Wachstumsprognose

Erholung lässt noch länger auf sich warten

Das Ifo-Institut, das DIW Berlin und das IWH kappen die Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft. Die Unsicherheit verzögere die Erholung, heißt es allenthalben.

Erholung lässt noch länger auf sich warten

Erholung verzögert sich weiter

Institute kappen Prognosen – Verfassungsgerichtsurteil zum Haushalt bremst Investitionen

ba Frankfurt

Trotz weiter nachlassender Inflation und steigender Reallöhne kappen Institute derzeit ihre Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft für das Jahr 2024. Vor allem die Unsicherheit nennen Ökonomen als Grund für die teils deutliche Neujustierung: sei es angesichts der geopolitischen Risiken, des lang andauernden Haushaltsstreits in Berlin, der Energiepreise oder generell der mauen Weltkonjunktur. Diese Unsicherheit dämpft die Investitionsbereitschaft von Unternehmen und Privathaushalten gleichermaßen und verzögert damit die Erholung.

Deutliche Nachwirkungen

Das Ifo-Institut erwartet für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im kommenden Jahr ein Plus von 0,9%. Zuletzt waren die Münchener Wirtschaftsforscher noch von 1,4% ausgegangen. 2025 sollen es dann 1,3% werden, das sind 0,1 Prozentpunkte mehr als noch im September vorhergesagt. „Die Entwicklung im letzten Vierteljahr 2023 dürfte schwächer ausfallen als bislang gedacht, das wirkt sich dann auch im kommenden Jahr aus“, begründete Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser den Schritt. Er erwartet, dass sich die Konjunktur ab dem kommenden Jahr allmählich erholen und „die Wirtschaft mit kräftigeren Raten wachsen“ dürfte – nachdem „die gesamtwirtschaftliche Leistung im laufenden Quartal wohl nur stagnieren“ wird.

Wirtschaftsministerium blickt pessimistisch aufs Schlussquartal

Etwas pessimistischer zeigte sich das Bundeswirtschaftsministerium in dem am Mittwoch vorgelegten Monatsbericht Dezember: „Nach dem Rückgang des preis-, saison- und kalenderbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) im dritten Quartal um 0,1% ist angesichts der aktuellen Monatsindikatoren wie Auftragseingänge und Industrieproduktion auch für das Jahresendquartal ein erneuter, leichter Rückgang des BIP wahrscheinlich.“ Vor allem die bis zuletzt positive Investitionsentwicklung dürfte sich abschwächen – ursächlich seien die schwächere Auftragslage, die ungünstigeren Finanzierungsbedingungen und das Auslaufen der „Umweltprämie“.

Für das zu Ende gehende Jahr erwartet Wollmershäuser ein Minus von 0,3%, das sind immerhin ebenfalls 0,1 Punkte mehr Schrumpfung als noch in der Herbstprognose. Damit gesellt sich das Ifo zu den optimistischeren Stimmen – im Schnitt erwarten Ökonomen einen BIP-Rückgang von 0,5% für 2023.

Vertrauen in Gefahr

„Befördert wird dies zusätzlich durch die unklare Lage um den Bundeshaushalt nach dem Urteil des Verfassungsgerichts“, mahnte Wollmershäuser. Sollte der Haushalt 2024 um 20 Mrd. Euro gekürzt werden, würde die Wachstumsrate dem Ifo-Modell zufolge von 0,9% auf 0,7% fallen. „Sicher geglaubte Investitionsvorhaben stehen jetzt zur Disposition, Fördergelder können womöglich nicht fließen“, erklärte Geraldine Dany-Knedlik vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Diese Kürzungen und die Unsicherheiten würden das Wachstum 2024 und 2025 voraussichtlich um 0,3 beziehungsweise 0,2 Prozentpunkte drücken. Das DIW erwartet nach −0,3 in diesem Jahr ein Wachstum von 0,6 und 1,0% für die kommenden beiden Jahre.

Oliver Holtemöller vom IWH warnt vor dem Vertrauensverlust "in die von der Politik gesetzten Rahmenbedingungen, wenn die einmal versprochene Förderung einer Vielzahl von Investitionsprojekten wegfiele oder stark reduziert würde“. Auch könnte das Vertrauen in die klimaneutrale Erneuerung der Wirtschaft verlorengehen, denn der von der Politik bislang propagierte Weg führe vor allem über die staatliche Subventionierung grüner Investitionen. „Solche Vertrauensverluste könnten auch kurzfristig die Konsum- und Investitionsbereitschaft in Deutschland stärker belasten als in der vorliegenden Prognose unterstellt“, sagte Holtemöller.

Weichen stehen auf Erholung

Grundsätzlich, so Ifo-Experte Wollmershäuser, seien die Weichen auf Erholung gestellt. Für Optimismus sorgen die kräftig steigenden Löhne. Nachdem die Beschäftigung so hoch wie nie zuvor sei, kehre die Kaufkraft zurück und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sollte wieder zulegen, erklärt Wollmershäuser. „Zudem hätten wir die Höchststände beim Zinsniveau hinter uns gelassen.“ Bereits seit Anfang November würden die Kapitalmarkt- und Kreditzinsen sinken. Das Ifo erwartet eine erste Leitzinssenkung der EZB im Frühsommer des kommenden Jahres. Vor allem der Bau dürfte davon profitieren. "Erst nach der für den Sommer erwarteten Zinswende dürfte wieder graduell mehr investiert werden“, erwartet das DIW.

Inflation nähert sich langsam den 2 Prozent an

Während der Rückenwind vom Arbeitsmarkt erst mal nachlässt, verlangsamt sich der Preisauftrieb vor allem wegen der sinkenden Energiepreise, heißt es beim Ifo weiter. Nach einer Arbeitslosenquote von 5,7% im laufenden Jahr werden für die kommenden beiden Jahre Quoten von 5,9 und 5,6% vorausgesagt. Die Inflationsrate dürfte in der zweiten Jahreshälfte 2024 das Preisziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2% erreichen. Nach 5,9% in diesem Jahr dürfte die Teuerungsrate 2024 bei 2,2% liegen, 2025 sollen es dann 1,8% sein. Die Kerninflation – also ohne Energie – wird mit Raten von 6,0% (2023), 2,9% (2024) und 2,2% (2025) weiter darüber liegen. Auch bei den konsumnahen Dienstleistungen wird die Inflation „noch eine Weile deutlich über 3% liegen, da dort kräftig steigende Löhne zu Buche schlügen“, heißt es beim Ifo weiter.

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