Chip- und Sensorhersteller

AMS Osram stürzt an der Börse ab

Der österreichische Chip- und Sensorhersteller strebt den Gipfel der Fotonikbranche an. Doch der Aktienkurs fällt und fällt – nicht erst seit der Übernahme von Osram.

AMS Osram stürzt an der Börse ab

Der 7. Oktober war mal wieder kein guter Tag für die Aktie von AMS Osram. An jenem Freitag fiel der Kurs des an der Schweizer Börse notierten österreichischen Chip- und Sensorherstellers um mehr als 10 %, weil die Halbleiterschwergewichte AMD und Samsung mit ihren Quartalszahlen enttäuscht hatten. Und dann verkündete AMS Osram nach Börsenschluss auch noch, dass Finanzvorstand Ingo Bank seinen Vertrag nicht verlängert. Im April des nächsten Jahres endet die Laufzeit.

Der ehemalige Philips-Manager Bank, mit viel internationaler Erfahrung aus den USA und Asien, wird von Investoren und Analysten geschätzt. Im September 2016 war er als Finanzvorstand zu Osram gekommen. Nach der Übernahme durch AMS blieb er als einziger aus dem Osram-Vorstand und als einer der wenigen vom oberen Management des Münchner Lichttechnikkonzerns. Seit Mai 2020 ist er Finanzchef von AMS Osram.

In der Branche wird vermutet, dass der umsichtige und verbindliche Bank keine echte Bindung zu den AMS-Top-Führungskräften um den früheren Siemens- und Infineon-Manager Alexander Everke bekommen hat. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Premstätten bei Graz bestreitet das auf Anfrage und verweist auf die Pflichtmitteilung, laut der Bank seine Entscheidung aus persönlichen Gründen getroffen habe. Die Zusammenarbeit aller Vorstände sei bis heute „äußerst eng und hervorragend“. „Anderweitige Interpretationen können wir nicht nachvollziehen.“

Die Spekulation, dass Bank auch mit der Entwicklung des Unternehmens unzufrieden ist, ist jedoch nicht weit hergeholt – abzulesen am Aktienkurs. Seit Anfang 2021 ist der Wert auf weniger als ein Viertel abgestürzt, seit August 2019, als AMS das erste Angebot für Osram bekannt gab, sogar auf ein Fünftel. Die Marktkapitalisierung des Unternehmens beträgt noch knapp 1,5 Mrd. sfr, umgerechnet 1,52 Mrd. Euro. Allein Osram wurde mit dem zweiten Angebot von AMS mit rund 4,4 Mrd. Euro bewertet, einschließlich 350 Mill. Euro Nettoschulden.

Aktionärskapital vernichtet

Die ernüchternde Zwischenbilanz: Mit der Übernahme wurde Aktionärskapital vernichtet – auch wenn berücksichtigt wird, dass Technologiewerte in diesem Jahr nicht zu den Börsenfavoriten gehören und AMS Teile des Geschäfts von Osram verkauft hat, insbesondere das Digitalsegment. Insgesamt werden etwa 950 Mill. Euro Jahresumsatz abgegeben. Der Konzern stehe kurz vor dem Ende des Rationalisierungsprozesses von Osram, doch die bisherigen Ergebnisse seien nicht ermutigend, schrieben die Analysten der Deutschen Bank im August.

Aus Sicht der Analysten der Schweizer Bank Julius Bär war die Übernahme von Osram wenig überzeugend. Vor kurzem halbierten sie ihr Kursziel auf 6 sfr und erwarten, dass sich die Markteinführung neuer Produkte verzögert. Ob das so kommt, ist vom Unternehmen nicht zu erfahren: „Wir sind mit Erfolg dabei, unserer Produktstrategie und technologischen Roadmaps umzusetzen“, lautet die vage Antwort.

