Ukraine-Konflikt

Deutsche Gasversorgung ist sicher

Bei einem Stopp russischer Gaslieferungen hat Deutschland wenig zu befürchten, sagen Ökonomen. Zumindest kurzfristig. Allerdings steigt die Abhängigkeit von Flüssiggas.

Deutsche Gasversorgung ist sicher

ast Frankfurt

Die Versorgung Deutschlands mit Gas ist trotz der Eskalation in der Ukraine gesichert. Das betonte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums mit Blick auf die Sanktionen und die erneute Verschiebung im Zulassungsverfahren für die Gaspipeline Nord Stream 2. Zu einem ähnlichen Schluss kommen auch Ökonomen. Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel und das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln haben berechnet, dass ein Gasboykott Russland härter träfe, als er der EU schaden würde. Allerdings, so schreiben die IW-Autoren, muss Deutschland bis zum nächsten Winter nachbessern.

In Reaktion auf die Anerkennung der Separatistengebiete im Osten der Ukraine durch die russische Regierung hat der Westen Sanktionen gegen Russland beschlossen. So stoppte die Regierung etwa den Zertifizierungsprozess der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2.

Die Berechnungen der Wirtschaftsinstitute gehen darüber hinaus. Das IfW etwa simulierte einen Stopp aller Importe und Exporte der jeweiligen Produktgruppe. Demnach hätte ein Stopp des Gashandels einen Einbruch der russischen Wirtschaftsleistung um mehr als 3% zur Folge, ein Öl-Stopp würde immerhin ein Minus von 1% nach sich ziehen. Für Deutschland und die EU wären die ökonomischen Schäden hingegen gering (siehe Grafik). „Unsere Berechnungen sind exemplarischer Natur, aber sie zeigen klar, dass die mittelfristigen wirtschaftlichen Folgen von Handelsembargos Russland sehr viel härter treffen würden als die westlichen Verbündeten“, erklärte IfW-Handelsforscher Hendrik Mahlkow. „Aus diesem Grund wäre zum einen die Drohung Russlands mit einem Lieferstopp für Gas und/oder Öl wenig glaubhaft. Auf der anderen Seite ist ein Stopp von Nord Stream 2 durch die Bundesregierung absolut nachvollziehbar.“

Das IW Köln kommt in seiner Untersuchung im Auftrag der Atlantik-Brücke ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Deutschland zumindest kurzfristig gut abgesichert ist. Allerdings gelte es, die Gasspeicher wieder zu füllen. Deutschland importiert über die Hälfte des benötigten Erdgases aus Russland. Zugleich ist Deutschland der wichtigste Gasabnehmer, knapp 25% aller russischen Gasexporte landen hier. Die Gasspeicher waren jedoch bereits Mitte Februar nur noch zu einem Drittel gefüllt. Deutschland startete schon mit nur 67% Füllstand in den Winter – gegenüber bis zu 95% gefüllten Speichern in den Vorjahren. Die IW-Autoren berechnen zwei Szenarien.

Füllstände künftig regulieren

Im Normalfall wäre Deutschland sowohl bei einem temporären Stopp der Gas-Lieferungen über die ukrainische Transit-Route als auch bei einem Komplettausfall der russischen Lieferungen durch seine Speicher und die gute Anbindung an Flüssiggasterminals in den Nachbarländern gut abgesichert. Problematisch könnte es allerdings werden, wenn die Speicher wie zuletzt halb leer oder der Winter besonders kalt wird. Dafür können leere Speicher inzwischen besser über Flüssiggas (LNG) kompensiert werden, da der Markt stark gewachsen ist. „In welchem Ausmaß Flüssiggas im Krisenfall nach Europa umgeleitet werden könnte, kann nicht sicher vorhergesagt werden“, schränkt Studienautor Andreas Fischer aber ein. Um die Versorgung tatsächlich sicherzustellen – auch längerfristig – müssen die Speicher der IW-Studie zufolge dringend wieder gefüllt werden. Im Februar kündigte das Bundeswirtschaftsministerium bereits an, die Füllstände künftig regulieren zu wollen – wie ist allerdings noch unklar.

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