Großbritannien

Johnson nimmt Schatzkanzler ins Visier

Boris Johnson hat seinen Schatzkanzler aufs Korn genommen. Rishi Sunak hatte in einem Brief, der ans Licht der Öffentlichkeit kam, unter anderem die Lockerung der Reisebeschränkungen gefordert.

Johnson nimmt Schatzkanzler ins Visier

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Die Spindoktoren der britischen Regierung haben ihr Möglichstes getan, Berichte über eskalierende Spannungen zwischen den Bewohnern von 10 Downing Street (Boris Johnson) und dem Haus mit der Nummer 11 (Rishi Sunak) herunterzuspielen. Wie die „Sunday Times“ berichtete, brachte Johnson eine Degradierung Sunaks zum Gesundheitsminister ins Spiel, nachdem er sich vor Mitarbeitern darüber aufgeregt hatte, dass ein Schreiben Sunaks an ihn den Weg in die Presse gefunden hatte. Sunak hatte darin eine Lockerung der Reisebeschränkungen gefordert, die der britischen Wirtschaft schaden. Johnson war der Brief des Schatzkanzlers dem Blatt zufolge nicht bekannt. Offenbar hatte ihn keiner der Mitarbeiter in Johnsons Posteingang gelegt. „Ich habe darüber nachgedacht“, wird Johnson von der Sonntagszeitung zitiert. „Vielleicht ist es Zeit, dass wir uns Rishi als nächsten Gesundheitsminister vorstellen. Er könnte dort potenziell sehr gute Arbeit leisten.“ Ge­sundheitsminister ist mit Abstand das unbeliebteste Amt im Kabinett. Es wird derzeit von Sajid Javid wahrgenommen, der sein Amt als Schatzkanzler niedergelegt hatte, weil er sich nicht von Johnsons ehemaligem Chefstrategen Dominic Cummings hineinregieren lassen wollte. Allerdings wird Außenhandelsministerin Liz Truss als Favoritin für Sunaks Amt gehandelt. Streit zwischen Premier und Schatzkanzler ist in Großbritannien nichts Ungewöhnliches. Nur David Cameron und George Osborne pflegten ein enges und vertrauensvolles Verhältnis. Tony Blair und Gordon Brown hatten nicht viel füreinander übrig. Und zwischen Theresa May und Philip Hammond herrschte Unterkühlung.

Johnson dürfte ärgern, dass Sunak unter Parteimitgliedern wesentlich populärer ist als er. Einer Umfrage der Website Conservative Home zufolge kommen nur drei Mitglieder auf niedrigere Werte: Wohnungsbauminister Robert Jenrick, die Parteivorsitzende Amanda Milling und Bildungsminister Gavin Williamson. Sunak hat bislang jedoch keine Ambitionen auf das Amt des Premiers erkennen lassen. Er stößt sich jedoch zunehmend an Johnsons Spendierfreudigkeit, etwa wenn es um den Infrastrukturausbau geht. Sollte er Sunak absetzen, unterschreibe Johnson damit sein politisches „Todesurteil“, warnte ein namentlich nicht genannter Verbündeter des Schatzkanzlers im „Telegraph“. Zu Sunaks Förderern gehört der ehemalige Außenminister William Hague. Sunak ist Vater zweier Töchter, studierte Philosophie, Politik und Wirtschaft in Oxford und schob mit Hilfe eines Fulbright-Stipendiums einen MBA an der Stanford University nach. In Kalifornien begegnete er seiner Frau Akshata. Sie ist die Tochter von Nagavara Ramarao Narayana Murthy, Mitgründer des IT-Dienstleisters Infosys. Vor seiner Politikkarriere arbeitete Sunak für Goldman Sachs. 2015 wurde er für den Wahlkreis Richmond (Yorkshire) ins Unterhaus gewählt.

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