Ukraine-Krise

Treffen von Biden und Putin vorerst vom Tisch

Angesichts der jüngsten Eskalation Moskaus in der Ukraine-Krise plant das Weiße Haus vorerst kein persönliches Treffen von US-Präsident Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin. In Washington und Brüssel laufen die Gespräche über mögliche Sanktionen auf Hochtouren.

Treffen von Biden und Putin vorerst vom Tisch

det/ahe/est Washington/Brüssel/Moskau

Angesichts der jüngsten Eskalation Moskaus in der Ukraine-Krise plant das Weiße Haus vorerst kein persönliches Treffen von US-Präsident Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin. “Derzeit ist das sicher nicht geplant”, sagte Bidens Sprecherin Jen Psaki am Dienstagabend (Ortszeit) in Washington. Biden sei grundsätzlich offen für Diplomatie und Gespräche auf höchster Ebene. Aber aktuell, da Putin die Invasion eines souveränen Landes vorantreibe, sei nicht der richtige Zeitpunkt dafür.

In den vergangenen Tagen war ein persönliches Treffen von Biden und Putin im Gespräch gewesen. Die Initiative für einen solchen Gipfel ging vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron aus, der am Sonntag zweimal Putin und einmal mit Biden telefoniert hatte. Biden hatte nach Angaben des Weißen Hauses “im Prinzip” einem Treffen zugestimmt, auch der Kreml hatte sich offen dafür gezeigt.

Wegen der jüngsten Entscheidungen Putins in der Ukraine-Krise hatte am Dienstag jedoch auch US-Außenminister Antony Blinken ein für diesen Donnerstag in Genf geplantes Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow abgesagt. Blinken betonte, er habe dem Treffen unter der Bedingung zugestimmt, dass Russland nicht in die Ukraine einmarschiere. Da sich Moskau nun für den Beginn einer Invasion und gegen Diplomatie entschieden habe, sei es derzeit nicht sinnvoll, dieses Treffen abzuhalten.

Wirtschaftssanktionen verhängt

US-Präsident Joe Biden hat am Dienstagabend eine „erste Tranche“ neuer Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt. Gleichwohl sieht das Weiße Haus in Moskaus Entscheidung, Truppen in die selbsternannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk zu entsenden, keinen Anlass, um die schärfsten Maßnahmen anzuordnen. Das Weiße Haus spricht aber mittlerweile doch schon von einer „Invasion“. In den von Separatisten kontrollierten Donbass-Gebieten „haben die Russen seit acht Jahren eine militärische Präsenz, das ist nicht neu“, sagte ein ranghoher Sicherheitsberater, der nicht namentlich zitiert werden wollte. „Für sich genommen rechtfertigt dieser Schritt noch keine allzu umfangreichen Sanktionen.“

Folglich hatte sich Biden zunächst darauf beschränkt, gezielte Sanktionen gegen die Separatistengebiete bekanntzugeben. Der Präsident unterschrieb ein Dekret, das US-Firmen und Privatbürgern den Handel, neue Investitionen und finanzielle Beziehungen mit den Regionen verbietet. In einer Rede am Dienstagabend kündigte er dann Schritte gegen zwei russische Großbanken an, die ab sofort keine Transaktionen mehr mit US-Finanzinstituten abwickeln können. Damit wäre deren Fähigkeit, Geschäfte in US-Dollar zu tätigen, erheblich eingeschränkt. Auch will Biden den Handel mit russischen Staatsanleihen blockieren. Am Mittwoch werde er weitere Sanktionen gegen russische Oligarchen verhängen, sagte der Präsident.

Die EU-Staaten stimmten am Dienstag derweil bereits einem Sanktionspaket gegen Russland zu. Die EU-Außenminister einigten sich bei einem Sondertreffen in Paris auf einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission und des Auswärtigen Dienstes. Die Maßnahmen sollen noch in dieser Woche in Kraft treten.

Finanzierung erschweren

Das Paket umfasst ein Handelsverbot für russische Staatsanleihen, um eine Refinanzierung des russischen Staates zu erschweren. Zudem sollen mehrere Hundert Personen und Unternehmen auf die EU-Sanktionsliste kommen – darunter rund 350 Abgeordnete des russischen Parlaments, die für die Anerkennung der „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk im Donbass gestimmt hatten, aber auch Banken, die in der Ostukraine Geschäfte machen. Auch sollen die Freihandelsregelungen der EU mit der Ukraine nicht mehr für die Gebiete in der Ostukraine gelten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte am Dienstagabend die Einigung: „Wir wollen es dem Kreml so schwer wie möglich machen, seine aggressive Politik zu finanzieren“, betonte sie.

Das Weiße Haus hält sich derweil in Bezug auf den Zeitplan für weitere Schritte vorerst bedeckt. „Vorgeschwebt hatte uns schon immer, im Verlauf der Zeit eine Serie von Sanktionen zu verhängen, die sich auf das stützen, was Russland tatsächlich unternimmt und nicht lediglich das, was gesagt wird“, sagte Jon Finer, der stellvertretende Sicherheitsberater des Präsidenten.

Sollte es sich bei Präsident Wladimir Putins Entsendung sogenannter „Friedenstruppen“ nur um einen Startschuss gehandelt haben, wie US-Sicherheitsexperten überzeugt sind, dann würde das US-Finanzministerium russische Großbanken Unternehmen und bestimme Privatbürger auf eine „Specially Designated Nationals“ (SDN) Liste setzen. Diesen würde der Zugang zum US-Bankensystem versperrt sein, was die Abwicklung vieler grenzübergreifender Transaktionen unmöglich machen könnte. Zudem würden Bankguthaben eingefroren werden. Auch dürften US-Unternehmen zu Firmen und Personen auf der SDN-Liste keine Handelsbeziehungen unterhalten. Darüber hinaus hat die US-Regierung asiatische Partnerländer gebeten, sich an Ausfuhrbeschränkungen nach Russland zu beteiligen, insbesondere für Halbleiter und andere Tech-Produkte. Regierungskreisen zufolge würden die schärfsten Maßnahmen spätestens dann greifen, wenn russische Truppen tiefer in die Ukraine eindringen.

Russland hat vorgesorgt

Russland hat sich auf mögliche Sanktionen längst eingestellt. Seit dem Schock der ersten Sanktionen 2014, von denen es überrascht worden war, hat Moskau immerhin so weit vorgesorgt, dass es die Auslandsverschuldung trotz Coronapandemie unter 20% des Bruttoinlandprodukts (BIP) gehalten hat. Der staatliche Wohlfahrtsfonds hat als Finanzpolster infolge einer disziplinierten Haushaltsführung beinahe 200 Mrd. Dollar erreicht. Die internationalen Gold- und Währungsreserven liegen auf dem Rekordhoch von knapp 640  Mrd. Dollar.

Im Wissen darum, dass der Westen auch jetzt mit Sanktionen reagieren würde, gab man sich am Dienstag in ersten Reaktionen in Moskau demonstrativ gelassen. Bezeichnenderweise hatte  Premierminister Michail Mischustin schon auf der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates  am Montag darauf hingewiesen, dass man sich „schon seit vielen Monaten auf eine mögliche Reaktion des Westens“ auf eine Anerkennung der ukrainischen Teilrepubliken Donezk und Luhansk als eigenständige Staaten vorbereite. „Ich meine in erster Linie eine Importsubstitution und eine Analyse aller Risiken, mit denen wir konfrontiert sein könnten.“ Ob damit ein  gezieltes Importembargo auf westliche Produkte einhergehen könnte wie 2014 auf Agrarprodukte, blieb am Dienstag unklar.