Vorstandschef Everke hat das hohe Ziel gesteckt, einen Champion für Fotonik zu schaffen, indem die Optohalbleitersparte von Osram mit dem Sensorgeschäft von AMS gebündelt wurde. Doch diese Ambitionen spiegeln sich nicht im Aktienkurs wider. Freilich kämpft das Unternehmen wie andere mit holprigen Lieferketten, Folgen der Lockdowns in Asien und mit der nachlassenden Konjunktur. Im Halbjahresbericht kündigte AMS Osram Verschiebungen von Aufträgen in der zweiten Jahreshälfte im Automobilsegment an wegen „Anzeichen einer Abschwächung der Nachfragetrends“. Schon in den ersten sechs Monaten sank der Umsatz um 3,6 % auf 2,43 Mrd. Euro, die um Sondereffekte bereinigte Umsatzrendite vor Zinsen und Steuern (Ebit-Marge) auf 9 (i. V. 10)  % und das bereinigte Ergebnis je Aktie von 58 auf 18 Cent. Für das dritte Quartal erwartete der Vorstand eine bereinigte Ebit-Marge von 6 bis 9 % – nach Ansicht der Analysten der Deutschen Bank ein schwacher Ausblick. Die Zahlen sollen am 2. November veröffentlicht werden.

Das Analysehaus Jefferies nimmt an, dass Halbleiterwerte noch drei bis vier Monate an der Börse unter Druck bleiben. Zwar halte sich die Nachfrage der Autoindustrie gut, doch dürften andere Kunden Aufträge stornieren oder verschieben. Die Zürcher Kantonalbank rechnet für AMS Osram noch bis Ende des nächsten Jahres mit einer klar negativen Ertragsdynamik. Der Umsatz werde sich gedämpft entwickeln, der Kostendruck hoch bleiben, vor allem wegen der Energiepreise.

Wichtige Kunden sind für AMS Osram neben der Autoindustrie Hersteller von Smartphones. Im vergangenen Jahr gab es hier einen Tiefschlag: Apple, bis dahin mit Abstand größter Kunde, listete AMS als Lieferanten von Sensoren für die 3D-Gesichtserkennung der nächsten Generation von iPhones aus.

Welche große Bedeutung Apple hatte, ließ sich 2020 aus dem Prospekt zur Kapitalerhöhung von AMS schließen: Von 2017 bis 2019 habe der Umsatz mit dem größten Abnehmer zwischen 50 und mehr als 60% des Gruppenumsatzes ausgemacht. Nicht genannt, aber gemeint war Apple.

Diese Abhängigkeit und vom Konsumentengeschäft generell zu reduzieren war für AMS-Chef Everke eines der Argumente für die Übernahme von Osram, damals Weltmarktführer im Geschäft für Autolicht. Auf die Frage, ob und in welchem Umfang es noch Geschäft mit Apple gibt, antwortet AMS Osram ebenfalls ausweichend: „Wir arbeiten mit sehr großen Unternehmen im Consumer-Markt unverändert in erheblichem Umfang zusammen.“ Die Analysten von J.P. Morgan erkennen in der hohen Abhängigkeit vom Smartphone- und Unterhaltungselektronikgeschäft ein Risiko ebenso wie in der hohen Nettoverschuldung. Die lag zur Jahresmitte bei 1,73 Mrd. Euro.

Ein Übernahmekandidat?

Der auf gerade mal noch gut 1,5 Mrd. Euro gefallene Börsenwert könnte das Unternehmen zum Übernahmeziel machen. Doch im Markt rechnet offenbar kaum jemand damit, sonst wäre der Aktienkurs höher. Das war im Frühjahr 2021 anders, als die Analysten von Julius Bär AMS Osram in die Kategorie „heißer Übernahmekandidat“ einstuften. Da­mals gab es eine ganze Reihe von Transaktionen in der Chipbranche.

Der japanische Hersteller Renesas Electronics zum Beispiel übernahm den Chipentwickler Dialog Semiconductor für eine Be­wertung von rund 4,9 Mrd. Euro. Renesas ist einer der größten Produzenten von Halbleitern für Autos. Branchenkenner vermuten, dass AMS Osram wegen des passenden Portfolios auf der Beobachtungsliste von Re­nesas steht.

Und was hält das Management von der Rolle als Akquisitionsziel? „Wir sind unverändert überzeugt, dass wir über eine sehr schlüssige Strategie als eigenständiges Unternehmen basierend auf einer führenden Position in unseren Zielmärkten verfügen (. . .)“. Der Satz ist noch viel länger, mit Begriffen wie Fortschritte, langfris­tiges Wertpotenzial, Sy­nergien, diversifizierte Wachstumsmöglichkeiten, Verbesserung der Finanzkennzahlen. Doch es scheint, als glaubten nur wenige Investoren daran. Der Aufstieg zu früheren Höhen des Aktienkurses wäre für AMS Osram lang und steil.

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