Sparkassenwesen

Nähe zum Mittelstand prägt Sparkassen im Ländle

Als wirtschaftlich starke Region prägt Baden-Württemberg das Sparkassenwesen. Die 50 Institute sind solide aufgestellt. LBBW, LBS und SV Sparkassenversicherung spielen ihre Stärken auch über die Landesgrenzen hinweg aus.

Nähe zum Mittelstand prägt Sparkassen im Ländle

Klar, wer die Sprache der Leute spricht, versteht sich besser. Hans-Peter Burghof meint dies durchaus zweideutig, wenn er über das Verhältnis zwischen Sparkassen und ihren Kunden im Ländle räsoniert. Da ist auf der einen Seite der schwäbische Dialekt, den der in Bad Kreuznach geborene Hohenheimer Bankprofessor schon gar nicht versucht nachzuahmen. Aber da ist auch das gegenseitige Verständnis für die Geschäftsinteressen des anderen. „Ein Verständnis, das über den Inhalt eines Kreditvertrags hinausgeht“, sagt Burghof.

Während man etwa in den USA alle Details zwischen Bank und Kunden penibel juristisch absichert, gibt es laut dem Finanzökonomen, der auch Mitglied im Stuttgarter Börsenrat ist, in Deutschland eine Reihe ungeschriebener Regeln zwischen Kunde und Kreditinstitut. „Wenn eine Krise droht, ist es oft die Sparkasse vor Ort, aber eben auch die Genossenschaftsbank, die von sich aus die unternehmerische Perspektive mit einbringt und im besten Fall die Kreditlinie von sich aus erweitert.“ Ebenso kann es umgekehrt sein, dass das Unternehmen aktiv wird und sich auf der Suche nach Lösungen an sein Kreditinstitut wendet. „Es herrscht eine konstruktive Atmosphäre“, sagt der Bankenprofessor mit Blick auf die Vertraulichkeit einer Hausbankenbeziehung, die Burghof als „kulturelles Kon­strukt“ beschreibt – „schwer zu verstehen für Außenstehende“.

Landrat wacht über Kredit

Teil des Deals ist die Verwurzelung der Sparkassen im jeweiligen Geschäftsgebiet, in der Regel dem Landkreis. Dabei ist die Bodenhaftung der Sparkassen in ihrem Verwaltungsrat institutionalisiert, dem der jeweilige Landrat vorsitzt. Sicher könne man über dessen kreditwirtschaftliche Kompetenz streiten, meint Burghof, über die grundsätzliche Untadeligkeit des Landrats aber gebe es keine Zweifel. Tatsächlich würde eine solche Konstruktion in anderen Ländern Vermutungen über Korruption aufkommen lassen – „was angesichts unserer Erfahrungen völliger Unsinn ist“, sagt Burghof.

Als Beispiel für einen bodenständigen Strategen hat sich Peter Schneider (CDU) einen Namen gemacht, der von 1992 bis 2006 zunächst als Landrat des Landkreises Biberach dem Verwaltungsrat der örtlichen, ertragreichen Kreissparkasse vorsaß. Seit Mai 2006 zieht er als Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg (SVBW) die Fäden. „Wir haben den Ehrgeiz, für die mittelständischen Unternehmen ein Finanzpartner auf Augenhöhe zu sein“, sagt er über den Anspruch der 50 Mitgliedssparkassen des SVBW.

Typisch für den Südwesten, besteht die Firmenklientel vielfach aus starken, kleinen und mittleren Unternehmen, denen derart konstruierte Kreditinstitute durchaus entgegenkommen – mit einem etwas anderen Fokus gilt dies auch für Volks- und Raiffeisenbanken. „Jede Sparkasse ist unternehmerisch orientiert“, sagt Schneider. Dies liegt auch darin begründet, dass die Unternehmen im Ländle technologisch spezialisiert – in ihrer Nische als Hidden Champion oft auf Weltniveau agierend –, dabei aber häufig sehr wenig diversifiziert aufgestellt sind. Das heißt auch, dass die Firmen Konjunkturzyklen unterworfen sind und immer wieder in Krisenzeiten geraten können, in denen sich die Bewährungsprobe für das Hausbankenkonzept stellt. „Die Langfristigkeit einer Kundenbeziehung hat dann ein besonderes Gewicht“, sagt Burghof, der daraus umgekehrt eine Ursache für das häufige Scheitern von Auslandsbanken im deutschen Mittelstand ableitet.

Große Schwester LBBW

Die Risikovorsorge der 50 Sparkassen im Südwesten hielt sich im vergangenen Jahr mit 170 Mill. Euro in Grenzen – „eine sehr moderate Größenordnung“, sagt Schneider. Im Vorjahr hatte die Risikovorsorge allerdings noch bei nahezu null gelegen. Über ihr Kerngeschäft hinaus bilden die Sparkassen das Scharnier zur Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in Stuttgart, wenn es um größere Finanzierungen oder die Begleitung von Firmen ins Ausland geht. „Das gelingt im Zusammenspiel mit dem sehr leistungsfähigen und großen Corporate-Bereich der LBBW sehr gut“, sagt Schneider.

Immerhin stellt das Firmenkundengeschäft der LBBW mit einem Ergebnis von mehr als 500 Mill. Euro vor Steuern die größte Erlösquelle dar. Während die Sparkassen das Wissen über ihre Kunden auf der Habenseite haben, ergänzt dies die LBBW mit Kompetenzen im Auslandsgeschäft, bei Corporate-Finance-Lösungen oder im Kapitalmarktgeschäft. „Felder, die auch für mittelständische Unternehmen immer wichtiger werden“, betont LBBW-CEO Rainer Neske, der sein Institut als Marktführer bei Schuldscheinen und „sehr stark“ in der Strukturierung von anspruchsvollen, größeren Finanzierungen verortet.

