Klimapolitik

Nun geht es ans Eingemachte

Damit die europäische Autoindustrie gestärkt aus dem Verbrenner-Aus hervorgeht, ist eine Klima- und Industriepolitik aus einem Guss notwendig. Dafür ist noch viel zu tun.

Nun geht es ans Eingemachte

Um die Dimension zu begreifen, vor der Europas Autoindustrie bei der Abkehr vom Verbrennungsmotor steht, reicht der Blick auf die Zahlen des Dachverbands Acea: 2022 haben Volkswagen, Stellantis, BMW und Co. in Summe 9,3 Millionen Neuwagen in der EU verkauft. Ungefähr jeder achte ist vollelektrisch betrieben. Das heißt im Umkehrschluss: Fast 88% aller im vorigen Jahr verkauften Exemplare müssen regelmäßig an die Zapfsäule. In weniger als zwölf Jahren muss die PS-Branche von mehr als 8000000 auf 0 kommen.

Größer könnte die Aufgabe kaum sein, vor die Europas Gesetzgeber die Autobauer ge­stellt hat. Die von ihnen hergestellten Pkw dürfen ab 2035 überhaupt kein CO2 mehr ausstoßen. Was das EU-Parlament am Dienstag final beschlossen hat, ist also nichts anderes als ein Verbrenner-Verbot. Das schließt Hybridantriebe ein, mit denen sich die Branche mitunter ihre Fortschritte schönrechnet.

Die Autobranche hat sich mit dem Aus für ihre klimaschäd­lichen Kassenschlager längst arrangiert. Das Ergebnis der – durchaus knappen – Abstimmung in Straßburg kann sie nicht mehr schocken. Es gibt für sie parallel sogar einen Mutmacher: Die EU-Kommission verzichtet aus guten Gründen nun doch darauf, für Lkw und Busse ebenfalls ein solches Ablaufdatum festzulegen.

Dennoch geht es erst jetzt so richtig ans Eingemachte. Mehr denn je bangt Europas gesamte Industrie um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Die Autobranche ist da keine Ausnahme. Sie zahlt hier seit jeher höhere Energiepreise als in den USA und in China – ein Umstand, der sich durch Russlands Krieg gegen die Ukraine noch verschärft hat. In den USA gibt es keinen CO2-Preis­, dafür neuerdings üppige Subventionen für die örtliche Produktion von E-Autos. In Europa sind auch im Verkehrssektor künftig Emissionszertifikate zu erwerben, Steuervorteile und andere industriepolitische Entlastungen sind allenfalls schemenhaft auszumachen. Und essenzielle Rohstoffe für die Batterieproduktion kommen fast ausschließlich aus Ländern jenseits der EU. Mit dem in Kürze anstehenden Raw Materials Act will die EU-Kommission dieses Problem angehen.

Eine Klima- und Industriepolitik aus einem Guss verlangt noch wesentlich mehr. Ganz entscheidend wird es darauf ankommen, das Netz an Elektroladesäulen und Wasserstofftankstellen zügig auszubauen. Während Wasserstoff im Pkw-Bereich ein Nischendasein fristet, halten Hersteller bei Nutzfahrzeugen große Stücke auf die Antriebstechnologie. Wenn es im bislang vielerorts zu beobachtenden Schneckentempo weitergeht, wird der Ausbau in den meisten europäischen Ländern allerdings nicht annähernd mit der Zahl von E-Autos und Wasserstofftrucks auf den Straßen Schritt halten. Die EU muss beim Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur dringend den nächsten Gang einlegen.

Zu guter Letzt gehört zu dieser Politik aus einem Guss, Entscheidungen wie ein Verbrenner-Verbot nicht mit anderen Vorgaben zu konterkarieren. Hersteller müssten viel Geld und Personal binden, um die geplante Euro-7-Abgasnorm zu erfüllen – dabei sind Benziner und Diesel nun offiziell ein Auslaufmodell. Man muss kein Autolobbyist sein, um zu erkennen, dass die dafür notwendigen Investitionen besser in die E-Mobilität fließen sollten.

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