Deutsche Konjunktur

Wirtschaftsforscher warnen vor Abwärtsspirale

Im Gegensatz zu den anderen europäischen Ländern schrumpft die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr, und wird erst 2024 langsam wieder Fahrt aufnehmen. Das DIW warnt vor einer Abwärtsspirale und zeigt sich enttäuscht von der Ampelregierung.

Wirtschaftsforscher warnen vor Abwärtsspirale

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält Warnungen vor einem Abstieg Deutschlands ungeachtet der aktuellen Konjunkturschwäche für übertrieben. "Nein, Deutschland ist nicht der kranke Mann Europas", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher am Freitag bei der Vorstellung der neuen Prognosen seines Hauses. "Er könnte es werden, wenn jetzt wichtige Reformen nicht gemacht werden." Mit einem klugen Transformationsprogramm ließen sich sowohl Angebot als auch Nachfrage stärken - etwa indem die Politik Bürokratie und Regulierung abbaue, in Infrastruktur, Bildung und Forschung investiere und auf sozialen Ausgleich achte. Die Stimmung sei derzeit deutlich schlechter als die Realität. Politik und Unternehmen müssten aufpassen, "dass sich wirtschaftliche Sorgen und Ängste nicht weiter hochschaukeln und zu einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale führen", sagte Fratzscher.

Das DIW schloss sich anderen führenden Instituten an und gab einen pessimistischeren Ausblick ab als noch im Frühsommer. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte 2023 in Deutschland mit 0,4% doppelt so stark schrumpfen wie bislang vorhergesagt, heißt es in der Herbstprognose. Für 2024 und 2025 sei dann ein Wachstum von jeweils 1,2% zu erwarten. "Die exportorientierte deutsche Wirtschaft kommt trotz anziehender Weltwirtschaft nur langsam in Fahrt", sagte DIW-Experte Timm Bönke. Die Berliner Forscher blicken damit ähnlich auf die Konjunktur wie das Kieler IfW, das Münchner Ifo-Institut, das Essener RWI und das IWH aus Halle. Gemeinsam veröffentlichen sie in den kommenden Wochen ihre Konjunkturprognose für die Bundesregierung.

Ifo, RWI und IWH erwarten "Abschwung"

Wie das Ifo-Institut am Donnerstag mitteilte, rechnet es für dieses Jahr ebenfalls mit einem Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung um 0,4%. Auch das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sieht "Deutschland weiter im Abschwung" und rechnet mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,5%. Das RWI-Institut in Essen hatte seine Prognose noch stärker gesenkt auf minus 0,6%. Alle drei Institute rechnen mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahl auf 2,6 Millionen und einer Inflation von 6,0%.

China bremst

Hauptgründe für die gesenkte Erwartung im laufenden Jahr sind laut DIW ein überraschend schwaches zweites Quartal sowie ein schleppender Konsum der privaten Haushalte und schwächelnde Exporte. Vor allem die Flaute beim wichtigsten Handelspartner China bremse die Erholung hierzulande ab. Auch deswegen werde die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr als einzige große Industrienation leicht schrumpfen.

Zudem leiste die Finanzpolitik der Bundesregierung "keinen positiven Beitrag zur wirtschaftlichen Dynamik", sagte DIW-Chef Fratzscher. Die Einhaltung der Schuldenbremse auch im kommenden Jahr sei in Krisenzeiten nicht zu rechtfertigen und verhindere wichtige Zukunftsinvestitionen. "Daher sollte die Bundesregierung diese Priorität überdenken und verändern", hieß es.

Auch die Inflation dürfte mit einem Jahresdurchschnitt von 6,1% weiterhin hartnäckig bleiben. Erst Ende 2024 werde die Teuerung sich dann wieder dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent annähern.

Dennoch rechnet das DIW mit einer Wiederbelebung der Konjunktur ab diesem Herbst. "Stärker ausfallende Lohn- und Gehaltszuwächse dürften die Kaufbereitschaft der Haushalte merklich verbessern und der Startschuss für den Erholungskurs der deutschen Wirtschaft sein", sagte DIW-Expertin Geraldine Dany-Knedlik. Für das dritte und vierte Quartal werde ein Wachstum von 0,1 und 0,2% prognostiziert.

Die Weltwirtschaft entwickelt sich dem DIW zufolge deutlich dynamischer als die deutsche. Sowohl für dieses als auch für das kommende Jahr rechnen die Fachleute mit einem Wachstum von jeweils 3,9%.

Beiträge zu den anderen Konjunkturprognosen