Porsche-IPO

Luxusautos werfen mehr Profit ab – aber nicht immer

Der Börsengang von Porsche zeigt, dass das Luxussegment in der Autobranche trotz vieler Krisen einen guten Lauf hat. Doch für den Erfolg sind immer solide Bilanzen die Grundvoraussetzung.

Luxusautos werfen mehr Profit ab – aber nicht immer

Kurz vor dem geplanten Börsen-Comeback der Porsche AG strotzt die Führung des Sportwagenbauers nach außen vor Selbstbewusstsein. Der Vorstand des legendären Unternehmens aus Stuttgart-Zuffenhausen bewertet die Wachstums- und Ge­winnchancen bei der Equity Story deutlich höher als die geschäftlichen Risiken aufgrund des anhaltenden Ukraine-Krieges mit seinem ungewissen Ausgang. In der Pressemitteilung zum Wertpapierprospekt hebt Finanzvorstand Lutz Meschke, zugleich Vizechef der Porsche AG, das „robuste Geschäftsmodell“ des Börsenaspiranten hervor.

Das untermauerte die Firmenleitung zuvor mit glänzenden Zahlen zur ersten Hälfte des laufenden Jahres: Trotz eines wegen der Lieferkettenkrise um 2% auf 149000 Fahrzeuge gesunkenen Absatzes wuchsen der Umsatz um 9% auf 16,4 Mrd. Euro und das operative Ergebnis überproportional um fast ein Viertel auf 3,3 Mrd. Euro. Die Marge stieg um 2,3 Prozentpunkte auf 19,9%.

Deutlich höhere Verkaufspreise bei einer ungebremst hohen Nachfrage sorgten für den Schub in der Profitabilität bei der 1931 ursprünglich als Fahrzeug-Konstruktionsbüro ge­gründeten Luxusmarkentochter von Volkswagen.

Einen noch stärkeren operativen Schwung verzeichnete im gleichen Zeitraum Ferrari, an dem sich Meschke und Porsche-Vorstandschef Oliver Blume, nach der Entmachtung von Herbert Diess seit Anfang September zugleich CEO des Wolfsburger Mutterkonzerns, messen. Der viel kleinere börsennotierte italienische Sportwagenproduzent ist für das Duo in Bezug auf die Profitabilität Vorbild. Ferrari steigerte den Umsatz um über ein Fünftel auf 2,5 Mrd. Euro. Das operative Ergebnis schnellte um 17% auf 630 Mill. Euro hoch. Das entsprach einer Umsatzrendite von 25,4 (i.V. 26,4)%.

Vorbild Ferrari

In diese Region will auch Porsche vorstoßen. Bislang galt bei der Porsche AG als Richtwert ein Marge von mindestens 15%. Um dies zu erreichen, setzen Blume und Meschke künftig stärker auf eine Luxusausrichtung. Die Porsche AG will den Ausbau des Geschäfts mit hochpreisigen Modellen, ausgestattet mit Hybridmotoren und leistungsstarken Batteriezellen, vorantreiben. Auf diese Weise will die Führung der Edelmarke vom Trend zur Elektromobilität profitieren.

Die Ambitionen der Geschäftsleitungen von Porsche und Ferrari auf Basis guter Erfolgszahlen zeigen, dass das Luxusautosegment einen sehr guten Lauf hat. In Zeiten verschärfter geopolitischer Spannungen, einer steigenden Furcht vor einer weltweiten tiefen Rezession aufgrund des Ukraine-Krieges, einer Energiekrise sowie galoppierender Inflation scheint das Geschäft mit hochpreisigen Pkw der Extraklasse dennoch krisenresistent zu sein. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn auch die beiden deutschen Premiumklassehersteller BMW und Mercedes-Benz ihr Geschäft im Luxusbereich forcieren.

Die Strategien von Ferrari und Porsche basieren auf einem empirisch belegten Ansatz der Volkswirtschaftslehre. Es handelt sich um das Phänomen des Engelkurveneffekts: Je höher die Preise für knappe Güter mit einem ohnehin hohen Markenwert sind, desto größer ist die Nachfrage nach diesen. In der von Krisen dominierten Gegenwart zeigt sich dieser Effekt in seiner Extremform, wie die Lage der beiden Luxusautobauer in Deutschland und in Italien verdeutlicht. Die Preiselastizität der Nachfrage von finanziell gut betuchten Personen ist gleich null. Das heißt, diese privaten Haushalte reduzieren nicht ihre Konsumausgaben wegen exogener Schocks wie die Corona-Seuche und Russlands An­griffskrieg gegen das kleinere Nachbarland. Im Gegenteil: Sie dürften ihre Ausgaben sogar erhöhen.

In der Psychologie nennt man Letzteres Kompensation. Das heißt, Menschen neigen dazu, wachsenden Druck von außen mit mehr Aktivitäten in anderen, für diese gewohnten Bereichen (zum Beispiel Arbeit oder Freizeit) zu kompensieren. Die Mittelschicht – ärmere Bevölkerungsgruppen fallen sowieso heraus – kann sich diesen Luxus aber nicht leisten. In schlechten Zeiten fährt diese Schicht ihre Konsumausgaben herunter. Das heißt, die Preiselastizität ihrer Nachfrage tendiert Richtung 1. Das schlägt dann bei den Volumenproduzenten im Massengeschäft voll durch, wie zum Beispiel die gleichnamige Pkw-Kernmarke des Dax-Schwergewichts aus der niedersächsischen Tiefebene zeigt.

