Luftfahrt

Qantas-Chef Alan Joyce unter Druck

Während das Flug-Chaos in Europa bisher keinen der Airline-CEOs anficht, muss ein Mann am anderen Ende der Welt nun um seinen Job fürchten – der Chef der aus­tralischen Fluggesellschaft Qantas, Alan Joyce.

Qantas-Chef Alan Joyce unter Druck

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Viele Fluggesellschaften weltweit hatten in diesem Sommer mit Problemen zu kämpfen. Flüge mussten gestrichen werden, Gepäck war unauffindbar, und an den Flughäfen erreichten Warteschlangen Rekordlänge. Doch während das Chaos in Europa bisher keinen der Airline-CEOs anficht, muss ein Mann am anderen Ende der Welt nun um seinen Job fürchten – der Chef der aus­tralischen Fluggesellschaft Qantas, Alan Joyce. Sein rigides Kostenmanagement der vergangenen Jahre habe das Unternehmen in die Krise gestürzt, so der Vorwurf.

Joyce habe während der Pandemie zu viele Mitarbeiter entlassen, so dass die Fluglinie den jetzt stark anziehenden Verkehr nicht bewältigen kann. Ähnliche Vorwürfe gibt es auch gegenüber den europäischen Airlines, doch Rücktrittsforderungen etwa gegen Lufthansa-Chef Carsten Spohr gab es zu keinem Zeitpunkt.

Aus den Zeiten der Beatles

Indes ist der gebürtige Ire Joyce, der die Fluggesellschaft seit 2008 führt, schon vor der Pandemie zuweilen mit seinem Verhalten angeeckt. Im Jahr 2011 etwa stoppte der Manager von heute auf morgen den kompletten Flugbetrieb, um einen Gewerkschaftskonflikt zu lösen. 70 000 Menschen saßen überall auf der Welt fest und waren entsprechend nicht gut auf Joyce und seine Firma zu sprechen. 2015 entschied der Qantas-CEO, rund ein Drittel der eigenen Aktien zurückzukaufen. Das Geld (insgesamt 2,8 Mrd. austral. Dollar wurden zwischen 2015 und 2019 für den Rückkauf ausgegeben) wäre besser in neue Flugzeuge und mehr Personal investiert worden, lautete damals die Kritik. Denn ein Großteil der Flotte stamme aus den Jahren, als die Beatles noch auftraten, wurde in Sydney gehöhnt.

Galt die Fluglinie mit dem Känguru jahrelang als australische Ikone, gibt es mittlerweile mehr als ein paar Schrammen am einst makellosen Image. Die „Australian Financial Review“ berichtete beispielsweise kürzlich über den Linkedin-Post eines australischen Managers, in dem dieser sehr überzeugend erklärte, warum er nicht wieder mit Qantas fliegen werde. Die rund 700 Kommentare dazu gaben ihm weitestgehend recht. „Wenn es eine Alternative gibt, werde ich nie wieder mit Qantas fliegen. Alan Joyce ist für den Niedergang des Serviceniveaus verantwortlich, da er jahrelang übermäßig aggressive Kosteneinsparungen vorgenommen hat“, so einer der Kommentare.

Die Beschwerden summieren sich: Stornierte und verspätete Flüge, Personalmangel und lange Wartezeiten, verlorene Gepäckstücke und IT-Probleme. Der 56-jährige Joyce versuchte, die Passagiere milde zu stimmen – das Unternehmen verteilte im August Gutscheine über 50 austral. Dollar an seine Stammkunden, doch die Aktion ging nach hinten los. Denn als die Kunden die Gutschrift einlösen wollten, funktionierte zunächst weder die App noch die Website des Unternehmens.

Nun mischt sich auch noch die Politik ein, die die rekordhohen Flugpreise bemängelt. Qantas wird nicht explizit genannt, aber der Adressat der Kritik ist bei der dominanten Position des Carriers am Heimatmarkt offensichtlich. Der australische Staat hat die Airline während der Pandemie mit 2 Mrd. austral. Dollar (1,38 Mrd. Euro) unterstützt. „Die Regierung forderte kein Eigenkapital als Gegenleistung für ihre Großzügigkeit, und das Management von Qantas gab auch keine Zusicherungen – nicht in Bezug auf Arbeitsplätze, Routen, Dienstleistungen oder Qualität“, kommentierte der australische „Guardian“. Statt mit dem Geld Arbeitsplätze zu retten, verwendete Qantas es laut „Guardian“ dazu, die Konkurrenz zu „vernichten“. So habe die Firma die Flotte ersetzt, einen potenziellen Konkurrenten aufgekauft und einen anderen Wettbewerber unterboten. Inzwischen ist die Unzufriedenheit sogar so groß, dass sich die Rufe, die Fluglinie wieder zu verstaatlichen, mehren. Das gilt aber, wenn überhaupt, als mittel- oder langfristiges Projekt. Ein Abschied von Alan Joyce könnte dagegen schon kurzfristig passieren.

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