Bitcoin-Adoption

Entwicklungs­länder als zweifelhafte Krypto-Hoffnung

Krypto-Befürworter feiern die wachsende Bitcoin-Adoption in Entwicklungsländern. Doch El Salvador und die Zentralafrikanische Republik sind zweifelhafte Hoffnungsträger für den Erfolg digitaler Assets.

Entwicklungs­länder als zweifelhafte Krypto-Hoffnung

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Während der Markt für digitale Assets unter Druck steht, richten sich die Hoffnungen der Krypto-Enthusiasten auf Entwicklungs- und Schwellenländer. Denn mit der Zentralafrikanischen Republik hat Ende April der zweite Staat weltweit Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel eingeführt, bereits im vergangenen September hatte El Salvador diesen Schritt vollzogen. Befürworter betonen, dass Cyberdevisen in Entwicklungsländern großen sozialen Nutzen entfalten könnten.

„Für Länder mit einem niedrigen Pro-Kopf-BIP bieten Kryptowährungen die Chance, Altsysteme zu überspringen“, sagt Benjamin Dean, Direktor für digitale Assets beim Vermögensverwalter Wisdom Tree. „Statt aufwendig eine Bankeninfrastruktur mit physischen Filialen aufzubauen, können Menschen in der Digital-Asset-Welt einfach Geld über ihr Smartphone senden.“ Dies geschehe in der Praxis bereits über die kenianische Anwendung M-Pesa Mobile Money, die 2007 gestartet sei.

Einige Analysten führen die Möglichkeit, vom Bankensystem abgehängte Menschen an internationale Zahlungssysteme anzubinden, sogar als Argument dafür an, dass Kryptowährungen nachhaltiger seien als ihr Ruf. Denn gerade Bitcoin gilt aufgrund des hohen Stromverbrauchs, der bei der Generierung neuer Einheiten anfällt, als äußerst CO2-intensiv. „Bitcoin-Mining machte 2021 lediglich 0,05% des gesamten globalen Energiekonsums aus, 39% des genutzten Stroms kam dabei aus erneuerbaren Quellen“, wendet Dean ein.

Gewichtige soziale Vorteile

Diesen Zahlen stünden 1,7 Milliarden Menschen weltweit gegenüber, die keinen Zugang zum Bankensystem besäßen. „Wenn die Möglichkeit besteht, grundlegende Finanzdienstleistungen für nur ein Drittel dieser Menschen bereitzustellen und eine Alternative für Teilnehmer am Finanzsystem anzubieten, die unter Hyperinflation leiden, dann wiegen die sozialen Vorteile den Energieverbrauch mehr als auf“, betont der Wisdom-Tree-Stratege.

Tatsächlich erfahren Kryptowährungen auch in Ländern, in denen sie keinen Status als offizielles Zahlungsmittel innehaben, wachsenden Zuspruch. In Vietnam sind Cyberdevisen laut dem Global Crypto Adoption Index der Plattform Chainalysis weltweit am stärksten etabliert. Unter den zehn Staaten mit den höchsten Krypto-Scores finden sich sechs, die von der Weltbank als „Land mit niedrigem bis mittlerem Einkommen“ eingestuft werden – hinzu kommt mit Togo ein Niedriglohnland. „Es ist davon auszugehen, dass Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel vor allem in Ländern eingeführt wird, die keine eigene Lokalwährung besitzen“, sagt Dean. Auch eine Einführung in Ländern, die unter geopolitischen Verwerfungen oder makroökonomischen Krisen litten, sei wahrscheinlich.

Damit die Menschen in Entwicklungsländern einen Nutzen aus digitalen Assets ziehen können, müssen sie aber auch erst einmal Zugang zu diesen erhalten. In der Zentralafrikanischen Republik beispielsweise ist Elektrizität knapp, die Internet-Abdeckung fällt noch weit niedriger aus als in anderen Ländern des Kontinents, nur 11% der Bevölkerung verfügen über eine Anbindung. „Der Großteil wird daher zunächst nur indirekt davon profitieren, dass andere die Technologie nutzen“, sagt Dean. Es werde Zeit brauchen, um die Adoption von Kryptowährungen anzukurbeln, aber irgendwo müsse die Entwicklung ja anfangen.

Allerdings sorgt die Bitcoin-Einführung in einem der ärmsten Länder der Erde auch für Misstrauen. Denn die Zentralafrikanische Republik gilt als Partner Russlands. Einige Beobachter vermuten, dass die Regierungen in Bangui und Moskau Bitcoin nutzen könnten, um Sanktionen zu umgehen – schließlich bewege sich die Cyberdevise außerhalb regulärer Zahlungskreisläufe. Bisher entschädigt die Zentralafrikanische Republik russische Söldner laut Vorwürfen der Vereinten Nationen mit Konzessionen für Gold- und Diamantenminen. Regierungsvertreter dementieren, Bitcoin als weiteres Bezahlvehikel für Milizen einsetzen zu wollen. Vielmehr plane Bangui, durch erleichterte Geldtransfers über Bitcoin ausländische Investoren anzulocken.

Für El Salvador ist dieses Kalkül bisher jedenfalls kaum aufgegangen. Stattdessen wird die Bitcoin-Strategie von Präsident Nayib Bukele für das Land zunehmend zur Belastung. Seit der Einführung von Bitcoin als Zahlungsmittel hat der zentralamerikanische Staat über 2300 Bitcoin-Einheiten erworben, deren Wert aktuell weit unter dem Einkaufskurs liegt. Zudem sind schuldenfinanzierte Krypto-Projekte wie der Bau einer Bitcoin City geplant.

Unterdessen stehen die Dollar-Anleihen des Landes unter gewaltigem Druck. Moody’s hat das Rating El Salvadors zuletzt von „Caa1“ auf „Caa3“ zusammengekürzt. Die Bevölkerung zeigt gemäß Umfragen indes kaum Interesse an Bitcoin. Angesichts dieser Schwierigkeiten ist zweifelhaft, ob Entwicklungsländer die Hoffnungen der Krypto-Enthusiasten wirklich erfüllen können.

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