GfK Konsumklima

Deutsche Verbraucher verlieren die Contenance

Neben der hohen Inflation ist es im Juli die Sorge um einen Gasnotstand, der die Verbraucherlaune hierzulande ganz tief in den Keller schickt. Der Blick auf Konjunktur und eigene Finanzen fällt düster aus wie lange nicht.

Deutsche Verbraucher verlieren die Contenance

ba Frankfurt

Die hohe Inflation und die wachsenden Sorgen um die Gasversorgung zwingen die deutschen Verbraucher zunehmend in die Knie. Die Furcht vor einer Rezession nimmt zu, die Einkommenserwartungen sind niedrig wie nie, und an größere Anschaffungen wird kaum gedacht . Das GfK-Konsumklima fällt entsprechend erneut auf ein Rekordtief. Die GfK-Konsumklimastudie Juli reiht sich damit ein in die Riege schwächer als erwartet ausgefallener Umfragen: Das Ifo-Geschäftsklima, der Einkaufsmanagerindex, die Konjunkturerwartungen von Sentix und ZEW – alle deuten eine Abkühlung der hiesigen Wirtschaft an.

Für August prognostizieren die Nürnberger Konsumforscher ein Konsumklima von −30,6 Punkten (siehe Grafik). Das sind 2,9 Zähler weniger als im Juli. Damals wurde der bislang niedrigste Wert seit Beginn der Datenhebung für Gesamtdeutschland im Jahr 1991 festgestellt. „Zu den Sorgen um unterbrochene Lieferketten, den Ukraine-Krieg und stark steigende Energie- und Lebensmittelpreise kommen nun Befürchtungen um eine nicht ausreichende Gasversorgung von Wirtschaft und privaten Haushalten im nächsten Winter“, kommentierte GfK-Experte Rolf Bürkl das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 2000 Konsumenten: „Dies drückt derzeit die Stimmung der Verbraucher in den Keller.“

Der Geldbeutel bleibt zu

Zu Beginn der Woche sorgte die Ankündigung von Gazprom, ab dem gestrigen Mittwoch wegen weiterer Wartungsarbeiten die Durchflussmenge der Ostseepipeline Nord Stream 1 auf nun 20% der normalen Kapazität zu kappen, für weitere Verunsicherung. Für eine Erholung des Konsumklimas werde daher entscheidend sein, „dass den Verbrauchern die Sorge um eine unzureichende Versorgung mit Gas genommen wird und alle Möglichkeiten alternativer Anbieter genutzt werden, um eventuell ausbleibende russische Gaslieferungen zu ersetzen“, erklärte die GfK.

Daneben müsse auch die Inflation durch eine weniger expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) bekämpft werden. Im Juni war die Jahresteuerungsrate in der EU-Abgrenzung (Harmonisierter Verbraucherpreisindex, HVPI) auf 8,2% gesunken. Ökonomen erwarten, dass das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag für Juli eine Rate von 8,1% mitteilen wird.

Die stark steigenden Energie- und Lebensmittelpreise machen sich der GfK zufolge zunehmend auch bei der Konsumneigung bemerkbar: „Wenn für Energie und Lebensmittel deutlich mehr Geld ausgegeben werden muss, fehlen diese Mittel für andere Anschaffungen.“ Der Indikator der Anschaffungsneigung ist im Juli um 0,8 auf −14,5 Punkte gefallen. Ein niedrigerer Wert wurde zuletzt mit −20,1 Zählern im Oktober 2008 zu Zeiten der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise gemessen. Dass die aktuelle Schwäche des Euro zum Dollar die deutschen Importe aus dem Dollarraum zusätzlich verteuert, dürfte den Druck auf die Preise weiter verstärken „und drückt schwer auf die Einkommensstimmung der Deutschen“, erklären die Konsumforscher zum Rückgang des Barometers der Einkommenserwartungen. Das ist im Juli um 12,2 auf ein Rekordtief von −45,7 Punkten gefallen.

Lage am Jobmarkt noch gut

Zudem, so stellt die GfK fest, wächst die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz – wenn auch noch auf moderatem Niveau – sowie vor weiterer Kurzarbeit. Denn Teilen der Wirtschaft drohen Produktionseinschränkungen nicht nur durch die Materialengpässe wegen der angespannten Lieferketten, sondern immer wahrscheinlicher auch mangels ausreichender Energie in Form von Erdgas.

Vor diesem „gravierenden Risiko“ samt den Folgen für den Jobmarkt warnt auch Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Das IAB-Arbeitsmarktbarometer ist zwar im Juli erneut gesunken, mit 102,1 nach 103,0 Punkten im Juni aber „weiter auf einem guten Niveau“. Dass die Arbeitslosigkeit weiter steigt, erklärt Weber mit der statistischen Erfassung ukrainischer Flüchtlinge. Die Beschäftigung aber nehme weiter zu und der „hohe Arbeitskräftebedarf führt zu Engpässen in vielen Bereichen“, so Weber. Insgesamt, so erwarten Experten, dürfte die Bundesagentur für Arbeit an diesem Freitag eine Arbeitslosenquote von 5,4% für Juli nach 5,3% im Juni berichten.

Unter den Verbrauchern nimmt derweil auch die Furcht vor einer Rezession zu. Die Konjunkturerwartungen verlieren im Juli gegenüber dem Vormonat 6,5 Punkte und sinken auf −18,2 Punkte. Dies ist der niedrigste Wert seit den −21,4 Punkten im April 2020, als Deutschland in den Corona-Lockdown geschickt wurde. In den vergangenen Wochen haben zahlreiche Bankvolkswirte und Institutionen ihre Prognosen für Deutschland teils kräftig reduziert. Der Internationale Währungsfonds etwa erwartet nur mehr ein Wachstum von 1,2% im laufenden und von 0,8% im kommenden Jahr. Das sind 0,9 bzw. 1,9 Prozentpunkte weniger als in der vorherigen Schätzung im April. Etwas optimistischer ist die EU-Kommission, die für die beiden Jahre ein Plus von 1,4% und 1,3% auf dem Zettel hat. Im Mai prognostizierte die Brüsseler Behörde noch Raten von 1,6% und 2,4%. Ökonomen erwarten, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal um 0,1% zum Vorquartal zugelegt hat nach einem Plus von 0,2% im Startabschnitt. An diesem Freitag gibt Destatis die erste Schnellschätzung heraus.

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