Autokonzerne

Die Kunst des Spaltens

Die Aufspaltungsstrategie deutscher Autohersteller soll Agilität und Premium-Image stärken. Im Ausland verfolgt der Wettbewerb andere Strategien.

Die Kunst des Spaltens

Daimler hat es vorgemacht: Die Kunst, so zu spalten, dass eins und eins mehr als zwei ergibt. Das heute unter Mercedes-Benz Group firmierende Pkw-Kerngeschäft des vormaligen Daimler-Konzerns hat im abgelaufenen Jahr mehr denn je verdient. Befreit vom Ballast des vor anderen Herausforderungen stehenden Nutzfahrzeuggeschäfts, will die nach einem aktuellen Ranking von Brand Finance wertvollste deutsche Automarke ihren Elektrifizierungs- und Transformationskurs beschleunigen. Im abgelaufenen Jahr verdiente der Stuttgarter Dax-Konzern knapp 14 Mrd. Euro. Die Nettorendite lag bereinigt bei schwindelerregend hohen 12,7%. Trotz anhaltender Lieferkettenprobleme, die das Wachstum deckeln, traut sich Mercedes 2022 in der Spitze mit 13% bereinigter Rendite sogar noch einen Schnaps mehr zu. Dass alle Zielformulierungen für das laufende Jahr und darüber hinaus in diesen Tagen angesichts des Kriegsausbruchs in der Ukraine mit einem dicken Fragezeichen versehen sind, versteht sich von selbst.

Unabhängig von der jüngsten dramatischen Entwicklung scheinen viele Autohersteller zu der Überzeugung gelangt zu sein, dass sich die komplexen Transformationsherausforderungen, vor denen sie angesichts von Elektrifizierung und Digitalisierung stehen, in kleineren Einheiten besser bewältigen lassen. Die Kunst des Spaltens ist allerdings eine hohe. Denn die Situationen der Autobauer sind unterschiedlich, und so kommen sie auch zu unterschiedlichen Strategien. Während die Mercedes-Benz Group mit der historischen, aber doch relativ einfachen Auftrennung in zwei Konzerne – das Truck- und das Pkw-Geschäft – bereits eine ausreichend manövrierfähige Struktur erreicht haben dürfte, stehen bei Volkswagen knapp drei Jahre nach dem Börsengang der Nutzfahrzeugtochter Traton die wesentlichen Weichenstellungen erst noch an.

Bereits auf den Weg gebracht sind erste Schritte in Richtung eines Börsengangs der Sportwagentochter Porsche, wie diese Woche erstmals offiziell bestätigt wurde. Als loses Vorbild dient wohl der wesentlich kleinere Wettbewerber Ferrari, dessen Wert sich seit Abspaltung von Fiat und IPO im Jahr 2015 mehr als vervierfacht hat. Am Aktienmarkt wurde die in Aussicht gestellte Freisetzung des Werts der Edelmarke Porsche dann auch bereits gefeiert und schlug sich Anfang der Woche in kräftigen Kursanstiegen der Anteile von Volkswagen und der Porsche Automobil Holding SE nieder, in der die Mehrheit der VW-Stammaktien gebündelt ist. Allerdings muss auch mit einem erfolgreichen Porsche-IPO für den gigantischen Automobilkonzern noch nicht die finale Struktur gefunden sein. Im Gespräch ist in Wolfsburg etwa eine Verselbstständigung der Batterieaktivitäten (Laden und Energie) oder auch eine eigenständige Notierung der Softwaretochter Cariad. Allerdings sind diese beiden Geschäftsfelder im Gegensatz zur Cash-Cow Porsche noch längst nicht börsenreif. Gemein haben die deutschen Autobauer bei allen Unterschieden, dass eine Aufspaltung mehr Tempo in den als notwendig erachteten Wandel bringen soll. Der Spaltpilz hat die Automobilindustrie besonders hierzulande erfasst, wenn man sich beispielsweise auch auf der Zuliefererseite die Pläne von Continental ansieht – hier wird unbestätigten Berichten zufolge sogar eine Vierteilung erwogen. In anderen Ländern wird die Kunst des Spaltens zwar von den Investoren geschätzt, noch aber nicht von den Konzernmanagern.

General Motors hat im Markt gestreuten Gerüchten, der größte US-Autobauer könne seine Elektroauto-Aktivitäten abspalten, bereits im vergangenen Jahr entschieden widersprochen. Jüngere Gerüchte, der Wettbewerber Ford könne Ähnliches planen, wurden am Mittwoch von CEO Jim Farley vehement dementiert. Stellantis hatt sogar den entgegengesetzten Weg eingeschlagen. Der aus der Megafusion von Fiat Chrysler und PSA Group hervorgegangene Autoriese hat den Größenzuwachs gezielt gesucht. Den unterschiedlichen Wegen liegen auch zwei unterschiedliche Überzeugungen zugrunde. Während etwa Stellantis-CEO Carlos Tavares primär an die Bedeutung von Kostenvorteilen durch Skaleneffekte glaubt, setzen die deutschen Hersteller lieber auf höhere Preismacht mittels stärkerer Premium-Positionierung. Beide stehen im Wettbewerb mit vor allem chinesischen Newcomern, die mit Macht in den Markt drängen. Vieles spricht dafür, dass es eher möglich sein wird, einen Markenwertvorteil zu halten, als im Preiswettbewerb zu bestehen – zumindest wenn sich die Unternehmen in ihren Spaltübungen nicht verzetteln.

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