Konjunktur

US-Industrie produziert überraschend mehr

Die US-Wirtschaft bleibt bislang in der Spur: Die Industrieproduktion stieg im April erneut überraschend deutlich. Auch die Verbraucher zeigen sich konsumfreudig. Das könnte sich mit einer strafferen Geldpolitik allerdings ändern.

US-Industrie produziert überraschend mehr

ast Frankfurt

Trotz des Kriegs in der Ukraine bleibt die US-Wirtschaft auf Kurs. Die Industrie steigerte ihre Produktion im April stärker als erwartet. Gegenüber dem Vormonat stieg der Output um 1,1%, wie die Notenbank am Dienstag mitteilte. Auch die Einzelhandelsumsätze sind im April laut US-Handelsministerium um 0,9% gestiegen. Dies deutet darauf hin, dass die Nachfrage der Privathaushalte trotz der anhaltend hohen Inflation bislang ungebrochen ist. Die US-Wirtschaft kann sich demnach nach wie vor auf den privaten Konsum stützen, der bis zu 40% des nationalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmacht.

Für die US-Industrie ist es bereits das vierte Plus in Folge. Die Warenherstellung im verarbeitenden Gewerbe legte im April um 0,8% zu. Versorger und Bergbau weiteten ihre Aktivität ebenfalls aus. Die Kapazitätsauslastung übertraf mit 79% leicht die Erwartungen (78,6%) der Analysten. Es ist der höchste seit Anfang 2019 gemessene Wert. Allerdings liegt die Auslastung immer noch unter dem längerfristigen Durchschnittswert.

Oren Klachkin, Ökonom bei Oxford Economics, rechnet mit einer Verlangsamung des Produktionswachstums. Die Nachfrage der Verbraucher werde sich in Richtung Dienstleistungen wie Reisen und Unterhaltung verlagern, da die Sorgen wegen der Coronavirus-Pandemie abnähmen. Auf der Angebotsseite sorgten die Nulltoleranzpolitik Chinas in Sachen Corona und der Ukraine-Krieg für anhaltenden Stress in den Lieferketten. „Trotz dieser Herausforderungen wird die Indus­triekonjunktur ihre positive Dynamik beibehalten“, zeigt sich Klachkin aber optimistisch.

Einzelhandel hält das Tempo

Die aktuellen Einzelhandelsdaten zeigen einen ordentlichen Anstieg der Käufe gegenüber dem Vormonat – angetrieben von einer hohen Nachfrage im Fahrzeugsektor. Der März-Wert wurde zudem auf 1,4% deutlich nach oben revidiert. Allerdings dürfte die künftig weniger expansive Geldpolitik der Fed zu „spürbaren Belastungen“ führen.

Abgesehen von der zu erwartenden Verlagerung von Waren zu Dienstleistungen, dürften die Verbraucherausgaben insgesamt mit dem Auslaufen staatlicher Konjunkturprogramme, steigenden Zinsen und sinkenden Rücklagen zudem wieder zurückgehen. Das wird sich Ökonomen zufolge auf die Gesamtwirtschaft auswirken.

Die Stimmung der US-Häuslebauer sank im Mai bereits auf den tiefsten Stand seit der Pandemie. Der NAHB-Hausmarktindex fiel um 8 auf 69 Zähler. Grund für die geringere Nachfrage sind etwa die Hypothekenzinsen, die den höchsten Stand seit 2009 erreicht haben. Hinzu kommt, dass die Bauherren mit stark gestiegenen Material- und Arbeitskosten konfrontiert sind. „Der Wohnungsmarkt steht vor wachsenden Herausforderungen“, sagte Robert Dietz, NAHB-Chefökonom, zu den aktuellen Daten. „Vor allem Einsteiger und Erstkäufer von Eigenheimen haben unter dem rasanten Anstieg der Hypothekenzinsen zu leiden.“

Insgesamt hat der Preisauftrieb in den USA zuletzt zwar etwas nachgelassen, die Inflationsrate bleibt aber hoch: Sie fiel im April auf 8,3 von 8,5% im März. Die Fed hat jüngst den größten Zinsschritt seit 22 Jahren unternommen und will weitere folgen lassen, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen. „Die Fed steht weiterhin unter Druck, mit Zinserhöhungen für eine Beruhigung an der Preisfront zu sorgen. Dadurch soll mittel- und langfristig für eine stabile konjunkturelle Perspektive gesorgt werden“, so Helaba-Ökonom Ulrich Wortberg.