Klimawandel

CO2-Grenzausgleich bringt höhere Rohstoffkosten

Der Vorschlag der EU-Kommission für einen CO2-Grenzausgleich wurde im März 2022 vom Rat gebilligt – wenn auch mit wesentlichen Vorbehalten. Dabei bestehen Zweifel an der Rechtskonformität.

CO2-Grenzausgleich bringt höhere Rohstoffkosten

Von Holger Hofmann und

Carsten Bormann*)

Bereits im Juli 2021 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für einen CO2-Grenzausgleich veröffentlicht, den sogenannten Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM. Der CBAM soll wesentlich dazu beitragen, bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Durch ihn sollen insbesondere die CO2-Emissionen des Grundstoffsektors gesenkt werden.

Doch der CBAM ist auch ein handelspolitisches Instrument: Zum einen gibt es wirtschaftsvölkerrechtliche Bedenken zur Zulässigkeit, zum anderen dürfte er den europäischen Außenhandel in erheblicher Weise belasten. Produzierende Unternehmen, die insbesondere auf Stahl, Zement, Kunststoff, Ammoniak und Aluminium angewiesen sind, müssen sich deshalb rechtzeitig auf die Einführung des CBAM vorbereiten.

Zentraler Baustein

Um Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, müssen CO2-Emissionen erheblich reduziert werden. Das soll vor allem durch die Bepreisung von CO2-Emissionen passieren. Über ein novelliertes Emissionshandelssystem sollen Treibhausgasemissionen insbesondere energieintensiver An­lagen reduziert werden: Anlagenbetreiber erhalten dazu sogenannte Zertifikate, also Emissionsberechtigungen, die eine Gesamtmenge an zulässigen CO2-Emissionen be­stimmt. Unternehmen müssen ihre Zertifikate dann in dem Umfang abgeben, wie sie CO2 mit ihren Anlagen emittieren. Nicht genutzte Zertifikate können von Anlagenbetreibern über das Emissionshandelssystem verkauft werden.

Die Bepreisung von CO2-Emissionen kann dazu führen, dass unionsansässige Unternehmen ihre emissionsintensive Produktion in Drittstaaten verlagern, in denen es keine solchen Maßnahmen gibt, man spricht vom sogenannten Carbon Leakage. Der CO2-Ausstoß würde dann lediglich räumlich verlagert, nicht reduziert. Um das zu verhindern, hat die EU bislang kostenlose Zertifikate an emissionsintensive Produzenten verteilt.

Damit genügend Emissionen eingespart werden, mussten bislang vor allem die nicht geförderten, weniger energieintensiven Anlagen Emissionen einsparen. Doch Einigkeit besteht, dass vor allem die emissionsintensiven Anlagen Emissionen einsparen müssen. Die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten soll daher ab 2026 schrittweise auslaufen.

Durch das Ende der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten und er­heblich gestiegene Handelspreise an der Energiebörse kommt es zu einem massiven Anstieg der Produktionskosten in der emissionsintensiven In­dustrie.

Um auch hier Verlagerungseffekte zu verhindern, sollen künftig Im­porte bestimmter Güter aus CO2-intensiver Produktion am EU-Emissionshandelssystem beteiligt werden. Heißt: Werden Waren mit besonders hohem CO2-Verlagerungsrisiko importiert, wie Aluminium, Eisen und Stahl, Zement und Düngemittel, müssen Importeure hierfür CBAM-Zertifikate erwerben. Diese orientieren sich am wöchentlichen Durchschnittspreis der Zertifikate im Emissionshandelssystem.

Frage der WTO-Konformität

Aus rechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob die Beschränkung von Importen aus Drittstaaten mit den welthandelsrechtlichen Grundsätzen der Meistbegünstigung und der Inländergleichbehandlung vereinbar ist. Kritiker des CBAM argumentieren, dass ein Importprodukt nicht mit höheren Kosten belastet werden darf als ein vergleichbares in der EU produziertes Produkt. Produkte aus WTO-Staaten dürfen unabhängig von einer CO2-Bepreisung durch die EU nicht unterschiedlich behandelt werden. Ob und wie die EU-Kommission diese erheblichen Einwände aufgreifen wird, bleibt im Zuge des weiteren Rechtssetzungsverfahrens ab­zuwarten.

Wettbewerbsfaktor

Die energieintensive Industrie ist dem CBAM gegenüber überwiegend kritisch eingestellt. So fehlen nach jetzigem Stand Entlastungen für Exporte bei gleichzeitigem Auslaufen der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten. Nach Auffassung der Indus­trie werde der Verlagerungsproblematik nur unzureichend Rechnung getragen: Unionsansässige Hersteller emissionsintensiver Grundstoffe würden zwar vor Importen aus Ländern mit weniger hohen CO2-Preisen geschützt, da sie mit den in der EU produzierten Produkten gleichgestellt werden.

Allerdings wäre es kaum noch wirtschaftlich, emissionsintensive Grundstoffe aus der Union zu exportieren, denn die Herstellungskosten wären im internationalen Vergleich ohne kostenlose Zuteilung von Zertifikaten nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Gefahr der Produktionsverlagerung ins Ausland bliebe be­stehen.

Auch bemängelt die Industrie, dass völlig unklar sei, wie der CO2-Grenzausgleich­ für ein Produkt berechnet wird und wie mit Produktionsketten umzugehen ist, bei denen Vorprodukte in verschiedenen Ländern hergestellt werden.

*) Holger Hofmann ist Partner, Dr. Carsten Bormann ist Associate der Kanzlei Oppenhoff.