ZEW-Konjunkturerwartungen

Börsianer schieben Sorgen zur Seite

Die Hoffnung auf einen nachlassenden Preisdruck sowie Entspannungssignale in der Energiekrise und bei den Lieferketten hellen den trüben Konjunkturblick der Börsianer im November auf. Wahre Zuversicht sieht allerdings anders aus.

Börsianer schieben Sorgen zur Seite

ba Frankfurt

Eine Reihe von Entspannungssignalen lässt Finanzmarktexperten wieder etwas entspannter auf die konjunkturelle Entwicklung der kommenden Monate blicken. Dass nach dem Stimmungsbarometer des Analysehauses Sentix nun auch die monatliche Umfrage des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) einen deutlich verbesserten Ausblick für die deutsche Wirtschaft zeigt, wird von Ökonomen aber nicht als Trendwende verstanden – denn an den grundlegenden Belastungsfaktoren hat sich nichts geändert. Sie gehen weiter von einer Rezession aus, die allerdings nicht ganz so lang und tief ausfallen könnte wie zwischenzeitlich befürchtet.

Das ZEW-Barometer für die Aussichten der deutschen Wirtschaft in den kommenden sechs Monaten stieg im November um 22,5 auf −36,7 Punkte. Ökonomen hatten zwar den zweiten Anstieg in Folge erwartet, aber nur auf einen Wert von −50,0 Zählern. Die 193 befragten Analysten und institutionellen Anleger bewerteten auch die aktuelle Lage besser als im Vormonat: Der Indikator stieg um 7,7 Zähler auf −64,5 Punkte.

Weiter trüber Ausblick

Den erneuten Anstieg der ZEW-Konjunkturerwartungen erklärte ZEW-Präsident Achim Wambach „vor allem mit der Hoffnung auf einen baldigen Rückgang der Inflationsraten“. Die geldpolitische Bremse müsste in diesem Fall weniger stark und/oder weniger lang angezogen werden als befürchtet. „Allerdings ist der konjunkturelle Ausblick für die deutsche Wirtschaft immer noch deutlich negativ“, mahnte Wambach. Für das Winterhalbjahr rechnen Experten mit einer Rezession hierzulande – zuletzt hatten dies die Bundesbank in ihrem Monatsbericht und die EU-Kommission in ihrer Herbstprognose geschrieben. Darauf lässt auch die Entwicklung des Ifo-Geschäftsklimas und des Einkaufsmanagerindex schließen. Im dritten Quartal war die hiesige Wirtschaft noch um 0,3% im Quartalsvergleich gewachsen und hat damit erstmals wieder das Vorkrisenniveau gemessen am Schlussabschnitt 2019 überschritten. Vor allem der private Konsum hatte für Schwung gesorgt.

Zu der Stimmungsverbesserung dürften Ökonomen zufolge verschiedene Faktoren beigetragen haben. „Dazu zählen die guten Nachrichten bezüglich der Füllstände der Erdgasspeicher sowie die Bemühungen der Politik zur Umsetzung der Gas- und Strompreisbremse. Auch die Lieferkettenproblematik hat wohl etwas an Brisanz verloren“, sagt Christoph Swonke von der DZ Bank. Am Dienstag knackte der Füllstand der Erdgasspeicher die 100-Prozent-Marke. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt bei Union Investment, führt an, dass zwar die energieintensive Produktion leide. „Aber Wirtschaftszweige und Unternehmen mit geringeren Energiekosten profitieren weiter von hohen Auftragsbeständen, geringeren Engpässen bei Vorprodukten oder einer stärkeren Nachfrage.“ Stabilisierend wirke auch, dass die Einkommen wegen der robusten Lage am Jobmarkt stiegen und den Konsum stützten. Zeuner erwartet aber, dass die Wirtschaft im Winterhalbjahr um 1,5% schrumpft. Erst 2024 „dürfte die Wirtschaft wieder so stark wachsen, wie sie ohne die Belastungen aus dem Ukraine-Krieg in der Lage wäre“.

Für Zuversicht bei Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, sorgt zudem, dass die jüngsten Tariflohnentwicklungen nicht darauf schließen ließen, dass eine Lohn-Preis-Spirale drohe. „Ja, die Löhne werden merklich zulegen, doch die Entgeltsteigerungen galoppieren den Unternehmen nicht davon.“ Auch das Inflationshoch werde in den kommenden Monaten überschritten.

Die ZEW-Umfrage zeigt zudem für den Euroraum eine ähnliche Entwicklung wie für die deutsche Wirtschaft: Das Erwartungsbarometer kletterte um 21,0 auf −38,7 Punkte, der Lageindikator legte 5,5 auf −65,1 Zähler zu. Auch der Ausblick für China und die USA hat sich im Vergleich zum Oktober aufgehellt.

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