Energiekrise

Bund will Übergewinne für Strompreis­bremse abkassieren

Laut Planung des Bundeswirtschaftsministeriums sollen die „Zufallsgewinne“ der Kraftwerksbetreiber die Strompreisbremse zur Entlastung von Verbrauchern und Unternehmen finanzieren. Doch Fachleute warnen: Die Netzbetreiber werden vollständig mit der Abrechnung möglicher Übergewinne überfordert sein.

Bund will Übergewinne für Strompreis­bremse abkassieren

cru Frankfurt

Zur Entlastung von Haushalten und Unternehmen treibt die Bundesregierung ergänzend zur Gaspreisbremse auch die Pläne für eine Strompreisbremse voran. Der Kernpunkt des Vorhabens: „Die er­forderlichen Finanzmittel werden durch Abschöpfen von Zufallsgewinnen generiert“, heißt es in einem Papier des Bundeswirtschaftsministeriums, das der Börsen-Zeitung vorliegt. Vorteile dieses Vorgehens seien, dass keine Eingriffe in den Strommarkt, die Preisbildung und den grenzüberschreitenden Handel vorgenommen würden. Ergänzend zur Gaspreisbremse soll die Strompreisbremse am 18. November ins Kabinett gehen.

Abgeschöpft werden sollen die „Zufallsgewinne“ vor allem von Ökostromerzeugern, Kernkraftwerksbetreibern und Braunkohlekraftwerksbetreibern wie RWE. Dort sind die Gewinne am höchsten. Abgeschöpft werden sollen 90 % der Übergewinne oberhalb der Erzeugungskosten zu­züglich der Kapitalkosten und einer „Sicherheitsmarge“, die das Vorhaben verfassungsrechtlich weniger an­greifbar machen soll. Die Abgabe würde rückwirkend zum 1. März erhoben und am 30. November 2022 enden. Laut Konzeptpapier würde die vorgeschlagene Abgabe 90 % der „Zufallsgewinne” abschöpfen, die Stromerzeuger auf dem Spotmarkt erzielen. Betroffen wären Firmen, die Strom aus Braunkohle, Kernenergie, Öl, erneuerbaren Energien, Grubengas und Abfall erzeugen. Anlagen, die mit Steinkohle, Erdgas und Biomethan betrieben werden, wären ausgenommen, ebenso Speicher. Die Abschöpfung würde technologieabhängig anhand „spezifischer Erlösobergrenzen” erfolgen, die unterschiedliche Betriebs- und Kapitalkosten berücksichtigen. Während die Abgabe im ersten Schritt auf die Spotmärkte beschränkt wäre, könnten in einer zweiten Phase ab dem 1. Dezember 2022 auch die Terminmärkte einbezogen werden.

Terminmarkt nicht betroffen

In dem Papier heißt es: „Terminvermarktete Erzeugung bleibt ausgenommen.“ Dies betreffe zum Beispiel Stromlieferverträge (Power Purchase Agreements, PPA) zwischen Er­zeugern erneuerbarerer Energien und großen Unternehmen.

Jana Michaelis, Partnerin der re­nommierten Energierechts-Kanzlei Rosin Büdenbender in Essen, überzeugt das vorgelegte Modell zur Deckelung der Gewinne in der Stromerzeugung nicht. „Die Netzbetreiber werden vollständig mit der Abrechnung möglicher Übergewinne überfordert sein“, kritisiert Michaelis. „Ihnen fehlen die Mittel, einen Übergewinn festzustellen.“

Der Vorschlag diene den finanziellen Interessen von internationalen Energiehändlern, die im Vorschlag unberücksichtigt bleiben. Zudem sei die geplante Rückwirkung bis März 2022 juristisch sehr fragwürdig. Mögliche zivilrechtliche Wechselwirkungen aus Lieferverträgen zwischen Marktteilnehmern blieben ebenso unberücksichtigt. „Das Ganze stärkt nicht das Investitionsvertrauen in die Energiewende in Deutschland“, warnt Michaelis. „Die Bundesregierung sollte aus den Fehlern bei der Gasumlage gelernt haben.“

Erzeuger erneuerbarer Energie wie RWE wehren sich gegen die Überlegungen der Bundesregierung zur Strompreisbremse. Der Branchenverband BEE sprach von einem „schweren Vertrauensbruch“ und zum Teil „verfassungswidrigen“ Vorschlägen, die die Ampel-Koalition allerdings bereits in ihrem dritten Entlastungspaket festgelegt und im „Abwehrschirm“ bekräftigt hatte.

Die EU-Staaten hätten mittlerweile auch eine EU-Verordnung zur Ab­schöpfung übermäßiger Zufallsgewinne auf dem Strommarkt verabschiedet, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium. Diese sehe auch die Abschöpfung solcher Gewinne bei Erzeugern anderer (nicht erneuerbarer) Energieformen vor.

EU-Plan wird umgesetzt

Die Bundesregierung arbeite mit Hochdruck an der nationalen Umsetzung der Verordnung, also der Strompreisbremse, hieß es. „Die Ideen für die deutsche Strompreisbremse sehen vor, dass den Verbrauchern ein vergünstigtes Basiskontingent zur Verfügung gestellt wird. Für den übrigen Verbrauch fällt der normale Strompreis an.“ Dies erlaube, den Strompreis vom derzeit preisbildenden Gaspreis teilweise zu entkoppeln, biete aber weiter Sparanreize. Es sei „eine technologiespezifische Abschöpfung von Zufallsgewinnen“ geplant. „Diese Abschöpfung am Strommarkt ist komplex, weil auch Einnahmen und Verluste am Terminmarkt berücksichtigt werden.“

Auf dem Terminmarkt werden Vereinbarungen für Stromlieferungen in der Zukunft geschlossen. Da­mit können Energieversorger ge­zwungen sein, trotz derzeit hoher Preise Strom zu früher vereinbarten, günstigeren Konditionen zu liefern. Das müsste bei der Abschöpfung von Gewinnen wohl berücksichtigt werden. Tagesaktuelle Preise, die am sogenannten Spotmarkt gezahlt werden, sind hingegen stark gestiegen. Hier wird offenbar eine rückwirkende Abschöpfung von Gewinnen ab März dieses Jahres erwogen, wie aus der Präsentation hervorgeht. Dies lehne der BEE ab, erklärte Präsidentin Simone Peter. „Eine Rückwirkung massiver Markteingriffe auf den 1.3.2022 ist nach unserer Einschätzung zudem verfassungswidrig.“

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.