Kartellrecht

US-Wettbewerbshüterin Khan greift durch

Die Vorsitzende der US-Wettbewerbsbehörde, Lina Khan, geht hart gegen wettbewerbsgefährdende Zusammenschlüsse vor. Das bringt ihr selbst von Aufsichtskollegen Kritik ein.

US-Wettbewerbshüterin Khan greift durch

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Lina Khan hat sich viel vorgenommen: Die Vorsitzende der Federal Trade Commission (FTC) arbeitet daran, die Kartellrechtsprechung in den Vereinigten Staaten umzuwälzen. Die erst 33 Jahre alte Juristin steht der US-Wettbewerbsbehörde seit Juni 2021 vor – und ist in ihrer kurzen Amtszeit für Wirtschaftsvertreter schon zu einer kontroversen Figur geworden. Im Haushaltsjahr 2021 stellte die FTC im Zusammenhang mit Zusammenschlüssen oder ähnlichen Transaktionen 42 Untersuchungsschreiben aus und damit fast doppelt so viele wie im Vorjahr.

Khan sieht infolge der Konsolidierung in vielen Branchen eine Schwächung des Wettbewerbs. Um aus ihrer Sicht schädliche Zusammenschlüsse zu blockieren, kann die FTC Klage einreichen – allerdings auch Vergleiche suchen, in denen sie Unternehmen zur Beseitigung negativer Effekte eines Deals verpflichtet.

Unter Khan sind die Bedingungen im Rahmen dieser Vergleiche restriktiver geworden. So kündigte die FTC im vergangenen Oktober an, dass fusionierte Unternehmen ohne Zu­stimmung der Behörde keine weiteren Deals mehr eingehen dürfen. Diese Vorgabe hatte die Wettbewerbskommission ursprünglich vor über 20 Jahren abgeschafft, nun gilt sie sogar unterhalb einer Dealgröße von 101 Mill. Dollar, die zuvor die Schwelle für Meldungen an die FTC darstellte. Zudem gibt die Behörde keine Versicherungen mehr darüber ab, dass bestimmte Zusammenschlüsse nicht untersucht werden.

Erst im Jahr 2020 eingeführte Richtlinien für vertikale Merger, bei denen ein großes Unternehmen einen Zulieferer übernimmt, zog Khan bereits kurz nach ihrem Amtsantritt zurück. Gemäß den Regeln sollte die FTC bei der Untersuchung von Zusammenschlüssen berücksichtigen, ob diese zu geringeren Produktionskosten und damit zu niedrigeren Verbraucherpreisen führen könnten. Nach Khans Rechtsauslegung sollte aber jeder Deal, unter dem der Wettbewerb signifikant leidet, verboten werden – ungeachtet etwaiger Effizienzgewinne.

So klagte die FTC gegen die Übernahme des Chipdesigners Arm durch Nvidia und den Kauf des Raketentriebwerksherstellers Aerojet Rocket­dyne durch Lockheed Martin, beide Konzerne bliesen die Deals ab. Ende Juli vermeldete die FTC zudem, Meta Platforms von der Übernahme des Virtual-Reality-Anbieters Within Unlimited abhalten zu wollen – das angebliche Social-Media-Monopol der Facebook-Mutter ist der Behörde ohnehin ein Dorn im Auge.

Bei Investmentbankern, Anwälten und selbst einigen von Khans FTC-Kollegen ruft das Vorgehen der Wettbewerbsaufsicht unter der Führung der Demokratin Kritik hervor. Deals verzögerten sich und würden teurer, was Unsicherheit schaffe, beschwerte sich Christine Wilson, eins von zwei republikanischen Mitgliedern der fünfköpfigen FTC-Kommission. Der Tech-Riese Amazon wirft Khan indes Befangenheit vor. Denn die Juristin erlangte bereits zu Studienzeiten mit einem Aufsatz zu kartellrechtlichen Problemen um den E-Commerce-Konzern Bekanntheit.

Andere Kritiker werfen ein, dass Khan bisher lediglich als Rechtsprofessorin aktiv gewesen sei und selbst noch kein Kartellverfahren verhandelt habe. Dennoch hat sich die in Großbritannien geborene Juristin an der Wall Street Respekt verschafft. Investoren zweifeln nun daran, ob einige der größten geplanten Deals des Jahres ihre Zustimmung finden.

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