Stuart Roberts, J.P. Morgan

Handels­finanzierung für Firmen schrumpft

J.-P.-Morgan-Manager Stuart Roberts erwartet erheblichen Rückgang des globalen Trade-Finance-Volumens.

Handels­finanzierung für Firmen schrumpft

cru/xaw Frankfurt

J.P. Morgan erwartet angesichts der von der Energiekrise ausgelösten Rezession auch einen deutlichen Rückgang der Handelsfinanzierung. „Das Volumen der Trade Finance wird erheblich zu­rückgehen“, sagte Stuart Roberts, Global Head of Trade, der Börsen-Zeitung. „Kreditausfälle befürchten wir dabei aber weniger. Für Trade Fi­nance finanzieren wir vor allem Unternehmen mit einer Invest­ment-Grade-Bonitätsnote.“

Allerdings will Roberts das Ge­schäft von J.P. Morgan mit der Handelsfinanzierung auch in diesem schwierigen Umfeld kräftig ausbauen. Neben Konkurrenten wie HSBC und Citigroup war J.P. Morgan in der Handelsfinanzierung bisher klein, holt aber auf. Das Kreditbuch umfasst 40 Mrd. Dollar und wird im Jahr 2022 laut Roberts um etwa 25% wachsen.

Der Manager gibt sich skeptisch, inwieweit die europäischen Zentralbanken in der Lage sind, die in Aussicht gestellten Zinserhöhungen auch tatsächlich zu liefern, „sobald sich die Zinserhöhungen in einer wachsenden Arbeitslosigkeit niederschlagen“. Er merkte an, dass die Zentralbanken in den letzten 30 Jahren Geld gedruckt haben, aber jetzt gebe es zum ersten Mal seit dem Be­ginn der 80er Jahre wieder eine Situation mit mehr Pleiten und Arbeitslosigkeit. „Keiner ist das ge­wöhnt.“

Die Handelsfinanzierung umfasst die Finanzinstrumente und Produkte, die von Unternehmen zur Erleichterung des internationalen Handels eingesetzt werden. Die Handelsfinanzierung ermöglicht und erleichtert Importeuren und Exporteuren die Abwicklung von Handelsgeschäften. Handelsfinanzierung ist dabei ein Oberbegriff, der viele Finanzprodukte umfasst, die von Banken und Unternehmen eingesetzt werden, um Handelsgeschäfte zu ermöglichen.

Zahlungsrisiko beseitigen

Die Funktion der Handelsfinanzierung besteht darin, einen Dritten in die Transaktionen einzubinden, um das Zahlungs- und Lieferrisiko zu beseitigen. Durch die Handelsfinanzierung erhält der Exporteur Forderungen oder Zahlungen gemäß der Vereinbarung, während der Importeur einen Kredit erhält, um den Handelsauftrag zu erfüllen.

Unterdessen werben Digital-Assets-Enthusiasten für die Zukunft von Distributed-Ledger-Technologien in der Nachverfolgung von Gütern. So haben Maersk und IBM gemeinsam die Blockchain-Logistikplattform Tradelens aufgebaut und Roberts ist gespannt, ob die entsprechenden Lösungen in der Optimierung von Lieferketten einen bedeutenden Mehrwert bieten können. „Sollten Blockchain-Lösungen tatsächlich so große Effizienzgewinne ermöglichen, wären sie doch längst großflächig im Einsatz“, sagt der Manager. „Dies ist jedoch noch nicht der Fall, obwohl über Distributed Ledger in der Trade Finance seit 15 Jahren gesprochen wird.“

Dies liege unter anderem daran, dass die existenten Buchhaltungssysteme von Anbietern wie SAP oder Oracle bereits über Programmierschnittstellen miteinander und externe Anwendungen verknüpft seien. Somit seien auch ohne den Einsatz von Blockchain-Technologie sehr umfassende Datenmengen verfügbar, die beständig zwischen den Logistikunternehmen ausgetauscht würden.

Blockchain für die Lieferkette

Die Lieferkettenunterbrechungen, die während der Coronakrise entstanden seien, ließen sich indes auch durch den Einsatz von Blockchain-Technologie nicht beheben. „Wenn Rohstoffe und Basismaterialien nicht in ausreichendem Maß vorhanden sind, ist dies kein buchhalterisches Problem“, sagt Roberts. „Dann geht es für die Teilnehmer der Lieferkette vor allem darum, ein effektives Risikomanagement zu betreiben.“ Dafür seien unter anderem mit Akkreditiven („Letters of Credit“) bereits Ins­trumente verfügbar, um Zahlungsbedingungen zwischen Zulieferern und Abnehmern festzulegen und somit die Erfüllungsrisiken gleichmäßig zwischen Exporteuren und Importeuren zu verteilen.

„Während die Systeme in Indus­trienationen also schon sehr effizient sind, gibt es in Schwellenländern durchaus Potenzial für neue Technologien“, betont Roberts. Für Blockchain-Lösungen gebe es dort Ni­schen, großflächiger könne dage­gen künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz kommen. So verkündete J.P. Morgan zuletzt eine strategische Partnerschaft mit der US-Plattform Cleareye, einem Spezialisten für maschinelles Lernen. Mit dem kalifornischen Anbieter will die Großbank daran arbeiten, die Due-Diligence-Prozesse auf ihrer Plattform Cleartrade zu vereinfachen.

„In der Handelsfinanzierung ist heute immer noch eine Vielzahl physischer Dokumente im Umlauf“, sagt Roberts. „Diese können wir zwar einscannen, ausgewertet werden müssen sie aber immer noch von Menschen.“

Im Rahmen der Kooperation mit Cleareye will J.P. Morgan Dokumente künftig mittels Bildverarbeitungstechnologie effizienter digitalisieren sowie unstrukturierte Daten über lernfähige Algorithmen ordnen und validieren können. Dies soll unter anderem eine Automatisierung von Akkreditiv-Dokumentenprüfungen ermöglichen und die Bank in die Lage versetzen, handelsorientierte Geldwäsche präziser zu erkennen und Sanktionen umzusetzen.

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