Hypotheken

Tauwetter am US-Häusermarkt

Die Hoffnung auf einen anhaltend weniger harten Fed-Kurs sorgt für Entspannung am US-Häuser­markt. Die Hypothekenzinsen sinken, Mortgage-Backed Securities – doch Risiken schwelen.

Tauwetter am US-Häusermarkt

Am US-Häusermarkt zieht nach der Eiszeit der vergangenen Monate Tauwetter auf. Der von der staatlich geförderten Bank Freddie Mac veröffentlichte durchschnittliche Zinssatz auf dreißigjährige Festhypotheken, der im November noch erstmals seit mehr als 20 Jahren über die Marke von 7% schnellte, ist zuletzt in vier aufeinanderfolgenden Wochen zurückgegangen. Anfang Februar lag er noch bei 6,09%, was den niedrigsten Stand seit September bedeutete. Gemäß der aktuellen wöchentlichen Veröffentlichung vom Donnerstag fällt er mit 6,12% nun wieder geringfügig höher aus.

Unterdessen ist die Rate für Immobilien mit einem Verkaufspreis von bis zu 726200 Dollar – der Wert stellt die Obergrenze für die Vergabe konventioneller Kredite durch Freddie Mac und die ebenfalls halbstaatliche Fannie Mae dar – laut dem Branchenverband Mortgage Bankers Association immerhin noch einmal von 6,19% auf 6,18% zurückgegangen.

Damit liegen die Zinsen zwar noch weit über den zu diesem Zeitpunkt des Vorjahres erreichten Niveaus, als sie sich im Bereich von 3% bewegten. Doch wirken sich die jüngsten Rückgänge bereits kräftig auf die Nachfrage aus. So hat das Volumen der Hypothekenanträge laut dem saisonbereinigten Index der Mortgage Bankers Association in der Woche bis zum 3. Februar gegenüber den sieben Tagen zuvor um 7,4% angezogen. Die durchschnittliche Kreditsumme bei Kaufanträgen liege inzwischen bei 428500 Dollar, was den höchsten Stand seit dem vergangenen Mai bedeute. Die Nachfrage nach Refinanzierungen schnellte zuletzt gar um 18% in die Höhe.

Das volumenmäßig führende US-Wohnungsbauunternehmen D.R. Horton teilte Analysten indes bereits im Januar mit, in den ersten Jahreswochen sei eine anziehende Verkaufsaktivität am Häusermarkt zu erwarten. Im zweiten Quartal sei dann saisonal bedingt per saldo noch einmal mit einem deutlichen Anstieg im Vergleich zum Zeitraum zwischen Januar und März zu rechnen. Denn im Frühjahr treten in der Regel mehr Käufer an den Markt – darunter zum Beispiel Familien, die vor Beginn des neuen Schuljahres im September umziehen wollen.

Investoren weltweit dürften die Entspannung im Markt mit Erleichterung betrachten, gilt die Entwicklung des US-Hypothekenmarkts doch als aussagekräftiges Barometer für den Zustand der gesamten amerikanischen Wirtschaft. Zudem steht das Segment seit der Finanzkrise 2008, die Folge eines spekulativ aufgeblähten Immobilienmarkts in den Vereinigten Staaten war, an den globalen Märkten besonders im Fokus. Damals wie heute erholte sich der Häusermarkt nach einem enorm schwachen Jahr kräftig.

Noch im vergangenen Jahr hatten sich die Befürchtungen deutlich steigender Defaults im Hypothekensegment gehäuft. Ende des dritten Quartals 2022 weiteten sich die Spreads von Mortgage-Backed Securities (MBS) gegenüber Treasuries auf die höchsten Niveaus seit der großen Rezession ab 2007 aus. Das Segment schloss das vergangene Jahr dann mit einem Total Return von minus 11,8% ab – und zeigte sich damit mehr als siebenmal so schwach wie im zuvor größten Negativjahr 1994. Die 2022 erzielte Überschussrendite von minus 2,23% wird nur durch die Performance im Krisenjahr 2008 unterboten.

Bei sogenannten Credit Risk Transfers (CRT) kam es zu großvolumigen Abverkäufen. Diese von Fannie Mae und Freddie Mac begebenen Wertpapiere richten sich an Investoren, die es auf der Suche nach höheren Erträgen in Kauf nehmen, schon bei moderaten Anstiegen der Default-Raten beträchtliche Verluste zu erleiden. Denn im Gegensatz zur Praxis bei anderen MBS stellen die Hypothekenbanken bei CRT, die Teil ihres Risikomanagements sind, keine Garantien für Kreditausfälle.

