Geldpolitik

EZB hält Inflation weiter für tem­porär

Die Euro-Währungshüter halten nach ihren Beratungen am Bild eines nur vorübergehenden Inflationsanstiegs fest. Baldigen Zinserhöhungen erteilen sie eine Absage. Das Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP soll aber im März enden.

EZB hält Inflation weiter für tem­porär

ms Frankfurt

Trotz aller böser Überraschungen von Inflationsseite und zunehmender Warnungen hält die Europäische Zentralbank (EZB) an ihrer Einschätzung fest, dass der aktuelle Inflationsanstieg nur vorübergehend ist und schon 2022 wieder nachlassen wird. Das machten die Währungshüter um EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach ihrer Sitzung am Donnerstag deutlich. Vor dem Hintergrund stellte sich Lagarde auch gegen Spekulationen an den Finanzmärkten auf eine Zinserhöhung bereits im nächsten Jahr.

4 Prozent Inflation möglich

Seit Jahresbeginn hat die Inflation im Euroraum unerwartet stark angezogen. Im September kletterte sie auf 3,4% – der höchste Stand seit September 2008. Im Oktober könnte die Rate auf 3,7% klettern; eine erste Schätzung gibt es heute. In den nächsten Monaten könnte sie gar die Marke von 4% knacken – wie überhaupt erst einmal in einem einzigen Monat seit der Euro-Einführung. Das hat eine hitzige Diskussion ausgelöst, ob die ultralockere Geldpolitik der EZB noch angemessen ist. Lagarde selbst hat wiederholt vor einer Überreaktion und zu frühen Straffung gewarnt. Allerdings haben auch kritischere Stimmen zugenommen. So hatten etwa Vizepräsident Luis de Guindos und Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel zumindest vor der Gefahr gewarnt, dass es zu Zweitrundeneffekten kommen könne.

Angesichts des anhaltenden Preisdrucks und der mahnenden Stimmen aus dem EZB-Rat hatten zuletzt Spekulationen zugenommen, dass die EZB bereits 2022 zu Zinserhöhungen greifen könnte. Unmittelbar vor der Sitzung hatte der Geldmarkt gar eine Anhebung des Einlagensatzes von aktuell –0,5% um 20 Basispunkte nahezu eingepreist. Einige einflussreiche Währungshüter hatten sich zuletzt aber gegen solche Erwartungen gestemmt, und auch EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hatte vergangene Woche gesagt, die Märkte hätten den im Juli angepassten Zinsausblick (Forward Guidance) noch nicht ganz angenommen.

Lagarde bekräftigte am Donnerstag nun, dass die EZB den aktuellen Inflationsanstieg weiter als vor allem vorübergehend betrachtet. Hinter dem Anstieg steckten insbesondere drei Faktoren: die stark gestiegenen Energiepreise, vor allem für Öl, Gas und Elektrizität; die Effekte der Pandemie und der anschließenden Erholung, in deren Folge die Nachfrage das Angebot übertreffe und das zu Engpässen führe; und Basiseffekte wie die temporäre Mehrwertsteuersenkung in Deutschland in der Coronakrise. All diese Effekte würden 2022 nachlassen oder aus der Statistik fallen, sagte sie.

Lagarde räumte zwar ein, dass die EZB von der Dauer des Inflationsschubs überrascht worden sei. Doch 2022 werde die Teuerung „Schritt für Schritt“ nachlassen. Das Thema habe die Debatte bestimmt: „Wir haben gesprochen über Inflation, Inflation, Inflation“, sagte sie. Dabei ging es dem Vernehmen nach aber mitunter durchaus hitzig zu. Für Diskussionen sorgte vor allem die Frage, ob die Teuerung auch 2022 oberhalb des EZB-Ziels von 2% verharren könnte. Zudem gab es wohl unterschiedliche Ansichten dazu, ob und wie stark die Inflation dann im Jahr 2023 zurückgehen werde.

Notenbankchefin Lagarde betonte in jedem Fall, dass die Analysen der EZB zum Inflationsausblick die Erwartungen an den Finanzmärkten zu Zinserhöhungen Ende 2022 „nicht unterstützen“ – und „auch nicht bald danach“, wie sie hinzufügte. Es werde „noch lange keine Zinserhöhungen“ geben, sagte der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, nach Lagardes Pressekonferenz. Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding sagte, die EZB erwarte selbst wohl keine Zinserhöhung vor 2024 oder Anfang 2025.

Relativ eindeutig avisierte Lagarde, dass der EZB-Rat im März 2022 das Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP auslaufen lässt. Ob bis dahin die kompletten 1,85 Bill. Euro ausgegeben werden oder nicht, ließ sie offen. Gleiches galt für die Frage, ob dann das APP-Kaufvolumen von derzeit 20 Mrd. Euro pro Monat erhöht wird oder es gar ein neues Programm gibt. Viele Experten warnen vor Marktturbulenzen, falls PEPP endet, ohne dass zumindest zeitweise anderweitig aufgestockt wird. Heftig umstritten ist im EZB-Rat, ob und wie die große Flexibilität von PEPP auch über dessen Ende hinaus erhalten werden soll. Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der Ende des Jahres auch aus Frust über die EZB-Politik vorzeitig abdankt, sieht das kritisch.

Neue Preisdaten

Schon vor Lagardes Pressekonferenz hatten am Donnerstag neue Daten Belege für einen anhaltend hohen Inflationsdruck geliefert. In Deutschland kletterte die Inflation im Oktober laut Destatis und gemäß EU-Berechnung von zuvor 4,1% auf 4,6%. In nationaler Rechnung waren es 4,5%. Haupttreiber war die teure Energie. In den nächsten Monaten könnte die Rate gar auf mehr als 5% ansteigen. In Spanien liegt sie bereits darüber: Im Oktober schnellte die Teuerung dort auf 5,5% hoch.