Krieg in der Ukraine

Rüstung mit Goldrand

Der Überfluss an Geld für die Rüstung ohne Wettbewerb wird genau das hervorbringen, was die Verteidigungsministerin meiden will: teure Goldrand-Lösungen.

Rüstung mit Goldrand

Der Krieg in der Ukraine hat die grundlegenden Rahmenbedingungen der deutschen Verteidigungspolitik verschoben. Künftig sollen die deutschen Militärausgaben spürbar und dauerhaft zulegen. Um die Qualität und Quantität der Bundeswehrausstattung deutlich zu steigern, hat sich die Bundesregierung dazu bekannt, die jährlichen Verteidigungsausgaben über den Nato-Zielwert von 2% des nationalen nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu heben. Zur Finanzierung ist die Einrichtung eines schuldenfinanzierten militärischen Modernisierungsfonds in Höhe von 100 Mrd. Euro geplant – das „Sondervermögen Bundeswehr“. Noch 2021 lagen die Verteidigungsausgaben des Bundes bei „nur“ 46,6 Mrd. Euro. Das sind 1,3% des BIP, aber es ist deutlich mehr Geld als in vielen anderen europäischen Ländern – deren Militär als verteidigungsbereit gilt.

Wie viel der zusätzlichen Ausgaben im Haushaltsjahr 2022 kommen, ist offen. Um die Lücke zum Ausgabenziel von 2% bereits 2022 zu schließen, wären ab sofort mehr als 25 Mrd. Euro zusätzlich erforderlich – das sind 0,7% des BIP. Das käme einem drastischen Anstieg von 50% gegenüber den tatsächlichen Verteidigungsausgaben 2021 gleich. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hat ihre Vorstellungen skizziert: Kernpunkte sind der Abschied von überteuerten „Goldrand-Lösungen“ und „konsequente Entbürokrati­sierung“ bei der Beschaffung – also dasselbe, was bisher erfolglos und sogar unter intensivem Einsatz externer Berater angestrebt wurde. Insofern ist zu erwarten, dass es genau das wieder geben wird: überteuerte Goldrand-Lösungen.

Der Bundesrechnungshof hatte schon 2017 deutliche Worte gefunden: In einer Analyse über den Kauf von fünf Korvetten für die Bundeswehr kritisierten die Kontrolleure, dass das Verteidigungsministerium mit dem Deal über fast 2,5 Mrd. Euro ein Angebot akzeptieren wollte, „dessen Preis erheblich überhöht ist und dessen Risiken zum großen Teil den Bund belasten“. Weil das Ministerium den Auftrag ohne öffentliche Ausschreibung vergab, seien dem Bund „die Vorteile eines Wettbewerbs“ entgangen. Die Order ging an ein Konsortium der Werften Lürssen und Thyssenkrupp Marine Systems. Erst nach der Beschwerde des Konkurrenten German Naval Yards untersagte das Kartellamt den Deal in der geplanten Form. Doch dann wurde der Auftrag einfach von einem Dreierkonsortium abgearbeitet, an dem auch der vorher nicht berücksichtigte Konkurrent beteiligt war – das Kartellamt stimmte der halbherzigen Lösung zähneknirschend zu.

Für das peinliche Gekungel gibt es offenkundige Ursachen: Für Rüstung stand und steht so viel Geld zur Verfügung, dass es kaum so schnell unter die Konzerne gebracht werden kann, wie Nato-Pläne dies vorsehen – schon gar nicht, wenn man deutsche Hersteller zuerst bedienen will. Aufgrund der strukturellen Beschaffungsprobleme kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verteidigungsausgaben schon 2022 um 25 Mrd. Euro erhöht werden. Als wichtigster Flaschenhals gilt das oft kritisierte Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Koblenz, das mit zeitweise 10000 Beschäftigten neben der Beschaffung auch für die Ersatzteilversorgung zuständig ist. Während es als gerade noch nachvollziehbar gilt, dass die Anforderungen an ein seit 2004 zu beschaffendes Raketenabwehrsystem auf 14000 Seiten formuliert wurden, nimmt das Verständnis bei detaillierten Spezifikationen für Knöpfe an Uniformen deutlich ab.

Fest steht: Deutsche Hersteller wollen das größte Stück vom Kuchen und fahren die Produktion hoch. Allein Rheinmetall hat dem Bund eine Projektliste angeboten, die Panzer, Mu­nition und Militärlastwagen für 42 Mrd. Euro enthält. Die Sturmgewehrfirma Heckler&Koch, der Rüstungselektronikkonzern Hensoldt oder der Flugkörperfabrikant Diehl stellen sich auf mehr Geschäft ein. Auch bei MTU Aero Engines, Thyssenkrupp und Airbus wird ein Teil des Milliardenregens ankommen. Gerade Panzerabwehr-Raketen sind in der Ukraine aktuell als Verteidigungswaffen gefragt – werden aber, soweit transparent, hauptsächlich aus Großbritannien und Skandinavien geliefert. Längerfristig wird das Geld wohl vor allem ausgegeben werden für das geplante neue europäische Kampfflugzeug unter französischer Führung und den neuen geplanten europäischen Kampfpanzer unter deutscher Federführung von Krauss-Maffei Wegmann sowie dem französischen Joint-Venture-Partner Nexter und Rheinmetall – voraussichtlich mit Goldrand.

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