Geldpolitik

EZB-Ratsmitglied attestiert „Überreaktion“ der Märkte

Nachdem die Finanzmärkte wieder mehr Zinsschritte in diesem Jahr einpreisen, warnt der französische Notenbankchef Villeroy de Galhau vor einer „Überreaktion“. Nicht auf allen Ratssitzungen werde die EZB die Zinsen erhöhen.

EZB-Ratsmitglied attestiert „Überreaktion“ der Märkte

Die in den vergangenen Tagen deutlich hochgeschraubten Zinserwartungen von Finanzmarktteilnehmern und Ökonomen stellen nach Ansicht von EZB-Ratsmitglied François Villeroy de Galhau eine Überreaktion dar. Das machte der französische Zentralbankchef in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview deutlich. Die Märkte hätten in Bezug auf künftige EZB-Zinserhöhungen „ein wenig überreagiert“, sagte Villeroy de Galhau der Finanzzeitung „Les Échos“.

In den vergangenen Tagen hatten Beobachter wieder deutlich mehr Zinserhöhungen im Jahresverlauf eingepreist und prognostiziert. An den Finanzmärkten wird derzeit davon ausgegangen, dass der Zinsgipfel beim aktuell maßgeblichen Einlagensatz im Laufe des Sommers bei etwa 3,7% erreicht werden wird. Nach fünf Zinsanhebungen der EZB seit dem Juli 2022 liegt dieser Satz aktuell bei 2,5%. Auch viele Ökonomen hatten zuletzt mehr Zinserhöhungen als zuvor prognostiziert. Hintergrund waren bessere Konjunkturdaten und Aussagen einiger Notenbanken.

Dass sich Villeroy de Galhau nun gegen solche Zinsspekulationen stemmt, ist besonders bemerkenswert, weil die Euro-Notenbanker in den vergangenen Wochen eher kritisch beäugt hatten, dass die Marktteilnehmer trotz aller entschlossenen Rhetorik seitens der EZB eher weniger Zinserhöhungen als avisiert eingepreist hatten. Das hatte über lockerere Finanzierungsbedingungen die erfolgten Zinserhöhungen etwas konterkariert. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte die Marktteilnehmer sogar mehrfach explizit ermahnt, ihre Position zu überdenken.

Die Neubewertung an den Märkten geht aber nun zumindest Villeroy de Galhau offenbar zu weit. Die EZB müsse keinesfalls auf jeder Zinssitzung bis September die Zinsen erhöhen, sagte er nun. Der Zinshöhepunkt werde voraussichtlich bis September erreicht werden. Bei den Erwartungen hinsichtlich des Zinsgipfels gebe es allerdings übermäßige Volatilität. „Anders gesagt, die Märkte haben seit Donnerstag ein wenig überreagiert“, merkte er an. Villeroy de Galhau gilt eher als „Taube“ im EZB-Rat. Der Franzose bildet oft Diskussionen im Rat ab und signalisiert künftige Kompromisse – weswegen seine Worte viel Gehör finden.

Ende vergangener Woche hatte nicht zuletzt EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel Spekulationen auf weitere deutliche Zinserhöhungen geschürt. Schnabel sagte da, dass die Finanzmärkte die Entschlossenheit der EZB im Kampf gegen die hohe Inflation unterschätzen könnten. „Wir sind immer noch weit davon entfernt, die Inflation zu besiegen“, sagte Schnabel zu Bloomberg. Die EZB müsse möglicherweise „energischer handeln“, falls sich die Auswirkungen der geldpolitischen Straffung als geringer als erwartet erweisen sollten.

Zu Wochenbeginn hatte auch EZB-Ratsmitglied Olli Rehn im Interview der Börsen-Zeitung gesagt: „Bei einer so hohen Inflation scheinen weitere Zinserhöhungen über den März hinaus wahrscheinlich, logisch und angemessen.“, Es sei wichtig, dass die Notenbank bei den Leitzinsen den restriktiven Bereich erreiche und dann einige Zeit auf dem Niveau bleibe. Die EZB sei kurz davor, zu diesem Bereich zu gelangen, sagte Rehn (vgl. BZ vom 20. Februar).

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