißelt. Nun soll es, so ist in Branchenkreisen zu hören, Signale geben, dass die Regierung nun doch eine komplette Privatisierung ins Auge fasst. Den Politikern dürfte ein Licht aufgegangen sein, dass nur ein strikter strategischer Neuanfang das Unternehmen noch retten kann bzw. das Einbinden in eine Konzernstruktur wie die der Lufthansa. Dieser Stimmungswechsel könnte ein Grund dafür gewesen sein, dass eine Übernahme durch Certares nicht zustande kam. Denn dem Finanzinvestor fehlt ein indus­trieller Partner. Zwar war zwischenzeitlich immer von Air France-KLM und/oder Delta Air Lines die Rede – aber Delta darf als US-Airline nicht in größerem Umfang bei einer europäischen Airline einsteigen, sonst würde diese ihre Verkehrsrechte einbüßen. Und Air France-KLM unterliegt M&A- Restriktionen, solange die in der Pandemie geflossene Staatshilfe nicht komplett zurückgezahlt wurde.

Finanziell leisten könnte sich Lufthansa das italienische Abenteuer. Ende September lag die verfügbare Liquidität bei fast 12 Mrd. Euro, im dritten Quartal wurde ein freier Cashflow von 410 Mill. Euro erwirtschaftet. Allerdings plant Lufthansa in den kommenden Jahren auch Milliardeninvestitionen in neue Flugzeuge.

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