US-Autobauer

Ohne Strom­anschluss

Die US-Autobauer Ford und GM könnten Profiteure des Inflation Reduction Act sein. Doch fehlt die passende Produktpalette.

Ohne Strom­anschluss

Für die beiden traditionsreichen US-Autobauer Ford und General Motors läuft es derzeit auf den ersten Blick sehr unterschiedlich. Während General Motors (GM) ein kräftiges Ergebnisplus feiern durfte und damit Anleger und Analysten überzeugen konnte, meldete Ford im Schlussquartal zuletzt einen 90-prozentigen Ergebnisabsturz und verfehlte die Markterwartungen deutlich. Zwei Autobauer, zwei vollkommen unterschiedliche Ausgangslagen für 2023? Nicht wirklich. Tatsächlich verbindet die beiden US-Konzerne mindestens ein gemeinsames Problem: Ihre Elektrifizierungsstrategie hinkt der anderer traditioneller Autobauer weit hinterher.

Insbesondere GM hat bei den Stromern den Anschluss verloren. Im vierten Quartal hat der größte US-Autobauer gerade einmal 16266 batterieelektrische Fahrzeuge ausgeliefert. Der schwer in die Jahre gekommene Chevrolet Bolt stand dabei für mehr als 16000 der Verkäufe. Mit anderen Worten: Wer ein modernes Elektroauto sucht, braucht beim GM-Händlernetz derzeit gar nicht erst aufzuschlagen. Zum Vergleich: Der VW-Konzern hat allein im vierten Quartal mehr als 205000 Elektrofahrzeuge ausgeliefert. Hinzu kommen beim US-Konzern technische Probleme. Erst Ende Dezember rief GM insgesamt 140000 Chevy Bolt wegen Brandgefahr in die Werkstätten zurück. Dabei handelte es sich um die Modelljahrgänge 2017 bis 2023 – also praktisch die gesamte Produktion seit Einführung des inzwischen zweimal überarbeiteten Modells.

Bei Erzrivale Ford sieht es kaum besser aus. Zwar hat das Unternehmen mit dem Mustang Mach-E ein Elektroauto, das sich gut verkauft. Im vergangenen Jahr wurden knapp 80000 Stück weltweit ausgeliefert. Dieses Jahr sollen Produktion und Absatz auf 130000 Stück steigen. Allerdings verdient Ford mit dem Verkauf kein Geld, wie das Unternehmen selbst einräumt. Erst recht nicht, seitdem der Konzern als Reaktion auf die Preissenkung durch Elektroauto-Marktführer Tesla seine Preise ebenfalls reduziert hat. Bei Ford kommt hinzu, dass das Unternehmen auf der Kostenseite aktuell nicht konkurrenzfähig ist. Im Schlussquartal steigerte das Unternehmen den Umsatz zwar um 17% auf 44 Mrd. Dollar, kam unter dem Strich aber nur auf einen Gewinn von 1,3 Mrd. Dollar. Im Gesamtjahr blieb sogar ein Verlust von 2 Mrd. Dollar stehen. In einem Anflug unvorsichtiger Ehrlichkeit hat CEO Jim Farley eingeräumt, dass Ford ein Viertel mehr Ingenieure benötige, um das Gleiche zu schaffen wie die Wettbewerber. „Ich kann es mir nicht leisten, 25% weniger effizient zu sein“, deutete er tiefere personelle Einschnitte an.

Dabei wäre es für Ford und GM bereits ein Fortschritt, wenn sie tatsächlich „das Gleiche schaffen“ würden wie die internationale Konkurrenz. Insbesondere bei der Elek­trifizierung des Angebots hinken die US-Unternehmen den deutschen und asiatischen Wettbewerbern um Jahre hinterher. Das geht so weit, dass eine Öffnung der Förderung von Elektroautos aus außeramerikanischer Produktion im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA), wie sie in Europa gefordert wird, der US-Regierung schon aus industriepolitischer Sicht kaum sinnvoll erscheinen kann. Gefördert würden neben Tesla vermutlich vor allem Hyundai, Volkswagen, BMW und Mercedes – wenn die chinesischen Anbieter außen vor bleiben sollten, die ebenfalls ein üppiges elektrifiziertes Produktportfolio haben. Die breite Palette elektrifizierter Fahrzeuge ist bei Ford und General Motors hingegen erst im Werden.

Bei keinem Autohersteller klaffen Anspruch und Wirklichkeit weiter auseinander als bei GM. 2017 hatte das Unternehmen angekündigt, bis 2023 gut 20 neue Elektroautos herauszubringen. Bis dato sind es neben dem Bolt ganze 2 – und deren Produktion läuft gerade erst an. Jetzt soll Tempo aufgenommen werden. Im laufenden Turnus soll die GM-Tochtermarke Chevrolet insgesamt drei batterieelektrische Modelle auf den Markt bringen und damit den Bolt als elektrischen Bestseller ablösen. Ford will den Bestseller Explorer elektrifizieren, um die Stückzahlen zu steigern. Allerdings gilt für all diese Modelle, dass die mit Risiken behafteten Produktionshochläufe erst noch bevorstehen. Warum sollten diese ausgerechnet bei Ford und GM reibungslos verlaufen? Schließlich haben beide bei ihren wenigen batterieelektrischen Modellen bereits heute mit Qualitätsproblemen zu kämpfen. Auch Ford musste schon knapp 50000 Mach-E in die Werkstätten rufen. Beide US-Autobauer haben den Stromanschluss noch nicht gefunden. Ihre Hoffnung muss sein, dass der IRA so unfair für die internationalen Wettbewerber gestaltet ist, wie Kritiker monieren. Aus eigener Kraft werden sie den Rückstand kaum aufholen.

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