New York

Schipp’-Pitches an der Madison Avenue

Deutsche Start-ups unterschätzen den US-Markt häufig. Die Außenhandelskammer New York führt junge Unternehmen deshalb behutsam heran – dass das nur gut ist, zeigt sich auch bei den Präsentationen der Gründer.

Schipp’-Pitches an der Madison Avenue

Deutsche Gründer lassen sich gerne vom amerikanischen Traum beseelen. Den US-Markt aufmischen, neue Kundengruppen erschließen und vor allem Venture Capital anziehen – fucking hell, man, ist zwar crazy, aber let’s go, so dürfte es schon durch mehr als ein Berliner Coworking-Space geschallt haben. Zuletzt entstanden durch Subventionen im Rahmen des Inflation Reduction Act zusätzliche Verlockungen für junge Firmen mit kapitalintensiven Modellen. Den deutschen Außenhandelskammern als wichtigen Vermittlern im Ausland ist unterdessen aus ihrer Erfahrung vor Ort klar, dass der Großteil der Unternehmer die Schwierigkeiten eines Markteintritts in den Vereinigten Staaten vollkommen unterschätzt. Deshalb versuchen die German American Chambers of Commerce Gründer über ihr Programm „Step USA“ vorsichtig an den Markt heranzuführen.

Wie sinnvoll die behutsame Herangehensweise ist, zeigt sich auch bei den Pitch Nights der Außenhandelskammer New York, bei denen deutsche Start-ups ihre Projekte vor einem internationalen Publikum präsentieren können. Dass die jüngste Veranstaltung der Reihe an der Madison Avenue stattfand, hat dabei durchaus ironischen Charakter, steht der Straßenname doch stellvertretend für die amerikanische Werbeindustrie. Wer von den deutschen Start-up-Gründern hier allerdings mitreißende Präsentationen im Stile der Hauptfigur Don Draper aus der TV-Serie „Mad Men“ erwartet, wird recht jäh auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Doch geschenkt, dass die Deutschen nicht als Charismatiker unter den Völkern dieser Welt hervorstechen. Dass ein ins Englische verschleppter hessischer Dialekt den potenziellen Geldgeber daran zweifeln lässt, welches Produkt ihm da eigentlich vorgestellt werden soll – ein Halbleiter (Chip), ein Wasserfahrzeug (Ship) oder eine Schaufel (Schipp’) – ist schon eher problematisch, lässt sich auf Nachfrage aber auch noch klären. Weniger als sprachliche Feinheiten beschäftigen die amerikanischen Venture-Investoren allerdings Zahlen. Und wie wenige deutsche Gründer mit weltverändernden Ideen überhaupt benennen können, was ihr Produkt kosten soll, löst selbst bei den spielerisch ausgelegten Pitch Nights der New Yorker Außenhandelskammer Kopfschütteln aus.

Dabei ist Überzeugungsarbeit in einem Umfeld, in dem Zusammenbrüche innerhalb des US-Bankensystems Schockwellen durch die Finanzmärkte sowie die Venture-Capital- und Start-up-Szene senden, besonders wichtig. Mit Silicon Valley Bank (SVB) kollabierte in der vergangenen Woche schließlich ein zentraler Finanzierer für Tech-Unternehmen, der längst nicht nur auf die USA beschränkt war. Auch in anderen Märkten galten Verbindungen eines Start-ups zu SVB Venture-Investoren einst als Qualitätsmerkmal.

Nun kämpft die neue, vom staatlichen Einlagensicherungsfonds FDIC eingesetzte SVB-Führung im Mantel einer Brückenbank darum, die noch verbliebenen Kundengelder zu halten und bereits abgezogene zurückzugewinnen. Doch großvolumige Mittel sind nach den Zusammenbrüchen der Silicon Valley Bank und der beiden anderen im Fokus stehenden Krisenbanken, Signature Bank und Silvergate Capital, bereits an größere Finanzinstitute geflossen. So hat Bank of America jüngst binnen weniger Tage 15 Mrd. Dollar an neuen Einlagen verzeichnet.

Für Start-ups dürfte diese Verschiebung im Markt erhebliche Folgen haben. Schließlich bieten die Großbanken im Regelfall weitaus weniger hohe Zinsen auf Einlagen als spezialisierte Lender. Auch sind ihre Kreditvergabestandards in der Regel wesentlich strenger. Das Wachstum der Silicon Valley Bank war in diesem Ausmaß ja vor allem deshalb möglich, weil das kalifornische Geldhaus viele Geschäfte einging, vor denen größere Institute im Nachgang der Finanzkrise 2008 aufgrund ihrer Risikoaversion zurückschreckten.

Doch obwohl sich die Bedingungen in den USA damit auch für ausländische Start-ups verändern – ein Fernbleiben ist für die deutsche Gründer- und Venture-Szene keine Option. Denn die Musik spielt über die aktuellen Verwerfungen hinaus weiter in den Staaten. Damit dürfte bei den Pitch Nights der Außenhandelskammer New York noch die ein oder andere Schipp’ präsentiert werden.

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