Geldpolitik

EZB unter Druck: Euro-Inflation springt auf 8,1 Prozent

Die Inflation in Euroland eilt von Rekord zu Rekord. Das erhöht den Druck auf die EZB, schneller aus ihrer ultralockeren Geldpolitik auszusteigen. Tempo und Ausmaß künftiger Zinserhöhungen bleiben unter den Notenbankern aber umstritten.

EZB unter Druck: Euro-Inflation springt auf 8,1 Prozent

ms Frankfurt

Die Inflation in der Eurozone hat im Mai erneut einen kräftigen Satz gemacht und die Marke von 8% geknackt. Mit dem nun erreichten Rekord von 8,1% liegt die Teuerung mehr als viermal so hoch wie die von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebten 2%. Damit steigt der Druck auf die EZB noch einmal erheblich, schneller aus der ultralockeren Geldpolitik auszusteigen – zumal sich der Preisdruck in der Volkswirtschaft immer mehr ausbreitet. Unter den Euro-Notenbankern hält allerdings das harte Ringen um das Tempo und das Ausmaß künftiger Zinserhöhungen an.

Viel Kritik aus Deutschland

Wie weltweit ist auch die Inflation im Euroraum im vergangenen Jahr vor allem als Folge der Coronakrise sprunghaft und stärker als erwartet angestiegen. Jetzt wird sie durch den Ukraine-Krieg zusätzlich befeuert. Die EZB agiert bislang aber sehr viel zögerlicher beim Exit als andere Notenbanken weltweit, vor allem als die US-Notenbank Fed. Diese Haltung gerät insbesondere in Deutschland immer stärker unter Beschuss. Längst haben die Inflationssorgen auch die Gesellschaft und die Politikelite als zentrales Thema erreicht.

Am Dienstag nun wurde bekannt, dass die Inflation im Euroraum im Mai erneut stärker zugelegt hat als ohnehin erwartet – zumal nach den deutschen Inflationszahlen von Montag. Volkswirte hatten im Mittel ei­nen Anstieg von 7,4% auf 7,7% er­wartet. Mit 8,1% war es jetzt erneut deutlich mehr. Das bedeutet wieder ein absolutes Rekordhoch seit Einführung des Euro im Jahr 1999 (siehe Grafik). „Die Inflationsdynamik ist ungebrochen hoch“, sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. „Die Inflationsraten erreichen nun beinahe US-amerikanisches Niveau.“

Was besonders Sorgen macht: Haupttreiber der Inflation waren zwar erneut die Energiepreise, die sich auf Jahressicht um 39,2% verteuerten. Allerdings legten die Preise auch in anderen Segmenten noch einmal stärker zu als im April. In der Folge markierte auch die sogenannte Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel mit 3,8% ein absolutes Rekordhoch. „Die hohen Inputpreise werden in hohem Tempo an den Verbraucher weitergegeben“, sagte Bert Colijn, leitender Volkswirt für die Eurozone bei der ING. Der Preisdruck auf den vorgelagerten Produktionsstufen ist ungebrochen hoch.

Beim kurzfristigen Ausblick für die Inflation herrscht nun große Unsicherheit. Einerseits dürften neuerliche staatliche Eingriffe zur Dämpfung des Verbraucherpreisanstiegs die Inflation dämpfen. In Deutschland sind das etwa der Tankrabatt, das 9-Euro-Ticket und der Wegfall der EEG-Umlage, in Spanien die Senkung von Gas- und Strompreisen. Die Experten von Bantleon schätzen, dass das die Inflationsrate in der Eu­rozone in Summe um etwa 0,5 Prozentpunkte reduzieren wird. Andererseits erhöht etwa das jetzt beschlossene EU-Ölembargo gegen Russland die Risiken bei den Energiepreisen. Die Kerninflation dürfte aber tendenziell eher weiter zulegen. Bantleon sieht sie noch bis auf rund 4,5% steigen. Die Kernrate gilt als besserer Gradmesser für den zugrundeliegenden Preisdruck.

Damit steigt auch die Gefahr, dass die Inflationserwartungen weiter anziehen, die bereits merklich über das EZB-Ziel von 2% hinaus geklettert sind. Das birgt insbesondere die Gefahr, dass es zu starken Lohnerhöhungen kommt und sich Preise und Löhne gegenseitig hochschaukeln – also eine Lohn-Preis-Spirale.

Nicht zuletzt wegen dieser Sorge hat die EZB bereits ein Ende der billionenschweren Anleihekäufe An­fang Juli und eine erste Zinserhöhung im Juli sowie ein Ende der Negativzinspolitik bis September avisiert. Derzeit liegt der EZB-Einlagensatz bei −0,5%. Viele Volkswirte und auch einige Notenbanker können sich aber auch ein aggressiveres Vorgehen vorstellen.

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hatte am Montag erneut versucht, die Zinsfantasien ein wenig einzudämmen. Er plädierte für graduelle Zinserhöhungen, um jeweils 25 Basispunkte. Am Dienstag warb auch Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau für eine „graduelle, aber resolute Normalisierung“.

Dagegen heizte der slowakische Zentralbankchef Peter Kazimir Spekulationen auf stärkere Zinserhöhungen an. Im Juli könnten es zwar 25 Basispunkte werden, im September aber womöglich 50 Punkte, sagte er zu Reuters. Mehr noch: Kazimir sagte, dass es womöglich nicht ausreichen werde, den Leitzins auf ein neutrales Niveau anzuheben, um die Inflation zu senken. Dieses Niveau sieht die EZB aktuell bei 1% bis 2%.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.