Hintergrund der Eiszeit waren ein allgemein eingetrübtes Konjunkturumfeld und insbesondere die restriktive Geldpolitik der Federal Reserve in Reaktion auf die rasante Inflationsbeschleunigung. Analysten betonten, die Fed nehme steigende Zinsen auf Festhypotheken billigend in Kauf, da diese entscheidend dazu beitragen könnten, die Teuerung zu dämpfen.

Sowohl Käufer als auch Verkäufer wurden in der Folge aus dem Markt gedrängt. Auch für Banken entstanden zunehmend Belastungen. Bei Wells Fargo – demjenigen unter den sechs größten US-Kreditinstituten, das traditionell am stärksten vom Mortgage-Markt abhängt – erodierte die Retail-Vergabepipeline für Hypothekenkredite zwischenzeitlich massiv.

Nun jedoch sorgt die Hoffnung auf einen anhaltend weniger harten geldpolitischen Straffungskurs in den Vereinigten Staaten für einen Aufschwung im Segment. Die Fed drosselte ihr Erhöhungstempo auf der jüngsten Sitzung des Offenmarktausschusses Anfang Februar erneut: Sie hob den Leitzins um 25 Basispunkte in die Spanne von 4,5 bis 4,75% an – bereits im Dezember hatten die US-Währungshüter nur noch zu einer Erhöhung um 50 Basispunkte gegriffen, nachdem sie die Rate zuvor viermal in Folge um 75 Basispunkte nach oben getrieben hatten.

Nun breiten sich laut den Analysten des Informationsdienstleisters Bloomberg Intelligence zunehmend Spekulationen darauf aus, dass bald sogar ein Ende der Kontraktion bevorstehen könnte. Die Aussicht auf weniger schwierige Finanzierungsbedingungen verleihe Mortgage-Backed Securities nun Auftrieb. Die hypothekenbesicherten Wertpapiere hätten, gemessen am Total Return, zuletzt den stärksten Januar seit 30 Jahren hingelegt. So sei der Bloomberg US MBS Index im Auftaktmonat 2023 um 3,29% gestiegen. Dazu beigetragen habe auch die Entwicklung auf der Angebotsseite – der Januar sei einer der Monate mit den geringsten Neuemissionen hypothekenbesicherter Wertpapiere in den vergangenen zehn Jahren gewesen.

Der optionsbereinigte Spread des Bloomberg US MBS engte sich in den ersten Jahreswochen in der Folge um 15 Basispunkte ein. Trotz dieser Entwicklung und der Outperformance gegenüber ökonomischen Fundamentaldaten bieten hypothekenbesicherte Wertpapiere laut Bloomberg Intelligence relativ zu anderen Segmenten durchaus noch Potenzial.

Am Unternehmensanleihemarkt beispielsweise seien eine konjunkturelle Erholung und eine weniger drückende Liquiditätsknappheit noch deutlich stärker eingepreist als bei MBS. Sollten positive Konjunkturdaten die Volatilität am Gesamtmarkt weiter drücken, sei bei hypothekenbesicherten Wertpapieren eine weitere Spread-Einengung wahrscheinlich.

Allerdings bestehen durchaus noch beträchtliche Risiken für das Segment. Einerseits sollen die Verkaufswert-Limits für die Vergabe konventioneller Kredite von Fannie Mae und Freddie Mac in teuren Gegenden New Yorks und Kaliforniens im laufenden Jahr auf über 1 Mill. Dollar steigen, was laut Analysten effektiv zu einem höheren Angebot im Markt führen und neu vergebene Hypotheken zugleich riskanter machen dürfte.

Andererseits bergen ökonomische und geldpolitische Enttäuschungen erhebliche Rückschlagsgefahren für Mortgage-Backed Securities. So blenden Investoren laut Analysten derzeit aus, dass sich die US-Währungshüter weiter dem Kampf gegen die hohe Inflation verpflichten – und dabei offenbar sogar bereit seien, eine Rezession zu riskieren. Ein scharfer wirtschaftlicher Einbruch würde das Hypotheken-Segment angesichts der noch hohen Zinsen demnach schwer treffen.

Dass die Volatilität an den globalen Finanzmärkten wirklich nachhaltig sinkt, erscheint angesichts der aktuellen Vielzahl geopolitischer und konjunktureller Risikofaktoren denn auch eher unwahrscheinlich – damit droht eine erneute Ausweitung der MBS-Spreads zu Treasuries. Auf das Tauwetter am US-Häusermarkt könnte also schon bald ein Schockfrost folgen.

Von Alex Wehnert, New York

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