Vereinigtes Königreich

Glas halb voll bei britischen Banken

Für die Aktionäre britischer Banken ist das Glas halb voll. Die Wirtschaft bremst ab. Doch steigende Zinsen dürften noch eine ganze Weile für sprudelnde Dividenden sorgen.

Glas halb voll bei britischen Banken

Die deutsche Berichterstattung über das Vereinigte Königreich wird oft vom Wunsch geprägt, dass die Briten doch endlich die Strafe für den Brexit ereilen möge. Entsprechend überraschend wird die gute Geschäftsentwicklung bei den britischen Großbanken auf dem Heimatmarkt für den einen oder anderen sein, die sich an den Halbjahresergebnissen ablesen lässt. Noch überraschender dürfte allerdings sein, dass sie wohl noch eine ganze Weile anhalten wird. Dafür sorgt schon die Bank of England mit ihren Leitzinserhöhungen. Die Aktionäre der Institute haben eine lange Durststrecke hinter sich. Nun winken höhere Dividenden und Aktienrückkäufe.

Im Bankgeschäft spiegelt sich immer auch der Zustand einer Volkswirtschaft wider. Noch wächst das britische Bruttoinlandsprodukt. Der Arbeitsmarkt zeigt sich bislang erstaunlich robust. Der für die Zeit nach Auslaufen der Corona-Hilfen befürchtete Beschäftigungseinbruch ist ausgeblieben. Stattdessen herrscht allerorten Arbeitskräftemangel. Gewiss, die steigenden Lebenshaltungskosten sorgen dafür, dass Haushalte in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Dabei handelt es sich allerdings meist um Haushalte, die ohnehin schon keinen Kredit mehr bekamen, nicht einmal eine Kreditkarte. Das soziale Elend, das sich zwangsläufig aus den rasant steigenden Energierechnungen für Privathaushalte und der absehbaren konjunkturellen Verlangsamung ergeben wird, spielt für das Geschäft der Banken so schnell keine Rolle. Sie waren bei der Kreditvergabe extrem vorsichtig, insbesondere im Wohnimmobiliengeschäft. Es ist zwar oft die Rede von Hypotheken, für die man nur äußerst wenig oder gar kein Eigenkapital benötigt. Doch spielen sie zum einen am Gesamtmarkt keine große Rolle, zum anderen prüfen die Anbieter sehr genau, ob sich die Eigenheiminteressenten so einen Kredit auch leisten können. Mit einem Preisrutsch bei Wohnimmobilien, der Wertberichtigungen erforderlich machen würde, ist kaum zu rechnen, auch wenn derzeit viele Erstkäufer darauf hoffen. Zu gering ist das Angebot, zu groß die Nachfrage.

Banken achten genau darauf, ob mehr Kunden ihr Konto überziehen als sonst oder ob sie ihre Kreditkarte dazu nutzen, am Automaten Bargeld zu holen. Doch bislang haben sie offenbar keinen Grund zur Sorge, nicht einmal bei Autofinanzierungen. In diesem Geschäft helfen den Kreditinstituten auch die stark gestiegenen Gebrauchtwagenpreise. Immer wieder loben Bankmanager die Besonnenheit der Verbraucher, ihren verantwortlichen Umgang mit dem lieben Geld. Viele Haushalte sitzen auf Ersparnissen, die ihnen der durch die Pandemie erzwungene Konsumverzicht beschert hat. Wer zwei Jahre nicht verreist ist und dank Homeoffice auch keine teuren Zeitkarten für den Nahverkehr brauchte, hat einen ordentlichen Sicherheitspuffer aufgebaut. Für die britischen Banken, deren Einlagen dadurch stiegen, ist das Glas also halb voll.

Warum es nicht ganz voll ist? Krieg ist unberechenbar. In der Ukraine geht er ungebremst weiter. Hält die dadurch rasante Teuerung lange genug an, könnten auch bislang zahlungsfähige Haushalte nicht mehr in der Lage sein, die Raten für ihre Hypothek zu zahlen. Die Wirtschaft könnte anfangen zu schrumpfen, was mit Kreditausfällen verbunden wäre. Die Bank of England wäre unter solchen Voraussetzungen vermutlich geneigt, den Leitzins nicht, wie vom Markt erwartet, immer weiter zu erhöhen. Schon jetzt gibt es Stimmen, die vor den Folgen steigender Zinsen für Schuldner warnen, die ihre Immobilien auf Kante finanziert haben. Dann würden die Gewinne der Banken in den kommenden Quartalen nicht mehr ganz so beeindruckend aus­fallen.

Sorgen um ihre Existenz müsste man sich dennoch keine machen, denn die britischen Banken verfügen mittlerweile über eine Kapitalausstattung, die sie über fast jede Krise hinwegretten könnte. Zudem wird gerne vergessen, dass viele Prozesse im Retail-Banking automatisiert wurden. Seit 2015 wurden mehr als 5 100 Bankfilialen geschlossen oder ihre Schließung angekündigt. Die Digitalisierung des Geschäfts wurde nicht allein mit Blick auf aufsichtsrechtliche Fragen und Kostensenkungen organisiert, sondern mit Blick auf den Kunden. Erbsenzähler und Juristen spielten dabei nur die zweite Geige. Entsprechend groß sind die Einsparungen, denn die Produkte sind benutzerfreundlich und werden angenommen. Trotzdem wäre es schön, wenn die nächste Krise vermieden werden könnte.

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