Studie zum Fachkräften

Teurer Frauenmangel in Tech-Jobs

Nur 22% der Stellen im Tech-Sektor sind mit Frauen besetzt. Zu wenige, sagt eine neue Studie. Das europäische Bruttoinlandsprodukt könnte enorm wachsen, wenn mehr Frauen beschäftigt würden.

Teurer Frauenmangel in Tech-Jobs

ast Frankfurt

Die Talentsuche gestaltet sich für Unternehmen immer schwieriger. Die Ampel-Koalition will daher die Einwanderung in den Arbeitsmarkt erleichtern. Zudem soll die Ausbildung gestärkt und das Arbeitskräftepotenzial der Frauen gehoben werden. Wie neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, ist dort eine Menge Luft nach oben: Die Unternehmensberatung McKinsey hat herausgefunden, dass nur ein Fünftel der Tech-Jobs in Europa mit Frauen besetzt sind (siehe Grafik). Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung legt derweil die „Bestenauslese“ bei der Besetzung von Lehrstellen in Deutschland offen. Demnach tun sich junge Menschen mit Hauptschulabschluss immer schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden.

Das Problem, das die McKinsey-Studie aufzeigt, beginnt schon in der Ausbildung: Nur 38% der Absolventen von naturwissenschaftlichen und Ingenieur-Fächern (MINT) in Europa sind Frauen. Seit 2016 stagniert die Zahl der MINT-Absolventinnen zudem. Eine Begründung für diesen eklatanten Geschlechterunterschied gibt es erst einmal nicht. „Während der Grund- und Sekundarschuldbildung gibt es keine Hinweise darauf, dass Jungen besser in Mathe oder Informatik sind als ihre Klassenkameradinnen“, erklärt Melanie Krawina, Co-Autorin der Studie. Obwohl etwa gleich viele Frauen und Männer die Schule abschließen, schreiben sich weniger Frauen für MINT-Fächer an der Universität ein. Bei der Informations- und Kommunikationstechnik sind es noch einmal weniger. Hier sind laut McKinsey nur 19% der Bachelor-Absolventen im europäischen Durchschnitt weiblich.

Dabei gibt es zwischen den Ländern gravierende Unterschiede. Deutschland liegt mit einem Frauenanteil von 22% bei Bachelor-Abschlüssen in MINT-Fächern deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 32%. Die vorderen Plätze belegen Griechenland (41%), Schweden (41%), Estland (40%) und Polen (40%). „Mädchen werden häufig geringere MINT-Fähigkeiten zugesprochen als Jungen. Gepaart mit dem Einfluss allgemeiner Stereotypen und dem Mangel an weiblichen Vorbildern führen diese Vorurteile zu mehr Erwartungsdruck bei gleichzeitig geringerer Unterstützung von Mädchen und Frauen durch Lehrer, Kommilitonen oder Eltern“, erklärt Krawina.

Dieser Mangel kostet den Standort Europa bares Geld. Der McKinsey-Studie zufolge fehlen bis 2027 zwischen 1,4 und 3,9 Millionen Arbeitskräfte im Technologieumfeld – allein in Deutschland dürften es 780000 sein. Die steigende Nachfrage nach diesen Spezialisten kann allein von den Männern nicht gedeckt werden. Würde es gelingen, den Frauenanteil von heute 22% auf 45% bis 2027 zu verdoppeln, könnte das europäische Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 260 bis 600 Mrd. Euro steigen, erklären die Studienautoren.

Auf ein anderes Problem lenkt eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung den Blick: Während mehr Abiturienten (47,4% 2021) sich für eine Lehre entscheiden, finden immer weniger Jugendliche mit Hauptschulabschluss eine Lehrstelle. Der Rückgang betrug ein Fünftel zwischen 2011 und 2021. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack sagte, es passe nicht zusammen, wenn Arbeitgeber einerseits über fehlende Bewerber klagten, auf der anderen Seite aber vielfach eine „Bestenauslese“ betrieben. „Auch Jugendliche mit Hauptschulabschluss brauchen Chancen auf einen Ausbildungsplatz.“ Es gebe ein enormes Potenzial für mehr Ausbildung und damit zur Linderung des Fachkräftemangels. Das ungenutzt zu lassen, könne sich die Gesellschaft nicht leisten. Bei der geplanten Ausbildungsgarantie müsse nachgebessert werden.

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