Zukunftstrend

In Anbetracht der Turbulenzen an den Aktienmärkten als Reaktion auf die Zinswende der wichtigsten Notenbanken der Welt bieten die beiden Sportwagenmarken für institutionelle und private Anleger damit sichere Häfen („save haven“), wenn man den Ankündigungen und den Vorhersagen der Emittenten Glauben schenkt.

Von den Perspektiven der Luxusautobauer sind auch Unternehmensberatungen überzeugt. In einer Studie unterfüttern Analysten von McKinsey die guten Zukunftsaussichten für Hersteller im Luxussegment mit fünf Argumenten:

1. In der Autoindustrie wird der Luxusbereich bis zum Jahr 2031 mit jährlich durchschnittlich 8 bis 14% deutlich stärker wachsen als das Segment der volumenstarken Kleinwagen und Kompaktfahrzeuge. Für letztere Bereiche wird ein jährliches Durchschnittswachstum von nur 1% angenommen. Die deutliche Schere begründet McKinsey damit, dass weltweit die Zahl der Personen mir einem Privatvermögen von mehr als 10 Mill. Dollar weiter wachsen wird.

2. Unter Markenaspekten steigt im Zeitalter der Globalisierung der Bedarf nach Luxusgütern. Das be­trifft vor allem die Regionen Nordamerika, Europa, Asien – und hier vor allem China – sowie den Nahen Osten. Als Luxusautos gelten Fahrzeuge ab einem Stückpreis von 80000 Dollar aufwärts.

3. Ein weltweiter Trend von Produzenten, eigene Luxusmarken für das 21. Jahrhundert zu kreieren.

4. Ein wachsender Druck, den Produktvertrieb in einer digitalisierten Welt zum Endverbraucher zu personalisieren. Auf diesem Wege können sich Luxusanbieter von Massenherstellern absetzen.

5. Die generell hohe Profitabilität des Luxusgeschäfts.

Diese Punkte sind nachvollziehbar, besonders neu sind einige aber nicht. Vor allem der letzte Aspekt gehört in der Autobranche zum Allgemeinwissen.

Das war schon in den Anfängen der Autoindustrie als Massenkonsumgüteranbieter bekannt. In der kurzen Zeit der goldenen 1920er Jahre wären die deutschen Autobauer Daimler-Benz und Horch nie auf die Idee gekommen, ihre Aktivitäten aufs Volumengeschäft auszuweiten. Letzteres war deshalb verpönt, weil es deutlich weniger Rendite abwarf. Die seinerzeit nur auf hochpreisige, große Autos ausgerichteten damaligen Vorzeigeunternehmen setzten ihren Schwerpunkt auf die Entwicklung und Produktion von Luxusfahrzeugen. In Italien war das mit Alfa Romeo, Bugatti, Maserati und später Ferrari ebenso. Baustein des Erfolgs dieser Adressen war die aufwendige Entwicklung von Sportwagenmotoren und deren Einsatz auf internationalen Wettbewerben. Dieses PR-Motiv hat sich bis heute im Motorsport erhalten. Solche Aktivitäten erhöhen die Markenbekanntheit und dadurch den Markenwert. Erst in der Nachkriegszeit setzte sich in Westeuropa der Massenmarkt in der Autoindustrie durch. Der Fordismus gewann während des Wirtschaftswunders in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien die Oberhand. Der Wohlstand breiterer Bevölkerungsgruppen machte das auf Skaleneffekte ausgerichtete US-Großserienproduktionsmodell erst möglich. Doch eine strategische Ausrichtung auf den Luxusbereich ist für Autohersteller kein Erfolgsgarant. Das Beispiel Aston Martin Lagonda widerlegt die vorherrschende Ansicht, dass das Luxusgeschäft immer geht. Trotz günstiger Rahmenbedingungen schreibt der seit 2018 börsennotierte britische Sportwagenbauer tiefrote Zahlen. Im ersten Halbjahr 2022 betrug die operative Rendite –16,6 (i.V. –7,6)%, obwohl der Umsatz um 9% auf umgerechnet 607 Mill. Euro stieg.

Sanierungsfall Aston Martin

Die Edelschmiede kämpft mit hohen Verbindlichkeiten und einem großen Kostenblock im Vertrieb, in der Entwicklung, der Fertigung und in der Verwaltung. Allein in der ersten Hälfte dieses Jahres sprangen die Nettoschulden um 60% auf 1,4 Mrd. Euro. Dem auf überwiegend merkantile Arbeitsprozesse ausgerichteten Unternehmen fehlt offenbar die kritische Größe, die notwendig ist, um dauerhaft solide zu wirtschaften. Aston Martin befindet sich in einem Restrukturierungsprozess. Die be­vorzugte Automarke des Geheimagenten James Bond sucht angeblich einen finanzkräftigen Investor.

Im Gegensatz dazu machen die Bilanzen von Porsche und Ferrari einen soliden Eindruck (vgl. BZ vom 21. Juli). Das zeigt, dass der Erfolg im Luxusgeschäft nicht allein von begehrten Produkten abhängt, sondern nur auf Basis stabiler Bilanzen Früchte trägt.

Davon kann Porsche ein Lied singen, denn Anfang der 1990er Jahre war die Edelschmiede heruntergewirtschaftet. Mit dem Retter Wendelin Wiedeking setzte eine Erfolgsfahrt ein, die in der Finanzmarktkrise endete, als die Schwaben mit ihrem damaligen CEO bei dem Versuch, VW zu übernehmen, sich finanziell übernommen hatten. Die Porsche AG verschwand von der Börse. Seither hält der Dax-Riese das Ruder.

Von Stefan Kroneck, München

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