KfW-Milliardendarlehen

Gazprom Germania verstaatlicht

Die Bundesregierung versucht die Folgen des Krieges für die Energieversorgung Deutschlands im Griff zu behalten. Über das Milliardendarlehen der KfW wird die Staatsbank wohl Gesellschafter von Gazprom Germania werden. Derweil kürzt Gazprom die Lieferungen über Nord Stream 1 um 60 %. Der Gaspreis explodiert.

Gazprom Germania verstaatlicht

cru Frankfurt

Die Bundesregierung beabsichtigt, im Rahmen ihrer Treuhänderfunktion bei Gazprom Germania ein Darlehen bei der Staatsbank KfW in Milliardenhöhe aufzunehmen, um eine offenbar drohende Insolvenz der Deutschland-Tochter des staatlichen russischen Gaskonzerns abzuwenden. „Eine – wie von der Bundesregierung dem Vernehmen nach angedachte – Umwandlung des Darlehens der KfW in Eigenkapital dürfte im Ergebnis dazu führen, dass die KfW und damit faktisch der Bund Mitgesellschafter würden“, sagte Kristin Spiekermann, auf Energierecht spezialisierte Anwältin der Kanzlei Rosin Büdenbender, der Börsen-Zeitung. „Damit dürften die Enteignungsvorschriften des Energiesicherheitsgesetzes nach meinem Verständnis nicht zur Anwendung kommen.“

Unterdessen sind die europäischen Gaspreise am Donnerstag sprunghaft angestiegen, als Gazprom die wichtigen Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 nach Westeuropa um 60 % verringert hat – und damit die Verbraucherländer zwingt, sich mit dem Szenario auseinanderzusetzen, ihre Wirtschaft ohne russisches Gas am Laufen zu halten. Die Benchmark-Terminkontrakte stiegen um bis zu 30,5 %, nachdem sie in dieser Woche bereits um 46 % geklettert waren. Die Kürzungen wirken sich auf ganz Europa aus: Unternehmen wie Eni in Italien, Engie in Frankreich und Uniper in Deutschland erklärten, dass sie weniger Gas erhalten. Deutschland bezeichnete die Kürzungen durch die Nord-Stream-Pipeline als „politisch motiviert“ und darauf abzielend, die Märkte zu verunsichern, und stellte die Erklärung von Gazprom in Frage, der Stopp sei auf technische Probleme zurückzuführen.

Europa befürchtet seit Monaten russische Lieferkürzungen als Vergeltung für die Sanktionen, die gegen Moskau wegen seines Einmarsches in der Ukraine verhängt wurden. Die jüngste Krise könnte Schlüsselindustrien von Chemieunternehmen bis hin zu Stahlherstellern treffen – ein schwerer Schlag für die EU, die bereits mit steigender Inflation und magerem Wachstum zu kämpfen hat.

Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck forderten Verbraucher und Industrie auf, den Verbrauch zu drosseln, um die Speicher vor der nächsten Heizperiode zu füllen. Gasrationierungen werden zu einer realen Perspektive.

Die russische Lieferkürzung erfolgte, als Bundeskanzler Olaf Scholz, der französische Präsident Emmanuel Macron und der italienische Premierminister Mario Draghi zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über einen EU-Beitritt in Kiew eintrafen – der prominenteste Besuch seit der russischen Invasion Ende Februar. Der Kreml erklärte, die Kürzungen seien „nicht beabsichtigt“. Russland hatte zuvor den Angriff auf die europäischen Energiemärkte langsam verschärft und die Gaslieferungen nach Polen, Bulgarien und Finnland eingestellt – aufgrund eines Streits über die Forderung von Präsident Wladimir Putin, den Brennstoff in Rubel zu bezahlen. Inzwischen werden sogar Lieferungen in Länder reduziert, die bisher Umgehungslösungen gefunden hatten, um russisches Gas zu erhalten.

Berlin hat bereits die erste Stufe eines dreistufigen Notfallplans zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit eingeleitet und könnte gezwungen sein, noch weiter zu gehen, wenn sich die Kürzungen verschärfen. Die Bundesregierung erklärte jedoch, dass man bis auf Weiteres eine alternative Versorgung sicherstellen könne.

Der Energieversorger Uniper teilte mit, er habe 25 % weniger als vertraglich vereinbart aus Russland erhalten, während die österreichische OMV und die französische Engie ebenfalls geringere Mengen erhielten. Die italienische Eni teilte am Donnerstag mit, Gazprom liefere nur 65 % der angeforderten Menge.

Die Lieferungen wurden gekürzt, nachdem Gazprom Probleme mit der Reparatur von Siemens-Turbinen als Begründung angeführt hatte. Die westlichen Sanktionen gegen Russland haben dazu geführt, dass die für das Funktionieren der Nord-Stream-Gaspipeline wichtige Ausrüstung im Ausland festsitzt.

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