Weltwirtschaftsforum

Viel Schatten, etwas Licht

Die Stimmung beim Weltwirtschaftsforum in Davos ist düster. Es gibt aber auch Hoffnungsschimmer – wirtschaftlich wie politisch. Darauf gilt es aufzubauen. Vor allem braucht es jetzt mehr, nicht weniger globale Zusammenarbeit.

Viel Schatten, etwas Licht

Die Botschaften könnten kaum alarmierter ausfallen: Vor „Polykrisen“ warnt das Weltwirtschaftsforum anlässlich des alljährlichen Treffens in Davos, das gestern offiziell begonnen hat – also vor Krisen, die sich gegenseitig verstärken. Vor einem ersten Rückschritt für die Menschheit seit Jahrzehnten. Und sogar vor einer komplett unbeherrschbaren Lage, die ein einziger weiterer Schock auslösen könnte – ein neues Virus oder ein neuer Militärkonflikt. Tatsächlich ist die Zukunft unsicher wie nie. Zugleich gibt es aber doch auch Hoffnungsschimmer. Darauf gilt es in Davos aufzubauen. Defätismus ist keine Antwort auf die He­rausforderungen.

Ukraine-Krieg, In­­flation, Rezessionsgefahr, Energiekrise, Klimawandel – die Liste der aktuellen Probleme ist ebenso lang wie komplex. Die vielleicht größte schwelende Gefahr ist wohl eine Zuspitzung des Taiwan-Konflikts samt (militärischer) Konfrontation zwischen den beiden Weltmächten USA und China. Das Jahr 2023 droht also nicht weniger anstrengend zu werden als 2022. Das ist eine ernüchternde Botschaft für die Politik und die Menschen. Zugleich gibt es aber zumindest ein paar Lichtblicke – wirtschaftlich wie politisch.

Was die Wirtschaft betrifft: Die Weltwirtschaft erlebt einen selten synchronen Abschwung. Aber die Lage ist besser als noch vor Wochen befürchtet. In Europa etwa ist eine Gasmangellage mit allen ökonomischen Konsequenzen ausgeblieben. Das ist teilweise dem warmen Winter zu verdanken. Zugleich haben sich aber eben auch viele Volkswirtschaften als widerstandsfähiger erwiesen als gedacht und viele Unternehmen als anpassungsfähiger. Und auch bei der großen Geißel dieser Zeit, der Inflation, wächst die Hoffnung, dass zumindest das Schlimmste überstanden ist – auch wenn es für Entwarnung noch zu früh ist.

Genauso gibt es in der Politik positive Signale: Der Krieg hat ein Nachdenken über die Energiesicherheit ausgelöst und dürfte mittelfristig die Umstellung auf erneuerbare Energie sogar beschleunigen – wobei zentral ist, in der Klimapolitik nicht alle ökonomische Vernunft über Bord zu schmeißen. Und was die Weltmächte USA und China angeht: Zumindest ist der persönliche Ge­­sprächsfaden auch auf den höchsten Ebenen wieder aufgenommen. Auch in Davos treffen sich nun überraschend US-Finanzministerin Janet Yellen und China-Vize Liu He. Nun sollte niemand so naiv sein zu denken, dass damit alle potenziellen Konflikte beseitigt sind. Aber es schürt die Hoffnung, dass die ganz große Eskalation vermieden werden kann.

Angesichts der existierenden großen Herausforderungen kommt es nun ganz entscheidend darauf an, den internationalen Dialog und die weltweite Zusammenarbeit zu stärken. Auch wenn es wie eine Phrase klingt: Globale Krisen können nur global gelöst werden. Leider geht der Trend in Richtung Zersplitterung der Welt und Protektionismus. Bei aller teilweise berechtigten Kritik – Treffen wie jenes in Davos können da einen wichtigen Kontrapunkt setzen. Persönliche Kontakte schaffen Vertrauen. Umso bedauerlicher, dass etwa US-Präsident Joe Biden fehlt. Große Beschlüsse sind dabei nicht zu erwarten. Dafür ist Davos die falsche Bühne. Aber wichtig ist, dass es auch nicht nur bei warmen Worten bleibt, die schnell wieder vergessen sind, wenn die Entscheider in die Heimat zurückkehren.

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