Geldpolitik

EZB kündigt Zinswende für Juli an – Euro-Staatsanleihen brechen ein

Die Europäische Zentralbank (EZB) geht nun nach langem Zögern die geldpolitische Wende an: Zum 1. Juli sollen die billionenschweren Nettoanleihekäufe enden, der Leitzins im Juli und September erhöht werden.

EZB kündigt Zinswende für Juli an – Euro-Staatsanleihen brechen ein

ms/rec/ck Amsterdam/Frankfurt

Angesichts der rekordhohen Inflation im Euroraum geht die Europäische Zentralbank (EZB) nun nach langem Zögern die geldpolitische Wende an. Der EZB-Rat beschloss am Donnerstag bei seiner turnusgemäß auswärtigen Sitzung in Amsterdam, die billionenschweren Nettoanleihekäufe zum 1. Juli zu beenden, und er kündigte für die Sitzungen im Juli und September Zinserhöhungen an – die ersten seit dann elf Jahren. Die Ankündigungen lösten an den europäischen Staatsanleihenmärkten einen Kurseinbruch aus, der vor allem die Peripherieländer traf.

Mit dem Ende der Anleihekäufe und der avisierten Zinswende besiegelt die EZB eine in ihrer Geschichte wohl beispiellose Kehrtwende. Viel länger als andere Zentralbanken hatte sie an dem Narrativ festgehalten, dass die hohe Inflation nur vorübergehend sei, und ein starkes geldpolitisches Gegensteuern abgelehnt. Das sorgte vor allem in Deutschland für viel Kritik. Allen voran die US-Notenbank strafft ihre Politik bereits stark.

Nun räumte die EZB ein, „dass die Inflation einige Zeit unerwünscht hoch bleiben wird“. Laut den neuen Projektionen der Volkswirte des Eurosystems wird die Teuerung 2022 bei 6,8% und 2023 bei 3,5% liegen. Die EZB strebt mittelfristig 2% an. Vor dem Hintergrund beschloss der EZB-Rat „weitere Schritte zur Normalisierung seiner Geldpolitik“.

Konkret soll das Anleihekaufprogramm APP zum 1. Juli enden. Derzeit belaufen sich die APP-Papiere in der EZB-Bilanz auf rund 3,2 Bill. Euro. Bereits im März hatte der Rat die Nettokäufe im Zuge des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP gestoppt. Der Bestand beläuft sich da auf aktuell 1,7 Bill. Euro.

Darüber hinaus kündigte der Rat an, bei der nächsten Sitzung im Juli die Leitzinsen um 25 Basispunkte zu erhöhen. Der Hauptrefinanzierungszins liegt derzeit bei 0%, der Einlagenzins bei −0,5%. Zuletzt hatten einige Notenbanker für eine erste Zinsanhebung um 50 Punkte plädiert. Im September soll eine weitere Zinserhöhung folgen. Dann könnten es gleich 50 Punkte werden, wie die EZB avisierte. Der EZB-Rat geht zudem davon aus, „dass es nach September angemessen sein wird, die Leitzinsen schrittweise, aber nachhaltig weiter anzuheben“. Lagarde sagte zur Normalisierung: „Wir befinden uns auf einer Reise. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dieser Reise.“

Sie bekräftigte die Entschlossenheit der EZB, ein unerwünschtes Auseinanderlaufen der Renditen für Staatsanleihen Im Euroraum zu vermeiden. Notfalls würden dazu bestehende Instrumente angepasst oder neue aufgelegt. Sie kündigte aber keine neuen Maßnahmen an – was einige Beobachter enttäuschte.

Nach den EZB-Ankündigungen zog die laufende Verzinsung der zehnjährigen italienischen Staatsanleihen in der Spitze um 26 Basispunkte an und lag am frühen Abend 22 Stellen über dem letzten Stand des Vortags bei 3,68%. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe nahm mit einem Achtjahreshoch von 1,47% die 1,50-Prozent-Marke ins Visier und lag zuletzt 8 Stellen über Vortagesniveau bei 1,43%. Der Euro gab um 0,6% auf 1,0657 Dollar nach.

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