Bundesanleihen

Der 1-Prozent-Gipfel

1% können Anleger wieder bei der zehnjährigen Bundrendite an laufender Verzinsung einstreichen. Doch mit dem Renditegipfelsturm wird die Luft nun auch dünner.

Der 1-Prozent-Gipfel

Nun ist sie geknackt: die Marke von 1 % bei der Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe. Anleger konnten gestern erstmals seit Mitte 2015 wieder ein Niveau von 1 % bei der laufenden Verzinsung der zehnjährigen Benchmark der Eurozone einstreichen. Rund sieben Jahre lang lag die Rendite deutlich darunter, über weite Strecken sogar auf negativem Terrain. Entlang der Kurve von zwei bis 30 Jahren ist die Kurve komplett im positiven Bereich, die rote Zone, das heißt die Minusrenditen scheinen für manchen jetzt schon wieder weit, weit weg zu sein. Viele Auguren prognostizieren weitere Renditeschübe nach oben.

Aber es sei daran erinnert: Nach 2015 kam es anders. Das Brexit-Votum stand 2016 auf dem Programm und sorgte für eine Flucht in Sicherheit. Trump gewann Anfang November 2016 die US-Präsidentschaftswahl. Jahre des Handelskrieges folgten; geopolitische Unsicherheiten nicht zu vergessen. Und vor allem: Niveaus von 1% motivieren viele Anleger auch zum Wiedereinstieg in die Staatsanleihenmärkte, das heißt den Bundmarkt. Das alles zusammen bedeutete einen enormen Nachfrageschub, und dieser trieb die Renditen dann wieder nach unten. Zu sehen bis Anfang dieses Jahres: Auch unter dem Eindruck der geopolitischen Spannungen in Sachen Ukraine/Russland rutschte die zuvor angestiegene Bundrendite wieder ins Minus ab – wenn auch nur kurz.

Was trägt diesen Renditeaufschwung derzeit? Es ist im Wesentlichen doch nur ein einziger – wenn auch beileibe nicht herunterzuspielender – Faktor: die Inflationsentwicklung praktisch rund um den Globus. Die Teuerungsraten liegen in vielen Ländern der Erde und damit auch in sehr wichtigen großen Volkswirtschaften wie den USA, Deutschland oder auch der gesamten Eurozone nicht nur auf mehrjährigen Hochs, sondern auf den höchsten Ständen seit 30 oder gar 40 Jahren. Das treibt nicht nur den Verbrauchern die Sorgenfalten auf die Stirn, sondern veranlasst auch Währungshüter zum Handeln. Allen voran die US-Notenbank Fed hat im Kampf gegen die Inflation damit begonnen, die Zinsen anzuheben, und sie wird den eingeschlagenen Weg weiter beschreiten – wohl schon am Mittwoch. Es wird erwartet, dass der Fed in naher Zukunft auch die Kollegen aus dem gemeinsamen Währungsraum folgen werden und damit auch hierzulande die Zeiten der ultralockeren Notenbankpolitik und des billigen Geldes vorbei sein werden. Die Rufe nach einer Zinserhöhung werden auch im Kreise des geldpolitischen Rates der EZB lauter. Diese zu erwartende Gangart der Fed und der EZB antizipiert der Bondmarkt: Höhere Staatsanleiherenditen sind die Quittung.

Viele Marktteilnehmer stellen sich darauf ein, dass es – insbesondere unter Verweis auf die Inflationsentwicklung – zu weiteren Renditesteigerungen kommen wird. Der Markt ist derzeit in einem Lauf, fallende Bondpreise und höhere Renditen sind damit durchaus sehr wahrscheinlich. Und wie immer gibt es ein Aber: Der Ukraine-Krieg dauert „erst“ gute zwei Monate. Ein schnelles Ende scheint angesichts täglich neuer Hiobsbotschaften wohl eher Wunschdenken zu sein. Er hat sehr viel menschliches Leid und Tragödien mit sich gebracht und bei allem Respekt vor diesem menschlichen Leid, das keinesfalls im Vergleich mit wirtschaftlichen Aspekten her­un­terzuspielen ist, auch viele wirtschaftliche negative Folgen gezeitigt.

Es mehren sich derzeit an den Märkten auch die Stimmen, die auf diese ökonomischen Konsequenzen des Ukraine-Krieges hinweisen. Rezession lautet das Stichwort. Das bedeutet Lieferstaus und Lieferausfälle, Umsatz- und Gewinneinbrüche bei Firmen, Kurzarbeit und womöglich Entlassungswellen, Insolvenzen oder gar Wellen von Firmenpleiten sind nicht ganz ausgeschlossen. Da haben Notenbanker abzuwägen: Kampf gegen Inflation oder Kampf gegen Rezession. Beides gleichzeitig lässt sich aber nicht mit spürbar höheren Leitzinsen bekämpfen. Eine schwere Rezession könnte sich als das größere Übel erweisen. Das ist aber abhängig von der Dauer und der Intensität des Krieges in den kommenden Wochen – hoffentlich nicht Monaten.

Wenn Marktteilnehmer dem Rezessionsrisiko im Vergleich zu den Inflationsgefahren dann das höhere Gewicht beimessen und zudem noch die dann erreichten Anleiherenditen vor diesem Hintergrund als attraktiv einstufen, könnte das Pendel schnell zurückschwingen. Anleger steigen ein, um sich höhere Renditeniveaus zu sichern und weil sie darauf setzen, dass die Geldpolitik aufgrund der dann vorhandenen Rezessionstendenzen doch nicht so restriktiv ausfallen wird, wie es mancher befürchtet beziehungsweise wohl auch gehofft hatte.(Börsen-Zeitung, 4.5.2022)

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.