Koalitionsvertrag

Wie die Ampel-Koalition die Klimaziele erreichen will

In ihrem Koalitionsvertrag widmet die Ampel dem Klimaschutz das längste Kapitel. Die Ziele sind ambitioniert – trotzdem bleiben viele Fragen offen. Ein Überblick.

Wie die Ampel-Koalition die Klimaziele erreichen will

Von Anna Steiner, Frankfurt

Die neue Regierung in Deutschland ist zugleich auch die letzte, die noch die Weichen stellen kann, um die Klimaziele des Pariser Abkommens von 2015 zu erreichen. Dafür haben SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag den Rahmen gesteckt. Allerdings bleiben viele Fragen offen.

Das Kapitel Klimaschutz ist das mit Abstand umfangreichste im 177 Seiten fassenden Vertrag. „Wir stellen die Weichen auf eine sozial-ökologische Marktwirtschaft“, schreiben die Koalitionäre. Damit meinen sie den wirtschaftlichen Aufschwung unter klimafreundlichen Gesichtspunkten. „Damit legen wir die Grundlagen, um nachhaltigen Wohlstand zu sichern, und schaffen Raum für Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und mehr Effizienz“, heißt es weiter. Die Handschrift von Grünen und FDP ist deutlich erkennbar. Die Botschaft klar: Wohlstand ist möglich – aber nicht ohne Rücksicht auf die Ressourcen von Umwelt und Natur.

Bei der Transformation der Wirtschaft nimmt die Energiepolitik eine wichtige Rolle ein. Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll „zu einem zentralen Projekt“ für die neue Regierung werden. Bis 2030 sollen 80% des Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden – 15 Prozentpunkte mehr als bislang vereinbart. Dass die neue Regierung dabei von einem erhöhten Bruttostrombedarf ausgeht, haben Ökonomen lange gefordert. Die Koalition rechnet mit einem Bedarf von 680 bis 750 Terawattstunden pro Jahr (siehe Grafik). Zwar wird in einigen Bereichen der Bedarf durch mehr Effizienz reduziert – etwa im Gebäudesektor. Allein durch die Elektrifizierung des Verkehrs und die Umstellung auch energieintensiver Zweige wie der Stahlindustrie auf erneuerbare Energiequellen wird der Strombedarf insgesamt jedoch steigen.

Die jährlichen Ausschreibungsmengen sollen dynamisch angepasst werden. 2% ihrer Fläche sollen die Bundesländer für Windenergie ausweisen. Die Offshore-Kapazitäten sollen bis 2030 bereits auf 30 Gigawatt installierte Leistung gesteigert werden. Das entspricht einer Vervierfachung des bisherigen Ausbaus. Ottmar Edenhofer, Präsident des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) lobt die Ausbauziele, mahnt jedoch: „Aber man muss auch sagen: Mit all den lokalen Konflikten, die beim Errichten von Windanlagen oder Stromtrassen drohen, wird dies kein leichtes Unterfangen.“

Vom Industrieverband BDI kommt Lob für die geplante Beschleunigung des Genehmigungsrechts beim Ausbau. Allerdings bleibt im Koalitionsvertrag unklar, wie genau die Überbrückung aussehen soll, die zwischen dem nun auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg und dem Ausbau der Erneuerbaren die Versorgungssicherheit garantieren soll. So ist zwar von Gaskraftwerken die Rede. „Unklar bleibt aber, wie der Gaskraftwerksbau konkret gelingen soll“, schreibt der BDI.

Neue Mobilität

15 Millionen Elektroautos sollen im Jahr 2030 zugelassen sein. Der Weg zum Ziel ist weit (siehe Grafik). Allerdings muss sich Deutschland ohnehin ranhalten, da die EU-Kommission ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zulassen will. Schaffen will die Ampel-Koalition ihr Mobilitätsziel über den massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur, der „dem Bedarf vorausgehen“ soll. Auf Kritik trifft jedoch die auslaufende Innovationsprämie. Diese hatte die gemeinhin als Umweltprämie be­kannte staatliche Förderung beim Kauf eines Elektro- oder Hybridfahrzeugs verdoppelt – und Studien zufolge messbare Kaufanreize für Verbraucher gesetzt.

Konstanter CO2-Preis

Für Klimaökonomen enttäuschend ist, dass die Ampel-Koalition den CO2-Preis nicht anheben wird. „Der Koalitionsvertrag lässt Ehrgeiz bei der CO2-Bepreisung für Transport, Gebäude und Wärme vermissen“, kritisiert auch PIK-Direktor Edenhofer. Die Preise sollen laut Ampel bis 2026 nicht zusätzlich zu den bereits beschlossenen Erhöhungen erhöht werden. „Das wäre aus meiner Sicht aber dringend notwendig, um den Märkten ein klares Signal zu geben, denn: Klimaschutz, der nichts kostet, führt auch nicht zur Verminderung von Emissionen. Der Verzicht auf Klimaschutz wäre aber noch viel teurer“, so Edenhofer. Dass die EEG-Umlage aus dem Strompreis herausgenommen wird, findet er hingegen wichtig und richtig.

Insgesamt hat die neue Regierung im Koalitionsvertrag wichtige Grundsteine gelegt für eine ambitioniertere Klimapolitik. Nun kommt es jedoch auf die Umsetzung – und die teils noch ungeklärte Finanzierung – an. „Die Klimaschutzpläne der neuen Bundesregierung öffnen Türen, aber die Regierung muss nun auch hindurchgehen“, fordert Edenhofer.

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