Kabinettsklausur

Ampel vertagt interne Streitthemen

Die zweitägige Kabinettsklausur der Bundesregierung auf Schloss Meseberg ist nach den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz „sehr konstruktiv“ verlaufen. Konkrete Lösungen in den zahlreichen aktuellen Konfliktthemen der drei Parteien der Ampel-Koalition wurden aber nicht ausgemacht.

Ampel vertagt interne Streitthemen

Von Andreas Heitker, Berlin

Die gute Laune und einen gewissen Optimismus scheinen die führenden Ampel-Politiker bei ihren zweitägigen Beratungen auf Schloss Meseberg nach den heftigen Streitereien der vergangenen Wochen wiedergefunden zu haben. Im winterlichen Ambiente 70 Kilometer nördlich von Berlin berichtete der Kanzler am Montag im Anschluss davon, dass er einen Schneeball geworfen und überhaupt „ein sehr fühlbares Unterhaken“ erlebt habe. Sein Vize, Wirtschaftsminister Robert Habeck, lobte die Abgeschiedenheit der Gespräche und erwartet „dass wir jetzt rausgehen und alle Fragen lösen werden“. Und auch der Finanzminister Christian Lindner hofft, dass die informellen Gespräche am Rande bei den jetzt anstehenden politischen Tagesgeschäften helfen werden.

Konkreter wird es nicht. Der Streit um die Verkehrspolitik? Den Ausbau von Autobahnen? Das Verbrenner-Aus? Die Finanzierung von Aktienrente und Kindergrundsicherung? Das Verbot neuer Öl- und Gasheizungen? Steuersenkungen beziehungsweise -erhöhungen? Kein Thema für die Klausur. Keine Kompromisssuchen – zumindest keine, die öffentlich wurden. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kritisiert, die Ergebnislosigkeit der Klausurtagung des Kabinetts spiegele den politischen Stillstand innerhalb der Bundesregierung wider. Meseberg sei „vor allem Selbsthilfegruppe, weniger Kabinettsklausur“ gewesen, ätzt Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch gegenüber der dpa.

FDP-Chef Lindner hält dagegen, man habe bei dem Treffen im Gästehaus der Bundesregierung gar keine Haushaltsgespräche geführt. Dazu habe es auch keinen Anlass gegeben. Dabei will der Finanzminister bereits am Mittwoch nächster Woche die Eckpunkte für das Budget 2024 vorlegen. Und da scheint Streit nach den jüngsten Wochen vorprogrammiert – zum Beispiel bei der geplanten Kindergrundsicherung, die wohl mehr als 10 Mrd. Euro kosten wird. Lindner verweist in Meseberg aber darauf, dass das Projekt, das vor allem ein Herzensthema der Grünen ist, erst 2025 aktuell wird und bis dahin an dem Konzept noch gearbeitet werden muss. „Es gibt Einvernehmen, dass wir die den Familien zustehenden Leistungen automatisiert, digitalisiert zur Verfügung stellen“, sagte er. Allein die Bewilligungen für berechtigte Familien zu automatisieren, werde 2025 schätzungsweise 2 bis 3 Mrd. Euro kosten.

Ball nach Brüssel gespielt

Beim Aufregerthema Verbrenner-Aus spielt die Koalition den Ball einfach weiter nach Brüssel, was die eigenen Meinungsverschiedenheiten zunächst beiseiteschiebt. Kanzler Scholz sagt, jetzt sei die EU-Kommission am Zug. Die Bundesregierung sei sich einig, dass die Brüsseler Behörde einen Vorschlag zum Einsatz von klimaneutralen, synthetischen Kraftstoffen veröffentlichen müsse. Lindner bekräftigt, gegenwärtig gebe es keine Rechtssicherheit, dass nach 2035 noch Fahrzeuge mit Otto- oder Dieselmotoren zugelassen werden könnten. Sein Parteifreund, Verkehrsminister Volker Wissing, sieht die Gespräche mit der EU-Kommission zwar auf einem guten Weg. Wie hier ein Kompromiss aussehen kann, bleibt aber nach wie vor schleierhaft.

Nach Berechnungen der „Süddeutschen Zeitung“ liegen derzeit rund 30 Gesetzesvorhaben auf Eis, weil einer der drei Koalitionspartner nicht einverstanden ist. Meseberg dürfte daran wenig geändert haben.

Noch nicht auf Eis liegt das aktuelle Lieblingsprojekt von Lindner: das Zukunftsfinanzierungsgesetz. Der Minister betonte nach der Klausurtagung noch einmal, dass der Gesetzesentwurf „sehr rasch“ in die Ressortabstimmung kommen soll und dass es darum gehe, die Rahmenbedingungen für private Finanzierungen in Deutschland in der Breite zu verbessern. Es geht hier unter anderem um die Finanzierung der grünen Transformation der Wirtschaft, die viel weniger über die öffentlichen Haushalte laufen soll. Neuer Konfliktstoff ist auch hier gegeben.

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