Zinserhöhungen

Die EZB hat noch viel Arbeit

Die EZB strafft ihre Geldpolitik. Das ist angesichts der Inflationsgefahren absolut richtig. Statt Kritik braucht sie Hilfe der Politik.

Die EZB hat noch viel Arbeit

Eine weitere XL-Zinserhöhung, erste Signale für einen Abbau der aufgeblähten Bilanz, eine härtere Gangart gegenüber den Banken: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag weitere klare Signale in Sa­chen Inflationsbekämpfung ge­setzt. Zugleich schüren aber Aussagen von EZB-Chefin Christine Lagarde Spekulationen, dass die EZB wegen der Konjunkturschwäche bereits kalte Füße bekommt und bald mit der geldpolitischen Straffung aufhören könnte. Das wäre ein fataler Fehler – die Arbeit der EZB ist noch längst nicht erledigt.

Ja, es stimmt, der Eurozone droht zu­nehmend eine Re­zession und wo­möglich steckt sie be­reits drin. Und ja, die EZB kann kein Interesse da­ran haben, den Abschwung derart zu verschärfen, dass mittelfristig Disinflations- oder sogar Deflationsrisiken entstehen. Und richtig ist auch, dass die EZB ge­gen große Teile der aktuellen In­flation machtlos ist, weil diese global bestimmt sind. Aber nein, die EZB kann und darf sich nicht darauf verlassen, dass eine Rezession ihr die Arbeit ab­nimmt und die Inflation schnell senkt. Und nein, mit weiter extrem negativen Realzinsen ist die Geldpolitik wohl alles andere als ein Konjunkturkiller. Und weil die Inflation eben doch zunehmend auch nachfrage­getrieben ist, muss die EZB mindestens aufhören, die Nachfrage zu stimulieren. Deshalb sind nach aktuellem Stand weitere Zinserhöhungen nötig – auch als klare Signale gegen eine weitere Entankerung der Inflationserwartungen.

Angesichts der beispiellosen Zinserhöhungen seit Juli und der Hoffnung, dass der Höhepunkt der Inflation allmählich erreicht ist, muss es künftig nicht zwangsläufig im gleichen Tempo weitergehen. Das gilt umso mehr, wenn die EZB beginnt, ihre Bilanz abzubauen und so diesen Stimulus zurückzufahren. In einem ersten Schritt kappt sie da nun die risikofreien Zinsgewinne, die die Banken dank vergangener EZB-Hilfen (TLTROs) und der rapiden Zinswende erwirtschaften. Das ist absolut richtig, auch wenn es wohl bessere Optionen gegeben hätte als das nachträgliche Schrauben an den TLTRO-Konditionen. Das Vorgehen birgt Rechtsrisiken und Gefahren für die EZB-Glaubwürdigkeit.

Dass die EZB nun in eine Rezession hinein derart die Geldpolitik straffen muss, ist auch der Preis dafür, dass sie das Inflationsproblem viel zu lange unterschätzt und sogar kleingeredet hat. Folglich ist es auch gar keine Alternative, nötige Schritte jetzt zu unterlassen. Das würde in der Zukunft nur umso drastischere Gegenmaßnahmen erfordern.

Das macht auch die EZB-Kritik von einigen Euro-Staatenlenkern so irrsinnig. Natürlich bremst der EZB-Kurs die Wirtschaft. Aber das viel größere Problem für Haushalte und Unternehmen ist derzeit die viel zu hohe Inflation. Diese weiter aus dem Ruder laufen zu lassen, würde Wachstum und Wohlstand in der Währungsunion si­cher nicht fördern.

Statt die EZB dafür zu schelten, dass sie ihre Arbeit erledigt, sollten die Staatenlenker lieber ihre Hausaufgaben machen. Dazu gehört vor allem, alles zu tun, um die Energiekrise zu überwinden. Noch viel wichtiger als Preisdeckel für Gas und Strom ist es da, das Angebot an Energie so stark hochzufahren wie nur irgend möglich. Ideologische Blockaden wie in Deutschland gegen Atomstrom sind da absolut kontraproduktiv. Auch Europas Politik hat fraglos noch jede Menge Arbeit vor sich.