EZB

Offene Debatte über Zins­erhöhung

Eine baldige Straffung der Geldpolitik im Euroraum scheint nach der überraschenden EZB-Ratssitzung ausgemacht. Die Debatte über das Timing für Zinserhöhungen ist unter den Notenbankern offen ausgebrochen.

Offene Debatte über Zins­erhöhung

rec Frankfurt

Im EZB-Rat ist eine offene Debatte über das Timing für Zinserhöhungen entbrannt. Als erster Notenbanker kam zu Wochenbeginn der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot aus der Deckung, indem er sich für eine Zinserhöhung im vierten Quartal 2022 aussprach. Am späten Nachmittag bekräftigte EZB-Chefin Christine Lagarde die von erhöhten Inflationssorgen gekennzeichneten Botschaften im Anschluss an die erste Ratssitzung vorigen Donnerstag. Insbesondere unterstrich sie die Abfolge der bevorstehenden Straffung: „Es wird keine Zinserhöhung geben, bevor unsere Nettoanleihekäufe enden.“

Lagardes turnusgemäßer Auftritt im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments war mit Spannung erwartet worden. Denn unerwartet deutlich hatte sie im Anschluss an die EZB-Ratssitzung eine Wende in der Geldpolitik angedeutet. Lagarde bekräftigte in allen Punkten ihren Schwenk, der Spekulationen über ein baldiges Ende der Anleihekäufe und eine anschließende Zinserhöhung ausgelöst hat. Frederik Ducrozet, Ökonom des Vermögensverwalters Pictet, sagte: „Die Tatsache, dass sich der Ton angesichts einer erheblichen Neubewertung der Zinssätze nicht geändert hat, ist an sich schon ein wichtiges Signal.“ Die Marktzinsen haben seit Lagardes Pressekonferenz angezogen – allen voran die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen.

Lagarde nahm diese Marktbewegungen am Montag nicht zum Anlass, Zinsfantasien entschieden einzufangen. Sie unterstrich, es gebe Aufwärtsrisiken für die Inflation. Auch legten Umfragen bei Unternehmen nahe, dass kräftige Lohnanstiege wahrscheinlicher werden. Es gebe aber anders als in den USA keine Anzeichen, dass die Wirtschaft überhitze. „Es gibt keinen Grund für voreilige Schlüsse“, betonte Lagarde. Der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik solle „schrittweise“ erfolgen.

Für Aufmerksamkeit am Markt sorgte ihre Klarstellung zum sogenannten Sequencing. An der strikten Reihenfolge, zunächst die Anleihekäufe herunterzufahren und dann die Zinsen zu erhöhen, hat Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann gerüttelt. Vereinzelt brachten auch EZB-Beobachter die Option ins Spiel, weiter Anleihen hinzuzukaufen und trotzdem die Leitzinsen zu erhöhen. Dies schloss Lagarde aus.

Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau hatte am Freitag gewarnt, man solle „nicht übereilt Schlüsse bezüglich des Zeitplans ziehen“. Das hielt Kollegen aus anderen Ländern nicht davon ab, öffentlich über das Timing der EZB zu spekulieren­. So deutlich wie bislang kein Mitglied des EZB-Rats sprach sich der niederländische Notenbankchef Klaas Knot für eine erste Zinserhöhung in diesem Jahr aus. Er brachte Aufwärtsschritte um je 25 Basispunkte im vierten Quartal 2022 und im Frühjahr 2023 ins Spiel. Die Nettoanleihekäufe sollten schnellstmöglich enden. Knot gilt als Hard­liner im EZB-Rat.

Lettlands Notenbankchef Martins Kazaks sagte der Nachrichtenagentur Reuters: „Wir dürften früher handeln, als wir es in der Vergangenheit angenommen haben.“ Für verfrüht hält Kazaks es indes, schon einen speziellen Monat für eine Zinserhöhung zu nennen. An den Finanzmärkten wird über Juli oder sogar schon Juni spekuliert. Das sei eher unwahrscheinlich: Dazu müssten die Anleihekäufe in einem „extremen und unwahrscheinlich schnellen Tempo“ abgebaut werden, sagte Kazaks. Zurückhaltender äußerte sich Finnlands Notenbankchef Olli Rehn. „Es wäre für die EZB logisch, ihren Leitzins spätestens nächstes Jahr zu erhöhen“, sagte Rehn der finnischen Zeitung „Helsingin Sanomat“. Dies setze allerdings voraus, dass es keine Rückschläge bei der Pandemie oder bei der geopolitischen Lage gebe.

Firmen wollen Preise erhöhen

Das Ifo-Institut hat wegen teurer Energie seine Inflationsprognose für dieses Jahr deutlich heraufgesetzt. Die Verbraucherpreise in Deutschland dürften mit durchschnittlich 4,0% schneller zulegen als 2021 mit 3,1%. Das wäre der stärkste Anstieg seit 1993 (4,5%). Im Dezember hatte das Ifo für 2022 3,3% prognostiziert. Grund für die Aufwärtskorrektur ist auch die aktuelle Ifo-Umfrage, wonach immer mehr Firmen ihre Preise weiter anheben wollen: Das Barometer für die Preiserwartungen für die nächsten drei Monate hat wieder einen Höchststand erreicht.

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