Notenbank unter Druck

Lebensmittel treiben britische Inflation nach oben

In Großbritannien hat die Teuerung wieder Fahrt aufgenommen. Mehr und mehr Firmen geraten in finanzielle Schwierigkeiten. Der Druck auf die Bank of England steigt.

Lebensmittel treiben britische Inflation nach oben

hip London

In Großbritannien hat der Preisauftrieb im September wieder Fahrt aufgenommen. Die Geldpolitiker der Bank of England haben damit ein Argument mehr für eine kräftige Erhöhung des Leitzinses auf der nächsten Sitzung am 3. November. Wie das Statistikamt ONS mitteilt, stieg die Teuerungsrate von zuletzt 9,9 % auf 10,1 %. Die Kernrate legte von 6,3 % auf 6,5 % zu. Bankvolkswirte hatten in beiden Fällen einen Zehntelprozentpunkt weniger angesetzt.

Haupttreiber der Inflation waren steigende Lebensmittelpreise. Sie steuerten 0,16 Prozentpunkte zur Veränderung des Verbraucherpreisindex (CPI) bei. Für die Kategorie Lebensmittel und Getränke belief sich die Teuerung im Vorjahresvergleich auf 14,5 %. Ein Rückgang der Kraftstoffpreise machte sich dagegen dämpfend bemerkbar. „Für uns sind die anhaltende Aufwärtsbewegung der Lebensmittelpreise und der nicht nachlassende Schwung der Kernrate die auffallendsten Aspekte der Daten“, schrieb der HSBC-Volkswirt Chris Hare in einer ersten Einschätzung. Er rechnet mit einem Zinsschritt der Bank of England von 75 Basispunkten. Andere halten gar einen ganzen Prozentpunkt für möglich. Auch die Erzeugerpreise lieferten eine Überraschung: Der Preisauftrieb schwächte sich lediglich von 20,9 % auf 20,0 % ab. Ökonomen hatten im Schnitt mit einem Rückgang auf 18,7 % gerechnet.

Das wirkt sich aus: Fast 610 000 Firmen befanden sich im abgelaufenen Quartal in schwerwiegenden finanziellen Schwierigkeiten, ist einer aktuellen Erhebung des börsennotierten Sanierungsberaters Begbies Traynor zu entnehmen. Das waren 4 % mehr als im vorangegangenen Quartal und 8 % mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Vor allem Bars, Restaurants und Einzelhändler waren unter den Betroffenen. Die Zahl der Unternehmen, bei denen der Berater die Lage als kritisch bewertet, stieg im Vergleich zum vorangegangenen Quartal um 7 %, im Vergleich zum Vorjahr gar um ein Viertel.

Nebenjobs gefragt

Arbeitnehmer sehen sich derweil nach Nebeneinkünften um. Eine Umfrage des Personaldienstleisters Randstad UK ergab, dass 55 % über einen Zweitjob nachdenken würden, sollte die wirtschaftliche Entwicklung weiter in die aktuell zu beobachtende Richtung gehen. Das wären 18 Millionen Menschen. Beunruhigend sei, dass so ein großer Teil der Bevölkerung denke, schon bald auf Nebeneinkünfte angewiesen zu sein, sagte CEO Victoria Short. Die Eisenbahnergewerkschaft RMT kündigte unterdessen für den 3., 5. und 7. November weitere Streiks an. An den vorangegangenen Arbeitsniederlegungen hatten mehr als 45 000 Eisenbahner teilgenommen. Auch bei der Royal Mail drohen weitere Arbeitskampfmaßnahmen.

Eigenheimbesitzer können sich freuen: Wohnimmobilien waren dem ONS zufolge im August im Schnitt um 13,6 Prozent teurer als im Vorjahr. Das ist zwar im Vergleich zu den im Juli verzeichneten 16 % eine Verlangsamung des Preiswachstums, aber immer noch das zweitgrößte Plus seit der Finanzkrise. Angesichts der nach oben schießenden Hypothekenzinsen hat sich die Nachfrage seit Vorlage des Wachstumsplans von Premierministerin Liz Truss abgeschwächt. Es dürfte allerdings eine Weile dauern, bis sich das auf die Häuserpreise auswirkt.