Internet-Gigant

Bei Tencent geht das Wachstum flöten

Chinas Online-Riese verliert im Würgegriff der völlig undurchsichtig agierenden staatlichen Regulierer an Dynamik und muss auf das internationale Geschäft setzen.

Bei Tencent geht das Wachstum flöten

nh Shanghai

Chinas führender Internetkonzern Tencent Holdings erlebt zum ersten Mal in seiner Unternehmensgeschichte einen fühlbaren Rückgang der Konzernumsätze in einem Quartal. Gleichzeitig fallen die Gewinne des vor allem als Social-Media-Betreiber und Onlinespiele-Anbieter (Gaming) bekannten Technologiekonzerns unerwartet kräftig um mehr als die Hälfte zurück.

Im Quartal zum 30. Juni sanken die Konzernerlöse um 3 % auf 134 Mrd. Yuan (19,4 Mrd. Euro) und damit etwas stärker als von den Analysten prognostiziert. Ertragsseitig wurden die Erwartungen mit einem Rückgang der Gewinne um 55 % auf 19,2 Mrd. Yuan ebenfalls verfehlt. Dabei spielen aber vor allem negative Entwicklungen im groß angelegten Beteiligungsportefeuille von Tencent eine Rolle. Der entsprechend bereinigte Nettogewinn fiel um 18 % auf 29 Mrd. Yuan zurück, lag damit aber deutlich über dem Analystenschätzwert bei 25 Mrd. Yuan. Mit dem Wachstumsrückgang verbindet sich ein für chinesische Tech-Firmen bislang ungewohnter Kostensenkungsdruck, der auch Beschäftigungswirkung zeitigt.

Tencent verzeichnet erstmals seit acht Jahren wieder einen Personalrückgang. Im von chinesischen Corona-Restriktionen stark geprägten Juni-Quartal wurden rund 5 000 Arbeitsplätze abgebaut. Damit verringert sich die Personaldecke um knapp 5 % auf etwa 110 700 Mitarbeiter. Beim großen Tencent-Rivalen Alibaba, der im Juni-Quartal über ein Nullwachstum nicht hinauskam, waren zuletzt sogar 9 000 Stellen gestrichen worden.

Die laufende Durststrecke des nach Börsenkapitalisierung wertvollsten chinesischen Unternehmens liegt zum einen im stark eingetrübten chinesischen Konjunktur- und Konsumklima begründet, das die von Tencents Social-Media-Plattformen generierten Werbeeinnahmen stark reduziert. Im Juni-Quartal sind sie um 18 % gegenüber der Vorjahresperiode geschrumpft. Auch die in den vergangenen Jahren für kräftige Wachstumsdynamik sorgende Sparte für Cloud-Dienste sowie das Fintech-Geschäft mit dem Online-Zahlungssystem Wechat Pay und den ihm angegliederten Online-Finanzdiensten laufen auf niedrigeren Umdrehungen. Zum anderen spürt Tencent immer neue Beeinträchtigungen durch die vor fast zwei Jahren losgetretene Regulierungskampagne der Pekinger Regierung im Tech-Sektor.

Tencent wird vor allem in ihrem eigentlichen Kerngeschäft mit On­linespielen hart getroffen, weil sich der Internetregulator seit über einem Jahr weigert, für die von Tencent neu entwickelten Gaming-Angebote eine Lizenzfreigabe zu erteilen. Die nach völlig undurchsichtigen Prinzipien vorgehende Behörde hatte im Sommer vergangenen Jahres zunächst drastische Beschränkungen für den Zugang von Jugendlichen zu Onlinespielen erlassen und dann ein Moratorium für die Zulassung neuer Onlinespiele verhängt.

Im Würgegriff

Seit April lässt der Internetwächter zwar stoßweise wieder Dutzende neuer Spieltitel zu, berücksichtigt dabei aber nur kleinere Anbieter und lässt die Marktführer Tencent und Netease weiter schmoren. Für Tencent, die als weltgrößter Spieleanbieter auch im globalen Markt breit vertreten ist, heißt dies, dass das heimische Gaming-Geschäft zunehmend an Umdrehungen verliert und die Sparte auf die Dynamik im internationalen Geschäft angewiesen ist.

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