Energiewende

Ölbohrungen in der Nordsee vor dem Aus

Britische Öl- und Gaskonzerne haben 2020 so wenig investiert wie zuletzt 1973. Die Branche warnt davor, dass Importe mit höheren Treibhausgasemissionen verbunden seien als die heimische Produktion.

Ölbohrungen in der Nordsee vor dem Aus

hip London

Die britischen Unternehmen, die in der Nordsee Öl und Gas fördern, haben im vergangenen Jahr so wenig investiert wie zuletzt 1973. Dem Branchenverband Oil & Gas UK (OGUK) zufolge waren es 3,7 Mrd. Pfund. Der Rückgang war stärker als im weltweiten Durchschnitt. In den kommenden fünf Jahren wollen Öl- und Gasproduzenten insgesamt 21 Mrd. Pfund investieren. Darin ist die Erschließung neuer und die Erweiterung bestehender Felder enthalten. Allerdings hatte die Internationale Energieagentur (IEA) im Mai empfohlen, keine neuen Vorkommen mehr zu entwickeln. In Großbritannien laufen Klimaschützer gegen die Entwicklung des Cambo-Ölfelds westlich der Shetland-Inseln durch Siccar Point Energy und Shell Sturm. Greenpeace zerrte BP, Ithaca Energy und die britische Regierung vor Gericht, um die Annullierung einer 2018 erteilten Lizenz für das Ölfeld Vorlich im Osten von Aberdeen zu erreichen. Die Liberaldemokraten machten sich gar dafür stark, Öl- und Gasfirmen von der Londoner Börse zu verbannen. Premierminister Boris Johnson steht als Gastgeber des UN-Klimagipfels in Glasgow im November unter erheblichem politischem Druck.

Die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie sorgten dafür, dass in Großbritannien im vergangenen Jahr so wenig Energie verbraucht wurde wie zuletzt in den 1950er Jahren. Öl und Gas steuern fast drei Viertel zur Energieversorgung bei, seitdem Kohlekraftwerke durch Gaskraftwerke abgelöst wurden. Im ersten Quartal 2021 wurde mehr als ein Drittel des britischen Stroms mit Gas produziert. Erneuerbare Energien decken trotz großer Ausbaufortschritte bislang lediglich ein Fünftel des Primärenergieverbrauchs.

OGUK weist in ihrem „Economic Report 2021“ darauf hin, dass die britischen Klimaziele bereits eine stetige Reduzierung der Nordseeförderung bis 2050 vorsehen. Weitere Schritte zur Kürzung der Produktion würden Tausende Arbeitsplätze kosten und dazu führen, dass Milliardeninvestitionen anderswo getätigt werden. „Das Beste aus den heimischen Ressourcen zu machen trägt dazu bei, die britische Nachfrage zu decken und die Preisentwicklung unter Kontrolle zu halten“, argumentiert der Verband. Auf diese Weise könne man die Versorgung sicherstellen und dabei im Vergleich zu importiertem Öl und Gas einen niedrigeren CO-Fußabdruck gewährleisten. Die Energiewende bietet auch Chancen für die Branche – etwa wenn es um die Wasserstoffstrategie der Regierung geht oder das Thema CO2-Abscheidung und Speicherung. Fast 200 000 Jobs hängen an der Öl- und Gasproduktion.

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