Studie

Frauenquote im Mittelstand sinkt

Zwei Jahre lang sah es so aus, als würden im deutschen Mittelstand allmählich wieder mehr Frauen auf dem Chefsessel Platz nehmen. Doch der leichte Aufschwung ist nun schon wieder vorbei.

Frauenquote im Mittelstand sinkt

kro Frankfurt

Nach zwei Jahren des Zuwachses hat sich der Anteil frauengeführter Unternehmen im deutschen Mittelstand im vergangenen Jahr wieder reduziert. Lag die Quote 2020 noch bei 16,8 %, waren es 2021 nur noch 16 %, wie eine KfW-Studie ergeben hat. In absoluten Zahlen zählte die Förderbank im vergangenen Jahr bei insgesamt etwa 3,8 Millionen mittelständischen Unternehmen rund 608 000 Firmen mit einer Frau im Chefsessel. Davor waren es noch 638 000. „Von einem kontinuierlich zunehmenden Einzug von Frauen in die Führungsetagen mittelständischer Unternehmen kann in den letzten Jahren kaum die Rede sein“, schreibt KfW-Mittelstandsexperte Michael Schwartz in der Analyse. Größere Impulse seien zudem nicht in Sichtweite.

Dabei habe es berechtigte Hoffnungen gegeben, dass die 2015 und 2021 in Kraft getretenen Führungspositionen-Gesetze für Großunternehmen zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen auch die Entwicklung der Frauenquote im Mittelstand beflügeln. Immerhin sei der Frauenanteil in den Vorständen der betroffenen Großunternehmen von 4,9 % im Jahr 2015 auf zuletzt 14,1 % gestiegen. In den Aufsichtsräten hat sich der Frauenanteil zudem von 21,3 % im Jahr 2015 auf zuletzt 35,9 % erhöht. Die angestrebten Quoten in den börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen seien damit zwar noch nicht vollumfänglich erreicht, aber der Trend zeige zumindest nach oben.

Es beginnt mit der Erziehung

Der Mittelstand habe sich von der Entwicklung allerdings entkoppelt, heißt es. Als wichtigen Grund nennt die KfW die seit der Jahrtausendwende in Deutschland immer stärker zurückgehende Gründungstätigkeit, mit der auch die Zahl der von Frauen organisierten Existenzgründungen abnimmt. Die Gründerinnen-Quote blieb in den vergangenen Jahren zwar einigermaßen stabil und bewegte sich zwischen 36 und 43 % (siehe Grafik). Die Neigung zu einer Gründung werde aber nach wie vor unter anderem von geschlechterstereotypen Erziehungsmustern beeinflusst, die oft dazu führen, dass Frauen weniger risikoaffin sind und sich in der Wahl zwischen Karriere und Familie häufiger für Letzteres entscheiden. Die nach wie vor oft tradierte Aufgabenverteilung bei der häuslichen Arbeit und Kinderbetreuung sowie eine geschlechterstereotype Ausbildungs- und Berufswahl würden die Gründungsneigung ebenfalls negativ beeinflussen.

Für den benötigten Kulturwandel brauche es somit weiterhin Ausdauer, schreibt Schwartz. Zumindest mit Blick auf die Wahrnehmung des finanziellen Risikos lasse sich die Entwicklung aber schon in den Schulen vorantreiben, indem bereits dort beispielsweise Kompetenzen für die unternehmerische und berufliche Selbständigkeit vermittelt werden.

Fertigung ist Männerdomäne

Eine klischeefreie Steuerung der Berufswahl von Schülerinnen ist aus Sicht des IW Köln ebenfalls von zentraler Bedeutung, um mehr Frauen in die wirtschaftlich und gesellschaftlich besonders gefragten MINT-Berufe zu bekommen. Der Anteil der Frauen, die in einem solchen Beruf arbeiten, hat sich im Bundesdurchschnitt zwischen dem 4. Quartal 2012 und dem 3. Quartal 2020 von 13,8 % leicht auf 15,4 % erhöht, wie das Institut im MINT-Frühjahrsreport 2021 berichtet hatte. Entsprechend selten stehen Frauen somit an der Spitze von Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe, wo vielfach Technik- und IT-Kenntnisse benötigt werden. Von den frauengeführten Mittelständlern verortete die KfW in der Analyse zuletzt gerade mal 4 % in der Fertigung, aber 89 % im Dienstleistungssektor, in dem die Firmen dann meist auch kleiner sind: Durchschnittlich beschäftigten frauengeführte Unternehmen 2020 etwa sechs Mitarbeiter, bei männergeführten Firmen waren es neun Mitarbeiter. Unter anderem deshalb ist die wirtschaftliche Bedeutung von frauengeführten Firmen weiter unterproportional, schreibt Schwartz.

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