Telekommunikation

TIM gibt ihr Festnetz ab

Telecom Italia (TIM) will sich von ihrem Festnetzgeschäft trennen und es in eine monopolistische Struktur mit dem Konkurrenten Open Fiber einbringen. Ein entsprechendes Memorandum of Understanding wurde jetzt unter anderem mit dem staatlichen Aktionär CDP unterzeichnet.

TIM gibt ihr Festnetz ab

bl/hei Mailand/Frankfurt

Telecom Italia (TIM) will das eigene Festnetzgeschäft, das derzeit in der von TIM zu 58% kontrollierten Fiber Cop gebündelt ist, in eine monopolistische Netzwerkgesellschaft mit dem bisherigen Konkurrenten Open Fiber einbringen. Ein entsprechendes, nicht bindendes Memorandum of Understanding (MoU) hat TIM jetzt mit dem staatlichen Open-Fiber-Mehrheitsaktionär Cassa Depositi e Prestiti (CDP), der Investmentgesellschaft Macquarie und mit dem Fiber-Cop-Minderheitsanteilseigner KKR unterzeichnet. Die Beteiligten streben an, bis Ende Oktober eine rechtlich bindende Vereinbarung zur Bildung einer von der CDP kontrollierten Gesellschaft abzuschließen. Die genaue Beteiligungsstruktur der neuen Gesellschaft ist indes noch offen. Die TIM-Aktie stieg in Mailand um bis zu 5%.

Der neue TIM-CEO Pietro Labriola hatte in den letzten Monaten einen Strategieplan für das angeschlagene Unternehmen entwickelt, der die Trennung der Dienstleistungs- und der Netzwerksparte vorsieht. Die hoch verschuldete Telekomgesellschaft, die auch mit ihrem Großaktionär Vivendi immer wieder im Clinch liegt, ist der erste europäische Konzern der Branche, der eine solche Trennung von Netzinfrastruktur und Telekommunikationsdiensten angeht. Eine Offerte von KKR über 10,8 Mrd. Euro für die Übernahme des Gesamtunternehmens war nach monatelanger Prüfung zurückgewiesen worden.

In einer Netzwerkgesellschaft, deren genaue Gestalt noch unklar ist, hätte der Staat, der über die Förderbank CDP 10% von TIM und 60% von Open Fiber kontrolliert, ein sehr starkes Gewicht. Rom hofft, über eine monopolistische Netzgesellschaft Mittel für den Glasfaserausbau freizusetzen, bei dem Italien aufgrund der strapazierten Bilanz von TIM in Europa stark hinterherhinkt. Dabei sollen auch umfangreiche Gelder aus dem Europäischen Wiederaufbauprogramm für die Digitalisierung des Landes eingesetzt werden. Bestandteil der neuen Gesellschaft könnte auch die TIM-Tochter Sparkle sein, ein Service-Provider, der etwa Unterwasserkabel für die Übertragung hoher Bandbreiten im Internet über weite Entfernungen betreibt.

Schulden sollen mitgehen

Im Ergebnis der Transaktion dürfte sich TIM ganz aus dem Festnetzsektor zurückziehen und sich auf die Dienstleistungssparte mit Mobilfunk, Serviceleistungen und dem Brasilien-Geschäft konzentrieren. Dem Vernehmen nach will TIM-Großaktionär Vivendi in der Dienstleistungssparte investiert bleiben. Das schwierigste Thema in den Verhandlungen ist die Bewertung der Festnetzsparte. Analysten etwa von Equity taxieren den Wert auf bis zu 21 Mrd. Euro. TIM will offenbar den Großteil der Schulden auf die abzugebende Sparte übertragen, doch auch das dürfte Bestandteil der Diskussionen der nächsten Monate sein. Einer Vereinbarung müssten neben den nationalen und internationalen Kartellbehörden die Regierung in Rom und die Aktionäre von TIM zustimmen.

Eine Öffnung oder Abtrennung der Festnetzinfrastruktur gilt in der europäischen Telekombranche seit einiger Zeit als Möglichkeit, die enormen Investitionen vor allem in teure Glasfaser zu finanzieren. Vielerorts werden bisherige Denkverbote zur Kontrolle über das gesamte Netz aufgegeben. Dabei spielt auch das große Interesse von Private Equity an der Telekommunikationsinfrastruktur eine Rolle. Hier ist nicht nur KKR ein erfahrener Investor, sondern auch die schwedische Firma EQT, die bereits versucht hat, mit KPN zu einer Einigung zu gelangen, die ebenfalls die Abspaltung von Netzinfrastruktur vorsah. Allerdings sperrt sich die holländische Regierung dem Vernehmen nach gegen einen solchen Deal.

Auch bei BT Group steht eine Öffnung der Festnetzsparte zur Debatte. Dort hatten die Wettbewerbsbehörden seit Jahren eine Abtrennung von Openreach gefordert, aber BT hatte sich widersetzt. Nun dringt der neue Großaktionär Patrick Drahi, der in zwei Schritten ein 18-Prozent-Paket erworben hat, auf eine Neuausrichtung des Konzerns, der ebenso wie TIM unter einer hohen Schuldenlast leidet. Die Deutsche Telekom besitzt ein 12-Prozent-Paket an BT, dessen Wert sich nach dem Einstieg von Drahi wieder erhöht hat.