Konjunktur

Starke Wachstums­eintrübung in China

Das Wachstum in China hat sich im dritten Quartal deutlich abgeschwächt. Aufgrund der coronabedingten Basiseffekte dürfte das Ziel der Konjunkturplaner auf das Jahr gesehen dennoch knapp erreicht werden.

Starke Wachstums­eintrübung in China

nh Schanghai

Chinas Erholung kämpft mit heftigem Gegenwind. Die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft ist im dritten Quartal nur noch um 4,9% gegenüber Vorjahr ge­wachsen. Im zweiten Quartal war noch ein Wachstum von 7,9% registriert worden. Zwar hatten Ökonomen erwartet, dass die chinesische Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte an Schwung verlieren würde, doch sind zuletzt einige Belastungsfaktoren hinzugekommen, die die weiteren Perspektiven eintrüben.

Dazu gehören neben harten partiellen Lockdown-Maßnahmen stark steigende Erzeugerpreise, die der Industrie zunehmend zu schaffen machen. Auch die Verwerfungen am Wohnimmobilienmarkt wirken als Wachstumsbremse (siehe auch nebenstehender Text).

Mit einem Wachstum von 4,9% im dritten Quartal liegt man zwar nur knapp unter den Prognosen der Analysten bei 5 bis 5,1%, jedoch wachsen nun die Sorgen, dass die Erholung im vierten Quartal weiter nachlassen wird. Ernüchternd ist dabei vor allem der Blick auf das sequenzielle Wachstum, also der Vergleich von Quartal zu Quartal. So hat die chinesische Wirtschaft nur noch um 0,2% gegenüber dem Vorquartal zugelegt, während zur Jahresmitte ein Plus von 1,3% zu Buche stand.

Heftige Schleifspuren zeigen sich im Industriesektor, der sich zunächst als ein Garant für eine rasche Überwindung der Coronafolgen erwiesen hatte, seit dem Frühjahr jedoch zusehends aus dem Tritt kommt. Die Gründe dafür sind vielfältig. So haben weltweite Lieferengpässe bei wichtigen Komponenten wie etwa Chips in einigen Sektoren wie dem Autobau für Produktionsrückstände gesorgt. Durch zeitweilige Covid-Restriktionen mit der Sperrung von Hafenanlagen haben sich die Logistikprobleme noch verschärft.

Bedrohliche Erzeugerpreise

Als immer ernstere Bedrohung gilt die von der Rohstoffsituation angeheizte Erzeugerpreisinflation in China. Zuletzt schoss der Produzentenpreisindex im September auf 10,7% und markiert damit einen Rekordstand seit Beginn der Aufzeichnungen 1996. Insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen erweist sich die Verteuerung von Inputfaktoren als schwere Bürde. Seit September ist eine zusätzliche Belastung durch eine Stromversorgungsproblematik entstanden, zu der die dramatische Verteuerung von Kohle wesentlich beigetragen hat.

Die neuen Wirtschaftsleistungsdaten für September zeigen den Schwungverlust im verarbeitenden Gewerbe deutlich an. So ist das Wachstum der Industrieproduktion zuletzt von 5,3% im August auf nunmehr 3,1% zurückgegangen – ein für chinesische Verhältnisse extrem schwacher Wert. Analysten hatten zwar mit Einbußen gerechnet, das Wachstum des Industrieoutputs aber bei etwa 4% angesiedelt.

Im Einzelhandel zeigen die Daten zwar eine Erholung an, allerdings ist die Wachstumsbeschleunigung mit jetzt 4,4% nach zuvor nur 2,5% im August nur ein schwacher Trost. Schließlich pflegen Chinas Einzelhandelsumsätze in „normalen Zeiten“ um die 10% zuzulegen. Allerdings ist Chinas Konsum nach dem schweren Rückschlag durch den ursprünglichen Ausbruch der Pandemie nicht mehr richtig in Tritt gekommen. Im dritten Quartal waren es vor allem die mehrfachen regionalen Lockdown-Phasen und Reiserestriktionen, die das Tourismus- und Entertainmentgeschäft im Reich der Mitte zurückgeworfen haben.

Bei den China-Ökonomen wächst die Skepsis, dass sich die Wachstumskräfte rasch wieder stabilisieren, zumal die Regierung vor dem Hintergrund einer laufenden Finanzstabilitätsagenda derzeit wenig Bereitschaft für größere fiskalische oder geldpolitische Stimuli zeigt. Aus Sicht der Pekinger Wirtschaftslenker gibt es derzeit vor allem Handlungsbedarf in Sachen Eindämmung der Rohstoffpreise, der Anregung der Kreditversorgung von kleineren Un­ternehmen und der Vermeidung von Ansteckungsgefahren der Evergrande-Problematik für das breitere Im­mobilien- und Finanzmarktgeschehen. Da für dieses Jahr ein äußerst vorsichtiges Wachstumsziel von mindestens 6% abgesteckt wurde, besteht für Peking keine Gefahr, die offizielle Wachstumsvorgabe nicht zu erreichen. Trotz der konjunkturellen Eintrübung in der zweiten Jahreshälfte ist für das Gesamtjahr 2021 wegen coronabedingter Basiseffekte noch immer mit einem BIP-Wachstum von rund 8% zu rechnen.

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