Sanktionen

OMV zieht die Reißleine in Russland

Der Angriff Russlands auf die Ukraine und das drohende Öl-Embargo lassen nach der BASF-Tochter Wintershall Dea nun auch den teilstaatlichen österreichischen Energiekonzern OMV seine Russland-Strategie überdenken.

OMV zieht die Reißleine in Russland

cru Frankfurt – OMV zieht die Reißleine. In Russland werde es künftig keine Investitionen mehr geben, und die 24,99-%-Beteiligung am Erdgasfeld Juschno Russkoje werde „strategisch überprüft“, teilte das österreichische Unternehmen nach einem Vorstandsbeschluss mit: „Diese Überprüfung beinhaltet alle Optionen, einschließlich Möglichkeiten einer Veräußerung oder Ausstiegs.“

Wintershall Dea hat ihre Finanzierung für Nord Stream 2 von 1 Mrd. Euro bereits vollständig abgeschrieben. Auch Uniper prüft einen solchen Schritt – ebenso wie Shell und Engie. Allerdings bleibt Wintershall Dea zusammen mit Gazprom am deutschen Gasfernleitungsbetreiber Gascade und an einem russischen Gasfeld beteiligt. Zudem halten Eon und Wintershall Dea bisher an ihren direkten Beteiligungen von jeweils 15,5% an Nord Stream 1 fest. BP, Shell, Equinor und ExxonMobil haben sich bereits aus Russland verabschiedet, und Total Energies investiert dort nicht mehr.

Mehr als 55% des in Deutschland verbrauchten Erdgases sowie 50% der Kohle und 35% des Öls kommen aus Russland. „Der Verzicht auf Gasimporte aus Russland, die 36% der gesamten EU-Gasversorgung ausmachen, wird für Europa nicht einfach sein“, erklärt Markus Zimmer, Analyst bei Allianz Research. „Wir schätzen die gefährdete Energiemenge in der EU auf fast 10% des Endverbrauchs.“ In Ungarn, der Slowakei, der Tschechischen Republik, Lettland und Deutschland hängen laut Allianz Research mehr als 20% des Endenergieverbrauchs von Gas aus Russland ab.

Spot-Gaspreis auf Allzeithoch

Laut Oxford-Ökonomen von Aurora Energy Research würde das Szenario „Komplettausfall der russischen Gasimporte“ im nächsten Winter eine Lücke von 109 Mrd. Kubikmeter reißen – das sind 38% der vor der Krise erwarteten Importe. Die EU-Kommission will am heutigen Dienstag ein Maßnahmenpaket zur Reduzierung der Energieabhängigkeit vorstellen.

Der Krieg in der Ukraine treibt die Erdgaspreise in Deutschland bereits kräftig nach oben. Laut Energiemarktexperte Fabian Huneke vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool wurde am Montagvormittag Erdgas zur Lieferung am Folgetag zeitweise zum Allzeithoch von 335 Euro je Megawattstunde gehandelt.

OMV hatte den russischen Gasfeld-Anteil 2017 vom deutschen Gasimporteur und Kraftwerksbetreiber Uniper für rund 1,7 Mrd. Euro übernommen. OMV muss nun nach eigenen Angaben darauf 500 Mill. bis 800 Mill. Euro abschreiben. „Diese nicht liquiditätswirksame Wertanpassung wird das berichtete operative Ergebnis im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres belasten“, teilte das Unternehmen mit.

OMV reduziere damit ihr Netto-Anlagevermögen in Russland auf rund 2% ihres gesamten Sachanlagevermögens und ihrer at Equity bewerteten Beteiligungen. Dazu kommt eine weitere Abschreibung von fast 1 Mrd. Euro wegen der Pipeline-Gesellschaft Nord Stream 2. OMV war an deren Finanzierung beteiligt, die Pipeline dürfte nun aber nicht in Betrieb genommen werden. OMV nehme wegen der erwarteten Uneinbringlichkeit der Forderungen gegenüber der Nord Stream 2 AG eine Wertanpassung von 987 Mill. Euro vor. Die nicht liquiditätswirksame Abschreibung werde das Ergebnis vor Steuern im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres belasten. Bisher war Russland eine Kernregion im Portfolio der OMV-Sparte Exploration & Production.

Russland-Investition gestoppt

Nun habe der OMV-Vorstand entschieden, in Russland zukünftig keine Investitionen mehr zu verfolgen, hieß es weiter. „Der Krieg in der Ukraine ist eine tragische und bedrohliche Situation, die für viele Menschen großes Leid bedeutet und die uns sehr betroffen macht. Unser tiefes Mitgefühl gilt allen Menschen, die direkt und indirekt Opfer des russischen Militärschlages sind. Wir fordern ein sofortiges Ende aller Kampfhandlungen. Nur im Frieden kann es Freiheit und Wohlstand geben“, erklärte Alfred Stern, Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor von OMV.

Bereits Anfang vergangener Woche hatte OMV angekündigt, alle Verhandlungen mit Gazprom über den Erwerb einer 24,98-%-Beteiligung an den Blöcken 4A/5A der Achimow-Formation des Urengoj-Erdgas- und Kondensatfelds zu beenden. Die zugrundeliegende Vereinbarung vom 3. Oktober 2018 wurde gekündigt.

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