Im Kapitalmarktgeschäft unterstützt die LBBW die Sparkassen bekanntlich mit Absicherungsprodukten des Zins- und Währungsmanagements. Und tatsächlich wird die LBBW bundesweit zunehmend als das führende Kapitalmarkthaus innerhalb der Finanzgruppe wahrgenommen. Mit diesem Know-how im Rücken traut man innerhalb der Gruppe den Stuttgartern auch eine Menge zu – so etwa die Übernahme des gewerblichen Immobilienfinanzierers Berlin Hyp zum 1. Juli 2022, wofür die LBBW einen Betrag von um die 1,2 Mrd. Euro auf den Tisch geblättert hatte. Freilich gilt es abzuwarten, inwieweit ein sich abzeichnender Preisverfall bei gewerblichen Immobilien die jüngste Tochter nicht doch unter Druck setzen könnte.

Spätestens seit der Übernahme dürfte klar sein, dass bei künftigen Weichenstellungen im Verbund nichts gegen die LBBW läuft – etwa dann, wenn eines Tages die Diskussion über eine zentrale Landesbank in der Sparkassenorganisation wieder aufflammen sollte. Jedenfalls kann sich der Sparkassen-Standort Stuttgart durch die Übernahme der Berlin Hyp als gestärkt betrachten.

Dabei ist die größte deutsche Landesbank mit einem Vorsteuergewinn von 901 Mill. Euro (ohne Sondereffekt durch Berlin Hyp) auch mit Blick auf die Ertragsentwicklung unter der Führung von Neske wieder auf dem Weg, wo sie ihre Träger, das Land Baden-Württemberg, die Sparkassen sowie die Stadt Stuttgart, haben wollen – nachdem die Eigentümer im Zuge der Finanzmarktkrise 2009 eine Kapitalerhöhung von 5 Mrd. Euro verkraften mussten, um das Institut zu retten. Dennoch stand eine geschlossene, verlässliche Trägerhaltung, in der es keine politische Einflussnahme gab, nie in Frage. „In den 17 Jahren, die ich jetzt im Aufsichtsrat der LBBW aktiv bin, ist kein Finanzminister übergriffig geworden, egal von welcher Partei. Es herrscht eine für alle Seiten verlässliche Konsenskultur“, sagt Schneider.

Hinzu kommt, dass man in dem klassischen Bindestrich-Bundesland, das erst 1952 durch den Zusammenschluss von Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern zu einem einzigen Südweststaat entstand, gelernt hat, Fusionen nicht nur umzusetzen, sondern auch weiterzuentwickeln. So entstand 1999 unter Einbeziehung des Marktteils der heutigen L-Bank aus der Vereinigung der Landesgirokasse und der SüdwestLB die Landesbank Baden-Württemberg. 2005 folgten die Integration der Landesbank Rheinland-Pfalz und der BW-Bank. Zwei Jahre später wurde die angeschlagene Sachsen LB übernommen.

LBS läuft in Arme der EZB

Man könne mit Themen strategisch umgehen und wisse, dass das Fusionsgeschäft nicht nach dem Motto „Wünsch dir was“ funktioniere, macht Schneider klar. Aktuell steht die Liaison der Landesbausparkassen Südwest und Bayern an, die rückwirkend zum 1. Januar 2023 zur LBS Süd verschmolzen werden sollen, nachdem die Institute wie die gesamte Branche der Bausparkassen in der Niedrigzinsphase unter Druck geraten waren. Mit Stuttgart und München ist ein Doppelsitz geplant, mit 51,2% haben die baden-württembergischen Sparkassen unter den Trägern leicht die Nase vorn.

Zunächst soll Stefan Siebert, CEO der LBS Südwest, die vereinigte LBS Süd führen. Mit der Fusion, die noch von den Landesparlamenten ratifiziert werden muss, überschreitet die LBS Süd mit ihrer Bilanzsumme die Grenze von 30 Mrd. Euro, so dass sie direkt der EZB untersteht – „ein Novum für uns wie auch für die EZB“, sagt Siebert. Da es innerhalb der EU kein ausgeprägtes Bausparwesen wie in Deutschland gibt, gilt dies nicht gerade als ein bequemer Schritt. Ohnehin ist laut Siebert bei der EZB das Instrument der Zinsbindung, wie in Bausparverträgen üblich, nicht gerade beliebt.

Ein weiteres Institut der Sparkassengruppe mit Sitz in Stuttgart ist die SV Sparkassenversicherung, die 2004 aus dem Zusammenschluss der Sparkassenversicherer in Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen und Teilen von Rheinland-Pfalz hervorging. Hinzu kommt dir DSV-Gruppe (Deutscher Sparkassenverlag), die als zentraler Dienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe fungiert – und ebenfalls ihren Sitz in Stuttgart hat. Bliebe noch die Institution der Sparkassenakademie Baden-Württemberg – eine von neun ihrer Art im Bund, die seit 2014 am Stuttgarter Hauptbahnhof angesiedelt ist. Und mit insgesamt 36000 Teilnehmenden ist die Fortbildungsstätte so etwas wie ein „Herzensprojekt“ ihres Präsidenten Schneider geworden, wie er gesteht, weil sich die Akademie zu dem erhofften zentralen Treffpunkt der Gruppe entwickelt habe. Unterm Strich rundet damit die Bildungseinrichtung die starke Präsenz der Finanzgruppe im Südwesten ab, die Stuttgart zu einer bundesweiten Hochburg der Sparkassenorganisation macht.

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